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Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman). Karl MayЧитать онлайн книгу.

Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman) - Karl May


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      »Halt!« unterbrach ihn da die laute, gebieterische Stimme Bertrams. »Herr Oberst, Sie können diesem Manne nichts Anderes und nicht mehr sagen, als was er bereits von mir erfahren hat. Bin ich bereits zu ihm hernieder gestiegen, so ist es nicht nothwendig, daß auch Sie dies noch thun. Ist er kein Feigling, wofür ich ihn halte, denn sein Betragen ist dasjenige eines feigen Menschen, so genügt es, daß er von mir gezüchtigt wird. Gehen Sie sofort aus seiner Nähe!«

      Er schob den Oberst zur Seite.

      Frau von Hellenbach war zu ihrer Tochter geeilt, um dieselbe zu unterstützen. Auch Alma von Helfenstein trat hinzu. Der Fürst von Befour stand still und stumm an seinem Platze und beobachtete mit blitzenden Augen die Szene.

      »Sie haben Recht,« sagte der Oberst zu Bertram. »Ich hoffe, daß Sie mich nicht vergessen, wenn Sie eines Zeugen bei der zu erwartenden Züchtigung bedürfen.«

      Baron Franz von Helfenstein schien eine Entgegnung bereit zu haben. Sein Auge leuchtete tückisch auf, doch beherrschte er sich. Er wendete sich zu dem Fürsten:

      »Fürwahr, eine unglaubliche Situation! Nicht wahr, Durchlaucht? Ich entziehe mich derselben natürlich auf das Schleunigste und bin überzeugt, daß mein Entfernen wenigstens von Ihnen nicht der Furchtsamkeit zugesprochen wird.«

      Der Fürst verbeugte sich höflich und antwortete:

      »Ich hoffe, daß meine Beurtheilung dieses peinlichen Vorkommnisses keine irrthümliche ist. Darf ich bitten, mich Ihrer Frau Gemahlin zu empfehlen?«

      »Das wird leider nur brieflich geschehen können!«

      »Brief? Wieso?«

      »Ah? Sie wissen noch nicht? Ja, Sie sprachen bereits seit einigen Wochen nicht bei uns vor. Die Gesundheit meiner Frau war seit längerer Zeit eine angegriffene. Die Ärzte riethen eine Klimaveränderung und haben sie nach Monaco dirigirt. Doch werde ich nicht unterlassen, ihr Ihren Gruß zu übermitteln. Gute Nacht, die Herrschaften!«

      Er ging.

      »Welch ein Mensch!« sagte die Oberstin, als die Thüre sich hinter ihm geschlossen hatte. »Hat er Dich schlimm getroffen, meine liebe Fanny?«

      »Es ist gut, liebe Mama,« antwortete die Gefragte unter einem erzwungenen Lächeln. »Ich hoffe, daß dieser rohe Mann unser Haus nicht wieder betreten wird!«

      »Das würde ich mir sehr verbitten,« meinte der Oberst. »Er schien nur gekommen zu sein, unseren guten Bertram zu provociren. Mein lieber, junger Freund, Sie werden jedenfalls eines Sekundanten bedürfen. Denken Sie dabei an mich!«

      »Ich lege mein Veto ein,« sagte da der Fürst. »Ich hoffe, daß Herr Bertram dabei zunächst an mich denkt.«

      »Ein Duell!« sagte Fanny erschrocken. »Mein Gott, wie entsetzlich! Ist das nicht zu umgehen?«

      »Auf keinen Fall,« antwortete ihr Vater. »Wäre Helfenstein so feig, Herrn Bertram nicht zu fordern, so würde ich ihm meine Forderung senden. Er hat Dich geschlagen, Kind; das muß unbedingt bestraft werden.«

      »Aber, Herr Bertram ist noch krank und schwach!«

      »Bitte, sorgen Sie sich nicht um mich!« bat Robert lächelnd. »Lassen wir jetzt lieber dieses Thema fallen. Freilich ist es für mich im höchsten Grade peinlich, daß gerade ich es bin, dessen Anwesenheit die Veranlassung dieses Ereignisses geworden ist.«

      »Lassen Sie sich das nicht bedrücken, mein Lieber,« sagte der Oberst. »Ich habe Sie geladen, der Baron kam ohne Einladung. Ich versichere Ihnen, daß Sie gar nicht anders handeln konnten. Ich sage Ihnen sogar in aller Aufrichtigkeit, daß ich mit Ihnen sehr zufrieden bin. Ich hätte Ihnen ein so braves, ehren-und herzhaftes Benehmen wohl kaum zugetraut. Bisher besaßen Sie meine Theilnahme, jetzt haben Sie mir meine Hochachtung abgerungen. Aber, Sie haben Recht: Lassen wir dieses Thema fallen, es ist zu unerquicklich!«

      Man blieb noch einige Zeit beisammen. Fanny hatte die Nähe des Fensters aufgesucht. Es war ihr bange um Bertram. Er, der unerfahrene, junge Mann – und ein Duell!

