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Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman). Karl MayЧитать онлайн книгу.

Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman) - Karl May


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zu können. Er bemerkte Niemand, schien aber selbst bemerkt worden zu sein, denn es wurde ein Fenster geöffnet, und er hörte hinter sich seinen Namen rufen. Sich umdrehend, erkannte er den Obersten, welcher ihm winkte, hinaufzukommen.

      Die erste Frage des alten Soldaten war:

      »Haben Sie eine Forderung erhalten?«

      »Nein.«

      »Feigling, der! Man wird ihm zeigen, was man von ihm zu denken hat!«

      Eine halbe Stunde später erhielt der Baron Franz von Helfenstein folgende Zeilen:

      »Wenn Sie bis morgen Mittag zwölf Uhr Herrn Bertram nicht gefordert haben, veröffentliche ich Ihr Verhalten in den Blättern und haue Sie außerdem bei erster Gelegenheit mit dem Stocke durch!

      v. Hellenbach, Oberst.«

      Am nächsten Vormittag bat ein Herr, dessen Karte hinter dem Namen die Bezeichnung Lieutenant trug, den Fürsten von Befour sprechen zu dürfen. Er wurde vorgelassen.

      »Verzeihung, Durchlaucht, daß ich wegen einer Bagatelle es wage, Sie zu incommodiren!« sagte er. »Ich habe mit einem Herrn Bertram zu sprechen, und es wurde mir gesagt, daß ich die Adresse desselben nur bei Eurer Hoheit erfahren könne.«

      Der Fürst musterte den Mann mit kaltem Blicke und fragte:

      »Sind Sie vielleicht Abgesandter des Barons von Helfenstein?«

      »Allerdings.«

      »So befinden Sie sich am richtigen Orte. Herr Bertram hat die Freundlichkeit gehabt, mich mit seiner Vollmacht zu beehren.«

      Der Lieutenant in Civil horchte ganz erstaunt auf.

      »Wie?« fragte er. »Euer Durchlaucht sind Secundant dieses, dieses – hm, dieses bürgerlichen Mannes?«

      »Ja. Finden Sie darin etwas so Wunderbares?«

      »Wenigstens etwas Ungewöhnliches!«

      »Die Vollmacht eines Bürgerlichen, der sich wie ein Adeliger benimmt, ehrt jedenfalls mehr als das Mandat eines Adeligen, dessen Betragen ein gemeines ist!«

      »Ah! Soll sich das vielleicht auf meinen Auftraggeber beziehen, Hoheit?«

      »Schweifen wir nicht ab! Was haben Sie mir zu sagen?«

      »Der Herr Baron fordert Herrn Bertram, ohne zu untersuchen, ob derselbe auch satisfactionsfähig ist.«

      »Schön!« lächelte der Fürst. »Herr Bertram hat die Güte, die Forderung zu aceptiren, ohne seinerseits die Ehrenhaftigkeit des Barones einer Untersuchung zu unterwerfen. Nehmen Sie Platz, und lassen Sie uns das Nähere bestimmen!«

      Als nach einiger Zeit der Lieutenant zu dem Baron zurückkehrte, zeigte er sich bei höchst schlechter Laune. Er warf den Hut von sich und fragte:

      »Sagen Sie, Baron, haben Sie mir das Ereigniß wirklich der Wahrheit nach erzählt?«

      »Natürlich!«

      »Dann kann ich das Benehmen dieses Fürsten von Befour wahrlich nicht begreifen! Fast hätte ich Lust, ihn nun meinerseits zu fordern!«

      »Ich habe Sie ja bereits auf diese Arroganz vorbereitet. Welche Vereinbarungen haben Sie getroffen?«

      »Pistolen, zwanzig Schritt Distance.«

      »Verdammt nahe!« meinte der Baron.

      Der Offizier blickte überrascht auf und fragte:

      »Fürchten Sie sich etwa, Baron?«

      Franz von Helfenstein fühlte sich getroffen. Er antwortete daher schnell:

      »Sie haben mich vollständig falsch verstanden. Wenn ich die angegebene Distance sehr nahe nannte, so that ich es vor Freude, weil mir dadurch Sicherheit wird, daß mein Gegner nicht, ohne Blut zu lassen, vom Platze kommen wird! Wann wird das Rencontre stattfinden?«

      »Morgen früh acht Uhr im Birkenthale. – Arzt, Waffen und den Unpartheiischen wird der Fürst besorgen.«

