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Die Musikantenstadt. Max GeißlerЧитать онлайн книгу.

Die Musikantenstadt - Max Geißler


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sind noch einundzwanzig Jahr, bis wir die silberne Hochzeit machen. Das ist ein wenig lang hin; bis zu der Zeit werden’s die Kaffeetöpfe tun müssen, und die kommen auf das Brett hinter den Ofen!“

      Der Ofen nahm ein Viertel von der Stube ein, war aus dunkelgrünen Kacheln, und es lief eine Bank um ihn her.

      Auf diese Ofenbank setzte sich der Pechschaber nun und schaute sich um: in der einen Ecke der Ofen, in der zweiten der Schrank, in der dritten das Bett, am Pfeiler zwischen den beiden Fenstern der Tisch mit zwei Stühlen. An der Wand in der letzten Ecke war eine Leiste mit Nägeln: „Für den Sonntagsstaat, wenn erst einer da ist,“ lachte der Mann. Dann nahm er sein schwarzes Blasholz vom Fensterbrett, barg’s in die Hülle zu der Geige und hing beides an einen der Nägel. „Aus ist’s!“ sagte er, und damit war die ‚landfahrende Zeit‘ beschlossen.

      Nun gingen sie miteinander vors Haus, um sich die Welt anzuschauen, die um sie war.

      Ein breites Tal lag zwischen den dunklen Hängen des Gebirges, so weit, dass eine kleine Stadt darin Platz gehabt hätte. Die Gipfel der Berge schwammen in bläulichem Hauch; das sanfte Wehen der Bergfichten war ringsum, und unten stürzte das schäumende Wildwasser in dumpfem Donnern seine Bahn; nach dem Gewitter von gestern tat es ungebärdig.

      Die Häuser des Dorfes lagen aber nicht dicht beisammen. Warum denn nicht?

      Danach fragte der Pechschaber die Steinhöferin, die gerade wieder aus der Türe schlürfte, sich an der Wand entlang tastete nnd auf der Bank Platz nahm.

      „Ja, mein lieber Pechschaber,“ sagte sie, „das ist deshalb, weil das ganze Tal vordem voller Bergwald stand! Damals sind ihrer etliche gewesen, die haben Kohlen gebrannt und haben sich ihre Hütten in den Wald gebaut, wo es ihnen gerade gefiel. Na, und dann sind andere gekommen, denen hat die Landgrenze angestanden, die hier so nah ist; die haben gepascht. Und wieder andere, die haben Wilpert geschossen im Wald, weil sie dachten: Es ist einer immer satt dabei und lässt sich beim wildern gut leben. Sein Haus hat sich der eine dahin, der andere dorthin gesetzt, wo’s ihm just behagt hat; und den Wald, der um ihre Dächer rauschte, den haben sie so langsam in den Ofen gesteckt.“

      Die Steinhöferin hatte das Kopftuch tief in die faltige Stirn gezogen; so bildete es ein Dächlein über ihren Augen, und es lugte nur noch die scharfe Spitze ihrer Nase in das Sonnenlicht. Plötzlich legte die Alte dem Girgl die Hand aufs Knie:

      „Pechschaber,“ sagte sie, „du wirst ein Eichtl auf der Hut sein müssen mit deinem Gewerbe, mein’ ich. Früher, wie der Steinhöfer noch dagewesen ist, da haben sie die Bergfichten angerissen und ein Harz herzugeschleppt, es ist nicht zu sagen, wie viel! Aber nun ist das daherum verboten, das Pechschaben. Es ist eine närrische Zeit.“

      Der Musikmann lachte:

      „Steinhöferin, ich wüsst’ nicht einmal, wie das zu machen wär’, wenn man mich harzklauben schicken tät!“

      „Hast aber doch den Namen?“

      „Freilich wohl, Steinhöferin! Der Name ist das einzige Erbstück von meinem Vater; und wiewohl ich mein Lebtag kein Säcklein Pech aus dem Walde trag’, meinem Buben werd’ ich diesen Namen doch auch wieder vermachen. Erst wird er der Pechschaberbub; und wenn ich einst wieder landfahren geh’, — Steinhöferin, weisst, in das himmlische Paradeis — dann ist der Pechschaberbub der Pechschaber!“

      Die Steinhöferin schaute sich die beiden Leute erstaunt an:

      „Einen Buben habt’s auch?“ fragte sie.

      Da war die Annemirl schon in die Höhe geflogen wie ein Sturmwind, zerwühlte dem Girgl die rabenschwarzen Haare und wollte ihn nun auch an dem Schnurrbart raufen.

      „Glaub’s nicht, Frau!“ lachte sie. Und: „Was erzählst denn für Dinge, Girgl? Erzählst da von deinem Buben und hast gar keinen? Rein zu Narren macht er die Leut.“

      Aber der Pechschaber hielt der Annemirl die Hände fest und zog sie auf sein Knie.

