Chefarzt Dr. Norden Paket 1 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
Visier.
»Die Leber ist das einzige Organ, das nachwächst. Deshalb meine Frage: Sind Sie bereit, Ihrem Sohn einen Teil Ihrer Leber zu spenden?«
Schweigen erfüllte den Raum. Plötzlich wirkte Alexa wie versteinert. Von draußen drangen die geschäftigen Geräusche der nahen Notaufnahme hinein. Hektisch gerufene Anweisungen, eilige Schritte, die auf dem Linoleumboden quietschten.
»Ich würde alles für meinen Sohn tun«, wiederholte Alexa wie ein Mantra.
»Eine Lebendspende ist die einzige Möglichkeit.«
»Worauf warten wir dann noch?« Sie hielt es nicht mehr auf dem Stuhl aus, sprang auf und sah die Ärzte herausfordernd an.
Auch Matthias erhob sich. Im selben Moment ertönte ein durchdringendes Piepen. Er zog das kleine Gerät vom Gürtel und warf einen Blick darauf. »Mist, sie brauchen mich in der Ambulanz.«
Danny zögerte keine Sekunde.
»Geh du nur. Ich übernehme das hier.« Er nickte Matthias zu.
Der lächelte dankbar und eilte aus dem Zimmer. Danny winkte Alexa Quadt mit sich.
»Wir beide suchen uns jetzt ein freies Behandlungszimmer. Dort nehme ich Ihnen Blut ab. Das wird untersucht«, erklärte er unterwegs. »Wenn die Blutgruppe Ihres Sohnes zu Ihrer passt, untersuchen wir, ob Ihre Leber für eine Lebendspende geeignet ist.« Er hielt ihr die Tür zu einem Zimmer auf und bat sie, auf einem Stuhl Platz zu nehmen.
Alexa folgte seinen Anweisungen und krempelte den Ärmel hoch. Sie sah Danny Norden dabei zu, wie er Blut abnahm und die Röhrchen sorgfältig verschloss.
»Und was, wenn die Blutwerte nicht zusammenpassen?«, stellte sie die Frage, die ihr auf der Seele brannte, seit Dr. Weigand den Vorschlag gemacht hatte.
Danny lächelte.
»Ich kann Sie beruhigen. In den meisten Fällen stimmen die Blutgruppen von Eltern und Kindern überein.«
Alexa kämpfte mit sich. Sie senkte den Blick, während sie den Ärmel wieder herunterkrempelte. Unterdessen schickte Danny eine Schwester mit den dringenden Blutproben ins Labor.
»Und was, wenn sie doch nicht passen?«, beharrte sie auf ihrer Frage.
Einen Moment lang war Danny irritiert. Woher rührten diese Sorgen?
»Dann werden wir zur Sicherheit auch noch Leos Vater untersuchen.«
Alexas Augen weiteten sich vor Schreck.
»Das ist ausgeschlossen. Wir … wir haben uns im Streit getrennt. Ich habe keine Ahnung, wo er inzwischen lebt.« Sie dachte kurz nach und stand dann auf. »Kann ich meinen Sohn sehen?«
Danny antwortete nicht sofort. Irgendetwas stimmte nicht mit Alexa Quadt. Instinktiv spürte er, dass sie ein Geheimnis vor ihm verbarg. Doch es war nicht seine Art nachzufragen. So beließ er es bei der Ahnung und erhob sich.
»Selbstverständlich. Ich bringe Sie zu ihm. Wenn die Ergebnisse da sind, weiß ich ja, wo ich Sie finde«, erklärte er sich bereit und bedeutete ihr, ihm zu folgen.
*
Fee Norden wusste auf den ersten Blick, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung war.
»Was ist los, Dan?«, fragte sie und machte es sich auf der Couch gemütlich.
Den ganzen Vormittag hatte sie draußen verbracht und sich ihrem großen Hobby, den Rosen, gewidmet. Es war Zeit geworden, ihre Lieblinge von ihrem Winterschutz zu befreien, und ihnen Luft zum Atmen zu verschaffen. Sie hatte das restliche Laub vom Vorjahr zusammengerecht, die Erde in den Beeten aufgelockert und neuen Rindenmulch verteilt. Von der frischen Luft waren ihre Wangen gerötet. Nach getaner Arbeit freute sie sich auf ein Stück Kuchen aus Tatjanas Café und auf eine schöne Tasse Tee.
Seufzend setzte sich Daniel neben sie.
