Chefarzt Dr. Norden Paket 1 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
Tisch in der kleinen Küche zu arrangieren. Die Prinzregententorte, dekoriert mit Arztutensilien aus Schokolade und Zuckerguss fand ebenso ihren Platz wie der Strauß Blumen, die Wendy für diesen feierlichen Anlass besorgt hatte. Ein Päckchen mit druckfrischen Visitenkarten komplettierte den Gabentisch.
»Stell dir vor, ich habe eine halbe Stunde mit der Floristin diskutiert, bis sie eingesehen hat, dass rosa Rosen unpassend für einen jungen Mann sind«, empörte sich Wendy leise, während sie Janines Werk begutachtete. Schließlich blieb ihr hungriger Blick an der Torte hängen. »Tatjanas Prachtstück! Und so detailgetreu.« Bewundernd blickte sie auf die üppige Dekoration. In mühsamer Kleinarbeit hatte Tatjana Stethoskop, Spritzbesteck, Chromschale und alle erdenklichen anderen Utensilien aus Schokolade und Fondant geformt. »Was ist Danny doch für ein Glückspilz!«
»Denkst du, er isst sie ganz allein auf?« Dieser Gedanke ließ Janine nach Luft schnappen. Sie fastete schon den ganzen Tag, und ihr Magen hatte bereits mehr als ein Mal gefährlich geknurrt.
Wendy hielt sich den Bauch vor Lachen.
»Du kommst schon auf merkwürdige Ideen, wenn du Hunger hast.«
»Mag sein, dass du recht hast«, räumte die Freundin bereitwillig ein und ließ den Blick über den Tisch schweifen. »Ich denke, jetzt haben wir alles. Fehlt nur noch der Jubilar.«
»Wie das klingt.« Wendy schnitt eine Grimasse. »Als wäre der Junior neunzig Jahre alt.«
»Fällt dir was Besseres ein?«, stellte Janine eine berechtigte Gegenfrage. Sie bekam keine Antwort und kehrte an den Tresen zurück. In diesem Augenblick stürzte Danny aus seinem Sprechzimmer. »Da sind Sie ja endlich!«, rief sie ihm erfreut zu. Doch statt sich zu ihr an den Tresen zu gesellen, stürzte er zur Garderobe.
»Tut mir leid, ich habe keine Zeit. Ein Notfall.« In Windeseile tauschte er den Kittel gegen die Jacke und lief an Janine vorbei.
Ehe sie auch nur ein Wort sagen konnte, fiel die Tür krachend hinter ihm ins Schloss. Janine zuckte zusammen. Wendy tauchte in der Tür auf, um nach dem rechten zu sehen.
»Was war denn das?«
»Der Junio … der Chef.« Ungläubig starrte Janine auf die Tür.
»Warum hast du ihn nicht aufgehalten?«
»Er muss zu einem Notfall.«
»Das ist doch wie verhext heute! So einen verrückten Tag hatten wir schon lange nicht mehr.«
Die beiden Assistentinnen kehrten in die Küche zurück und blickten nachdenklich auf den Gabentisch.
»Glaubst du, es fällt auf, wenn wir ein winziges Stück von der Torte … «, begann Janine.
»Du darfst noch nicht einmal daran denken«, widersprach Wendy resolut. »Wir haben doch noch Brötchen von heute Morgen.«
»Aber die Torte …«
»Nein!« Wendy griff nach dem Kunstwerk und wollte es wieder in den Kühlschrank verfrachten. Auf halbem Weg blieb sie stehen. »Hmmm, wenn wir da hinten ein kleines Stück rausschneiden und die Figuren ein bisschen umdrapieren …«
»Das fällt ihm gar nicht auf.« Sofort war Janine Feuer und Flamme für diese Idee. »Wir wollen ja nur mal probieren.«
Wendy zögerte noch kurz. Der süße Duft nach Schokolade, Butter und Zucker stieg ihr in die Nase und benebelte ihre Sinne. Anders ließ sich nicht erklären, was dann geschah.
»Aber nur ein ganz kleines Stück.« Sie drehte sich um und kehrte mit der Torte zum Tisch zurück. Behutsam stellte sie die Platte ab.
Janine zückte das Messer. Wenig später saßen die beiden Frauen in schönster Eintracht nebeneinander und ließen sich Buttercreme und Schokolade auf der Zunge zergehen. Ihre Augen glänzten und ihre Gesichter strahlten wie bei Kindern an Weihnachten.