      Da trat er zu ihr. Sie hatte sich von den Anderen zurückgezogen, und er glaubte, daß dies seinetwegen geschehe.

      »Gnädiges Fräulein, Sie zürnen mir?« fragte er.

      »Ich Ihnen? Welche Veranlassung könnte ich dazu haben?«

      »Verzeihen Sie mir! Ich konnte nicht gut anders handeln!«

      »Sie haben sich als Ehrenmann benommen! Aber, bitte, sagen Sie mir aufrichtig: Sind Sie in der Führung der Waffen so erfahren, daß Sie einen Gegner nicht zu fürchten brauchen?«

      Er zuckte leichthin die Achsel und antwortete:

      »Ich bin nicht bange, halte übrigens diesen Baron für einen feigen Bramarbas. In diesem Augenblicke geht mein höchster Wunsch nur dahin, daß dieses unangenehme Ereigniß mich Ihnen gegenüber nicht schädigen möge.«

      Er sagte dies in einem so aufrichtigen und dringlichen Tone, daß sie, ihm die Hand auf die Achsel legend, antwortete:

      »Was denken Sie! Schädigen! Es scheint, daß Sie gar nicht in unsere Nähe kommen dürfen, ohne Unheil davon zu tragen. Ich hoffe, daß Sie sich dadurch nicht veranlaßt sehen mögen, unser Haus zu meiden. Werden wir Sie wiedersehen?«

      »Befehlen Sie es, gnädiges Fräulein?«

      »Befehlen? Nein! Ich wünsche es.«

      Das Herz klopfte ihm fast hörbar laut. Sie wünschte, ihn wieder zu sehen! Welch eine Seligkeit für ihn!

      »Darf ich Sie bitten, wiederzukommen?« fuhr sie fort.

      »Ich werde kommen,« antwortete er mit vor innerer Bewegung ganz leiser Stimme.

      »Und zwar oft?«

      »So oft, als es geschehen kann, ohne Ihnen unangenehm zu werden.«

      »O, das wird niemals geschehen!«

      Sie hatte bis zum letzten Augenblicke ihre Hand auf seiner Achsel ruhen lassen. Beide standen eng nebeneinander. Ein fremder Beobachter hätte glauben können, daß es sich um eine sehr intime Scene handle. Da fiel Fanny's Blick durch das Fenster auf die Straße hinüber. Im ersten Stock des gegenüber liegenden Hauses waren einige Fenster hell erleuchtet. An einem derselben standen, ganz deutlich sichtbar, zwei Mädchen, welche mit scharfer Aufmerksamkeit herüber zu blicken schienen. Schnell zog Fanny die Hand von ihm zurück und trat vom Fenster weg. Er folgte ihr, ohne bemerkt zu haben, daß er von jenseits der Straße beobachtet worden war.

      Nach einiger Zeit meldete der Diener, daß die Equipage des Fürsten vorgefahren sei. Dieser wendete sich an Bertram.

      »Wir werden uns empfehlen müssen. Hoffentlich gestattet die gnädige Baronesse von Helfenstein, ihr einen Platz bei uns offeriren zu dürfen!«

      »Ich acceptire, Durchlaucht,« antwortete Alma. »Man kann sich nie lange genug in liebenswerther Gesellschaft befinden.«

      Der Oberst erklärte dem jungen Dichter, daß er sich ja als stets willkommen betrachten möge, und begleitete die Drei bis an den Wagen. Noch während des Einsteigens wiederholte er:

      »Also, Herr Bertram, vergessen Sie ja nicht, daß Sie zu jeder Zeit bei mir offenen Zutritt haben. Betrachten Sie sich ganz als in mein Haus gehörig!«

      Die Equipage setzte sich in Bewegung. Der Oberst sah drüben an der Hausthür zwei Frauengestalten stehen, dachte aber nicht, daß diese ein höchst reges Interesse an seiner Einladung nehmen könnten.

      Jetzt war es Robert Bertram mehr als weihnachtlich zu Muthe. Er hatte den Band seiner Gedichte mit dem reichen Honorar in der Tasche. Er saß mit einem Fürsten und einer Baronesse in der Equipage; es war ihm, als ob er träume.

      Ganz eigenthümlich war auch Alma von Helfenstein gestimmt. Der junge Mann hatte einen tiefen Eindruck auf sie gemacht, einen Eindruck, über den sie sich jetzt gar nicht klar zu werden vermochte. Es war ihr, als ob sie sein Gesicht schon oft, sehr oft gesehen habe und als ob er zu ihr gehöre


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