»Du hattest recht. Ich hätte doch daheim bleiben sollen«, erklärte er unwillig und schenkte zwei Becher Tee ein. Sein nachdenklicher Blick ruhte auf der Kuchenauswahl, die er auf dem Heimweg rasch in der Bäckerei ›Schöne Aussichten‹ besorgt hatte. »Magst du lieber Zitronentarte oder Käsekuchen?«
»Beides!«, antwortete Fee spontan. »Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich mir eine von Tatjanas Köstlichkeiten entgehen lasse.«
»Und ich? Soll ich dir etwa zuschauen?«, fragte Daniel entgeistert. »Was gibt es da zu lachen?«
»Dein Gesicht hättest du sehen sollen.« Fee kicherte noch immer, als sie nach einem Messer griff und die beiden Kuchenstücke teilte. »Keine Angst, du musst nicht verhungern.«
Daniel lächelte.
»Immerhin etwas an diesem tristen Tag.«
Fee nahm ihren Teller und lehnte sich zurück. Ohne ihren Mann aus den Augen zu lassen, ließ sie eine Gabel voll Käsekuchen im Mund verschwinden.
»War es so schlimm?«
»Viel schlimmer. Stell dir vor, was Fuchs vorhat.« In aller Ausführlichkeit berichtete er von dem ungeheuerlichen Plan.
Allmählich verstand Felicitas die Empörung ihres Mannes.
»Das kann ja wohl nicht wahr sein!«, schimpfte sie, nachdem er geendet hatte. »Diesen Plan unterstützt er doch nur, weil ihm ein einflussreicher Posten versprochen worden ist.«
Daniel schob eine Gabel Kuchen in den Mund und trank einen Schluck Tee nach.
»Dann siehst du die Sache also genauso wie ich?«, fragte er vorsichtshalber nach.
»Natürlich!« Fee war so empört, dass sie den Kuchen völlig vergaß. »Die Frage ist, was du jetzt tun sollst.«
»Ganz einfach.« Daniel kratzte die letzten Reste auf seinem Teller zusammen. »Ich gebe Fuchs einen Korb und hoffe darauf, dass die Sache damit erledigt ist.«
Fees Augen waren schmal geworden. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass sie angestrengt nachdachte.
»Das würde ich an deiner Stelle nicht tun«, erklärte sie schließlich.
Daniel sah sie verwundert an.
»Nicht?«
»Nein.« Sie schüttelte entschieden den Kopf. »Es ist nicht gut, sich gleich am Anfange Feinde zu machen. An deiner Stelle würde ich Interesse an dem Projekt bekunden. Gleichzeitig versuchen wir, mehr über die Hintergründe herauszufinden.« Ein süffisantes Lächeln spielte um ihre Lippen. »Ich habe doch eine gute Freundin im Stadtrat. Leider haben Kerstin und ich uns schon lange nicht mehr gesehen.« Sie seufzte theatralisch. »Es wird Zeit, dass wir uns wieder einmal auf eine Tasse Kaffee im ›Schöne Aussichten‹ treffen.«
Die Darbietung seiner Frau war überzeugend. Daniel lachte belustigt auf.
»Wenn ich gewusst hätte, was für ein schauspielerisches Talent du hast, hätte ich in den letzten Jahren mehr Vorsicht walten lassen«, erklärte er und nahm ihr den Teller aus der Hand. Er stellte ihn auf den Tisch, ehe er sich über sie beugte.
»Ach ja?« Fee lehnte sich zurück und sah ihm in die Augen. »Jetzt ist es dummerweise zu spät.« Sie legte die Arme um seinen Hals und zog ihn an sich. »Du bist mir nämlich längst verfallen«, murmelte sie an seinen Lippen. »Mit Haut und Haaren.«
»Jetzt kannst du endlich zugeben, dass du nur hinter meinem Geld her warst«, spielte Daniel das Spiel nur zu gern mit.
»Nicht nur. Auch hinter deinem Körper«, korrigierte Fee ihn zwischen zwei Küssen.
Daniel lachte laut auf.
»Für so oberflächlich hätte ich dich gar nicht gehalten«, sagte er dann.
»Ich werde dir gleich mein wahres Ich zeigen!« Mehr Worte verlor Fee nicht. Denn gab es einen Grund zu reden, wenn es eine viel bessere Sprache für zwei Liebenden gab?
*
In der Notaufnahme wurde Matthias