*
»So, diesen Programmpunkt hätten wir abgehakt.« Erleichtert verließ Jenny Behnisch den großen Besprechungsraum, den sie für dieses Ereignis gewählt hatte. Den Strauß Blumen, den ihr ausgerechnet der Kinderchirurg Volker Lammers überreicht hatte, hielt sie nachlässig in der rechten Hand.
»Kurz und schmerzlos«, bestätigte Daniel, der ebenfalls einen Strauß bekommen hatte und schon jetzt danach trachtete, das Ungetüm an seine Frau weiterzureichen.
»Ganz so, wie wir es uns …«
Die eiligen Schritte hinter ihnen ließ Jenny innehalten.
»Ich hatte so viele Ideen für eine würdevolle Abschiedsfeier. Aber Frau Sander bestand auf dieser jämmerlichen Zeremonie.« Wie immer wirkte Volker Lammers Lächeln angestrengt.
Jenny blieb stehen. Sie zögerte kurz und drehte sich dann zu Fee Nordens Stellvertreter um.
»Vielen Dank. Aber Sie haben mir in den Jahren unserer Zusammenarbeit wahrlich genug geboten. Mein Bedarf ist gedeckt.« Sie schenkte ihm ein kühles Lächeln, ehe sie sich abwandte und ihn einfach stehen ließ.
Selbst überrumpelt von diesen ungnädigen Worten sah Daniel den Kollegen Lammers ratlos an und zuckte mit den Schultern. Dann drehte auch er sich um und folgte seiner Freundin im Laufschritt.
»Jenny, was ist denn in dich gefahren?« Als sie weit genug entfernt waren, hielt er sich nicht länger zurück und lachte belustigt auf. »So kenne ich dich gar nicht. Bisher hatte ich den Eindruck, du stündest wie ein Fels hinter Lammers.«
»Er ist der beste Kinderchirurg, der mir je untergekommen ist«, erwiderte sie spitz. »Das bedeutet aber noch lange nicht, dass ich auch nur ansatzweise Sympathien für ihn hege.« Sie schickte Daniel einen warnenden Seitenblick. »Mit Lammers werdet ihr noch viel Ärger haben. Er ist ein skrupelloser Königsmörder, der vor keiner Intrige zurückschreckt, wenn sie ihn nur zum Ziel führt. Das erste ist die Leitung der Pädiatrie, das Fernziel die Leitung der Klinik. Aber das wisst ihr ja längst.«
Daniel suchte nach einem Lächeln in ihrem Gesicht, einem schelmischen Funkeln in den Augen. Vergeblich. Sie meinte es bitterernst.
»Ehrlich gesagt hatte ich gehofft, dass er begriffen hat, dass er an Fee nicht vorbeikommt«, erklärte er beunruhigt.
Jenny schüttelte den Kopf.
»Ein Mann wie Lammers gibt nicht auf. Im Augenblick verhält er sich nur ruhig, weil er über die neue Situation nachdenken muss. Du tust gut daran, ihm alles zuzutrauen. Dann wird er dich nicht überrumpeln.«
»Das sind ja heitere Aussichten. Hättest du mir das nicht vorher sagen können?« Er schnitt eine Grimasse.
Jenny lachte.
»Damit du mein Angebot ausschlägst? Niemals.«
Sie waren nicht mehr weit vom Büro entfernt. Ihre Stimmen hallten über den Flur, und Andrea Sander spitzte die Ohren.
»Achtung! Sie kommen!«, warnte sie ihre beiden Mitstreiterinnen vor dem Schreibtisch.
»Und jetzt?« Lenni sah sich erschrocken um. »Wo sollen wir uns verstecken?«
»Im Schrank«, machte Tatjana einen nicht ganz ernst gemeinten Vorschlag.
»Da passt du rein. Aber ich doch nicht«, zischte Lenni empört, als Tatjana sie auch schon hinter die Tür zog und den Zeigefinger auf die Lippen legte. Gerade noch rechtzeitig, bevor Dr. Norden und Jenny Behnisch das Vorzimmer betraten.
»Da sind wir wieder«, verkündete die ehemalige Klinikchefin. Sie hatte ihre gute Laune wiedergefunden, und ihr Gesicht strahlte eine Entspannung aus, wie man sie an ihr nicht kannte. Ganz so, als wäre eine große Last von ihr abgefallen.
»Und? War es so schlimm wie gedacht?« Andrea Sander wusste, was von ihr erwartet wurde, und spielte das Spiel gern mit.
»Noch viel schlimmer«, gestand Jenny. »Nichts gegen all die wunderbaren Abteilungsleiter und ihre Stellvertreter. Aber dieser Lammers …« Statt den Satz zu beenden, schüttelte sie den Kopf. »Aber jetzt ist es überstanden.«