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Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman). Karl MayЧитать онлайн книгу.

Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman) - Karl May


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nach dem Gebäude zu.

      »Zwei!« meinte der Baron. »Er hat noch Einen mit. Ich hatte also Recht: Er arbeitet nicht allein und auf sein eigenes Risico. Man kann sie von hier aus sehr gut sehen.«

      »Ja. Ich habe diesen Lauscherposten so angelegt, daß man Alles beobachten kann. Sehen Sie, daß der Eine jetzt durch das Fenster steigt?«

      »Ja. Der Andere folgt.«

      »Sie werden sehr enttäuscht sein, wenn sie sich in einem Loche sehen, zu welchem es keinen anderen Aus- und Eingang als durch eben das Fenster giebt.«

      »Welch ein Glück, daß unser Posten diesen Kerl beobachtete. Wäre das nicht gewesen, so würden diese bEiden jetzt die Treppe und das Katheder finden, und eines schönen Tages würde die Polizei über uns herfallen. Sehen Sie, daß sie Licht gemacht haben?«

      »Ja. Sie suchen. Na, gratulire!«

      Nach längerer Zeit verlöschte das Licht, und die Beiden kamen wieder zurück. Hart neben dem Verstecke blieben sie stehen. Die beiden Lauscher hörten Folgendes:

      »Ich glaube es nicht. Das Loch muß weiter führen.«

      »Mir scheint es auch so. Du mußt Deinen Posten wieder einnehmen und dem Hauptmann auf dem Fuße folgen, sobald er über die Mauer kommt. Nur auf diese Weise ist es zu entdecken. Was sollte dieser Baron in dem Loche wollen, wenn es eben nur – ein leeres Loch ist! Doch, vorwärts jetzt! Hinüber!«

      Sie stiegen über die Mauer. Der Baron stieß seinen Nachbarn an und flüsterte:

      »Haben Sie es gehört?«

      »Jedes Wort.«

      »Auch das vom Hauptmanne?«

      »Ja.«

      »Und vom Baron?«

      »Ja.«

      »Donnerwetter! Wissen Sie, was das zu bedeuten hat?«

      »Hm! Fast scheint es, als wenn –«

      Er stockte verlegen.

      »Nun, weiter! Als wenn –?«

      »Als wenn dieser Mensch ahnte, daß der geheimnißvolle Hauptmann eigentlich ein Baron ist.«

      »So ist es! Es ist wirklich so! Er ist mir auf der Spur.«

      »Das wäre allerdings schlimm!«

      »Gut, daß wir es erfahren haben! Es bleibt dabei: Morgen wird hier ausgeräumt, und in der Residenz halten wir für einige Monate Ferien.«

      »Hm! Schade um das herrliche Geschäft!«

      »Was wir hier verlieren, werden wir mit der Schmuggelei einbringen. Ich werde diese Letztere ganz anders einrichten. Es muß mehr Schwung hinein kommen. Glauben Sie, daß man sich auf Ihren Bruder auch verlassen kann?«

      »Auf ihn und seinen Sohn? Vollständig! Ich übernehme für Beide die vollste Garantie!«

      »Gut! So wird sich Etwas machen lassen. Uebrigens, wenn wir hier nichts thun, so haben wir Zeit, nach diesem Fürsten des Elendes zu forschen. Es müßte denn geradezu mit dem Teufel zugehen, wenn wir nicht erführen, wer er ist.«

      »Und dann?«

      »Und dann? Nun, dann soll er uns Alles bezahlen, Alles, was er an uns verschuldet hat! Jetzt sind die Beiden fort, und ich denke, daß wir nun auch gehen können!« –

      Als Robert Bertram heute das Krankenhaus verlassen hatte, war nur sehr kurze Zeit vergangen, so stellte sich Judith Levi dort ein. Sie war fast täglich gekommen, hatte aber den Erfolg nicht erreicht, den sie beabsichtigte. Heute traf sie zufälligerweise auf die Wärterin, welche Bertram gepflegt hatte. Von ihr erfuhr sie, daß er nicht mehr da sei. Sie freute sich, daß er genesen war, erschrak aber auch zugleich darüber. Dann fragte sie rasch:

      »Wissen Sie vielleicht, wo er wohnt?«

      »Nein, mein Fräulein.«

      »Vielleicht könnte man es erfahren.«

      »Jedenfalls. Man müßte sich an Seine Durchlaucht, den Fürsten von Befour wenden.«

      »Warum an diesen?«

      »Der Fürst ist es, der ihn abgeholt hat, noch dazu in seiner eigenen Equipage.«

      »So hat er ihn mit sich genommen«

      »Zunächst nicht. Ich erfuhr durch den Diener, daß der Fürst Herrn Bertram zu dem Obersten von Hellenbach bringen wollte.«

      »Hellenbach?« Judith erbleichte. »Wissen Sie das genau?«

      »Ja. Es wird heute Abend dort Bescheerung sein.«

      »Ich danke! Gute Nacht!«

      Sie eilte davon. Sie hatte am Begräbnißtage Fanny von Hellenbach gesehen; sie wußte, welch ein schönes Mädchen diese war. Die Eifersucht flammte in ihr auf. Sie ging nicht, sondern sie rannte förmlich nach Hause. Dort trat sie, roth und erhitzt vom schnellen Gehen, vor ihre Eltern.

      »Er ist fort!« rief sie erregt.

      »Fort? Wer?« fragte der alte Jude.

      »Wer? Wer denn anders als Bertram!«

      »Bertram der Dichter? Er ist nicht mehr im Hause der Kranken?«

      »Nein. Er ist beim Obersten von Hellenbach.«

      »Bei diesem, wegen dem er ist genommen geworden in Gefangenschaft? Dieser Oberst wird ihn haben kommen lassen, um ihm zu geben Schadenersatz für seine Verluste.«

      »Ja, das wird er thun. Und ich weiß, was er ihm wird geben für einen Ersatz.«

      »Er wird ihm geben einige hundert Gulden und zum Andenken einen Ring, zu stecken an seinen Finger.«

      »Das Eine ist falsch und das Andere richtig. Er wird ihm geben seine Tochter und einen Ring, zu stecken denselben als Zeichen der Verlobung an den Finger.«

      Der Jude machte ein erschrockenes Gesicht.

      »Seine Tochter?« fragte er.

      »Ja.«

      »Wer hat das gesagt, daß mein Eidam soll heirathen die Tochter dieses Obersten von Hellenbach?«

      »Ich weiß es! Diese Tochter liebt ihn.«

      »Sie liebt den Dichter? Hast Du ihn nicht geliebt viel eher? Hast Du ihn nicht gespeist und getränkt und ihm geborgt viel Geld? Hast Du nicht ein viel größeres Recht an ihn als sie?«

      »Das habe ich! Jetzt ist er bei ihr. Jetzt wird brennen der Weihnachtsbaum im Salon, und der Dichter wird erhalten das Fräulein als Christgeschenk!«

      »Gott Abrahams! Wird er Sie nehmen?«

      »Weiß ich es? Ah, könnte ich es erfahren? Könnte ich dabei sein! Könnte ich sehen, was sie thun, und hören, was sie sprechen!«

      Da schnippste der Alte mit den Fingern und rief:

      »Das kannst Du; das kannst Du ganz gut, Judith, mein Tochterleben!«

      »Alles hören?«

      »Nein; aber Alles sehen kannst Du.«

      »Wenn das möglich wäre! Aber wie sollte es möglich sein!«

      »Was bist Du dumm, und hast doch einen so klugen Vater! Hast Du nicht eine Freundin, welche heißt Sarah Rubinenthal?«

      »Die habe ich. Aber was soll die?«

      »Ist nicht der Vater dieser Freundin ein Mann, welcher verkauft und verleiht Möbels und Meublements?«

      »Ja, ja! Weiter!«

      »Wohnt dieser Rubinenthal nicht gerade gegenüber von dem Hause, in welchem wohnt der Oberst von Hellenbach?«

      »Herr Zebaoth! Daran habe ich nicht gedacht!«

      »Du wirst gehen, um zu besuchen Deine Freundin Sarah Rubinenthal –«


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