      „Sitzen bleibst!“ sagte er. „Steinhöferin, vorhin haben wir gerechnet: Einundzwanzig Jahr sind noch Zeit, bis wir der Annemirl die Silberzweiglein ins Haar stecken. Da kann noch manches vor sich gehen, mein’ ich. Freilich, in denen vier Jahren, seit wir uns haben, du lieber Gott, da war keine Zeit zum Bubenkriegen! Aber nun: es muss einer nicht nur ein gescheit’s Weib, es muss einer auch ein lustiges Pärlein haben, das daheim fein brav Musik macht, gelt?“

      Die Annemirl auf dem Knie des Pechschabers war auf einmal nachdenklich geworden. Da legte der Mann den Kopf auf die Seite, sah sie aus listigen Augen an und scherzte:

      „Schafft’s dir Kopfweh, wie du am geschwindesten Ordnung in das vielerlei Ding bringst, das wir von der Wegfahrt mit in den Wald getragen haben?“

      Aber die Frau blieb die vergnügten Augen diesmal schuldig. Sie sagte: „Wie man etwas zusammenträgt, darauf denk ich. Es muss ein Holz sein zum Kochen ...“

      „Waas?“ fragte der Pechschaber, „ein Holz zum Kochen? Da mach ich mir fei nix draus; ein gekochtes Fleisch wäre mir lieber als ein gekochtes Holz!“

      Darüber musste die Annemirl doch wieder ihr lustiges Gesicht aufstecken. Sie sprang empor und zog sich das Kopftuch hinter dem Gürtelbande heraus: „Jetzt, Girgl, einen Strick brauchen wir, und ein Holz gehen wir lesen im Wald!“

      Da musste der Pechschaber gehorchen, suchte im Schupfen nach einem Strick und fand ihrer zwei.

      Damit stiegen die vergnügten Pechschaberleute den Schlag hinan und verschwanden im Bergforst.

      5.

      Nicht lange danach trug der Pechschaber droben auf der Waldlichtung einen Arm voll dürres Astholz herzu und schleifte in der freien Hand noch ein paar mannslange Äste hinter sich drein.

      Er war still zu Berg geschritten; denn er konnte den Gedanken nicht los werden, dass das Musikantentum am Ende doch lustiger gewesen sei. Und darüber ward er nachdenklich: die Annemirl könne nun an jedem Morgen einen neuen Wunsch haben und am Nachmittag auch, und sie könne einen Haufen Arbeit für ihn erfinden; denn vom dürren Holz allein kann der Mensch doch nicht leben ...

      Wie die Frau aber nun das Reisholz knickte, und wie sie sogar die starken Äste flink über ihrem Knie zerbrach, dass sie krachten, da wurde auch der Pechschaber wieder geschäftig. Es wurde ihm wohl; denn der wehende, schattige Bergwald war um ihn.

      Eh noch die Amseln in den Wipfeln ihre Abendlieder anzustimmen begannen, hatte er zwei dicke Bündel Brennholz zusammengetragen. Weil die Annemirl sie aber so fein gleichmässig gepackt hatte, nahm er von dem einen Gebund die Hälfte weg und legte diese auf das andere: „Das grosse wird das meine,“ sagte er. Und nun gingen sie daran, das Holz mit den Stricken zu schnüren.

      Da wurde plötzlich ein harter, stampfender Schritt vernehmbar.

      Es kam ein Mann zwischen den Stämmen den Steilhang herein. Dem hing ein schweres Gebund Äste auf dem Rücken, und sein vergilbtes Spitzhütlein mit der krummen Spielhahnfeder daran hielt er in der Hand.

      „Ah,“ sagte er, „da sind ja die neuen Pechschaberleut! Grüss Gott mitsammen! Holz und Plag wächst jeden Tag.“

      „Freilich wohl,“ gab der Girgl zurück, während er auf dem knackenden Reisholz kniete, und: „Annemirl, den schau dir an, das ist ein richtiger, der Veit! Und auf ein Holz geht der Veit auch aus? Geh’ her und rast’ ein Eichtl!“

      Da löste ihm der Pechschaber auch schon den Strick, damit er seiner Last ledig werde; und alsbald lagen die Männer im Moos. Derweil hatte die Annemirl das Sackleinen abgetan, das sie sich hinten aufgebunden hatte, damit das Holz sie nicht so drücke, und sammelte Blaubeeren hinein. Währenddem redeten die Männer heimlich miteinander.

      Der Pechschaber erzählte, wie sie heute im Morgenlichte dem Grenzwächter entronnen seien. Da wälzte sich Veit in heller Lust auf dem Waldgrunde — der Veit war der verwegenste Wildschütz im Gebirg, und wenn Grenzwächtern und Waldhütern ein Leid geschah, so war’s ihm eine rechte Lust.

      „Du,“


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