      »So ist der Fürst Sekundant des Gegners?«

      »Zu meiner Verwunderung, ja.«

      »Er ist also mehr als ein Sonderling, wofür ich ihn bisher gehalten habe. Nur ein Dummkopf kann einem Schreiber sekundiren! Darf ich hoffen, daß Sie sieben Uhr bei mir sein werden?«

      »Gewiß. Haben Sie für den Fall, welchen ich allerdings nicht erwarte, mir irgend eine Anweisung zu geben?«

      »Nein. Ich kann Sie nicht noch mehr belästigen, als es bereits jetzt geschieht, und werde meine Maßnahmen anderweit treffen.«

      Der Offizier entfernte sich und ließ den Baron nicht in der besten Stimmung zurück. Er war keineswegs als Held angelegt, obgleich er der Dirigent einer zahlreichen Diebesbande war. Sich dem Laufe einer geladenen Pistole gegenüber zu stellen, das war ganz und gar nicht nach seinem Geschmacke. Er sah ein, daß die Beleidigung des Jünglings eine Unüberlegtheit von ihm gewesen sei. Er hätte Bertram ganz ignoriren sollen. Ein Schreiber durfte für ihn, den Baron, gar nicht anwesend sein. Und indem er sich das sagte, wurde er auf sich selbst zornig.

      So traf ihn Herr August Seidelmann, welcher kam, um sich in Betreff des geheimen Auszuges, der für heute Abend beschlossen war, zu verabreden. Diesem theilte er mit, daß er für morgen einen Zweikampf zu erwarten habe, und nannte ihm auch die Personen, um welche es sich handelte.

      »Aber, gnädiger Herr Baron,« sagte der Schuster, »ich muß Ihnen sagen, daß ich ganz starr vor Verwunderung bin!«

      »Schweigen Sie! Was Sie mir sagen wollen, habe ich mir bereits selbst gesagt. Dieser verdammte Oberst zwingt mich zu diesem Duelle!«

      »Wenn die Kugel trifft, nämlich wenn Sie getroffen werden, was wird dann aus unserem Unternehmen?«

      »Hm, nicht jede Kugel trifft. Sie kennen die Bertram'sche Familie. Wissen Sie vielleicht, ob dieser Knabe schießen kann?«

      »Ich glaube kaum. Er war zwar Gymnasiast, hat sich aber von allem Allotria fern gehalten.«

      »Nun, so darf ich annehmen, daß er mich nicht treffen, sondern nur ein Loch in die Luft schießen kann. Da man aber auf alle Fälle gefaßt sein muß, so werde ich heute mein Testament aufsetzen und außerdem für Sie eine Schrift verfassen, welche ich Ihnen noch heute Abend gebe. Sie wird versiegelt sein und Alles enthalten, was Sie im Falle, daß ich getödtet werde, zu thun haben. Sie öffnen sie natürlich erst dann, wenn Sie ganz sicher sind, daß ich todt bin.« –

      Am anderen Morgen fuhr ein Schlitten aus der Residenz, in welchem der Fürst, Bertram, ein Arzt und noch ein Herr, der Unpartheiische, saßen. Diese vier Personen stiegen aus, als sie das wohl eine halbe Stunde von der Stadt gelegene Birkenthal erreichten. Dort stand bereits ein anderer, leerer Schlitten.

      »Ah!« sagte der Fürst. »Der Baron hat sich zeitig eingefunden. Er will zeigen, daß er tapfer ist. Kommen Sie, meine Herren.«

      Bertram war weder bleich, noch zeigte sich sonst Etwas an ihm, welches hätte schließen lassen, daß er Furcht oder etwas Ähnliches fühle. Er nahm ein kleines Packetchen aus der Tasche, reichte es dem Fürsten und sagte:

      »Durchlaucht, sollte mir etwas Menschliches passiren, so bitte ich, dieses Päckchen zu öffnen. Es enthält nebst meinen letzten Wünschen einen Gegenstand, mit dessen Hilfe ich meine mir jetzt noch unbekannte Abstammung zu ergründen hoffte.«

      Sie gingen den Fußspuren nach, welche im Schnee zu sehen waren. Die beiden Kutscher, welche zurückblieben, wußten nun, um was es sich handle. Sie sprachen nicht mit einander, da ihre Herren sich ja als Feinde gegenüberstanden; aber sie lauschten.

      Nach vielleicht zehn Minuten fielen zwei Schüsse, und dann nach einem kleinen Weilchen noch zwei. Dann kamen drei Personen zurück – Bertram, der Unpartheiische und der Fürst. Dieser Letztere wendete sich an den Kutscher des Barons:

      »Fahren Sie unseren Spuren nach. Sie werden gebraucht. Ihr Herr ist verwundet worden!«

      Die


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