Elfenzeit 7: Sinenomen. Susanne PicardЧитать онлайн книгу.
er uns sieht …«
Sie musste den Satz nicht beenden.
Anne schwieg, legte nur die Hand auf den Dolch in ihrem Gürtel.
»Für Ehre, Ruhm und den Schmied!«, brüllte Artair irgendwo im Gang. Elfen schlugen mit Schwertern gegen ihre Schilde. Das Tor schwang knarrend auf.
Es gab keine Formation, keine Disziplin, nur einen wilden Haufen Reiter, die ihren Pferden die Sporen gaben und aus der Stadt galoppierten. Robert musste nichts tun. Sein Pferd schloss sich den anderen an. Er schätzte, dass rund zweihundert Reiter, Ritter und Bogenschützen, der Kolonne entgegen stürmten. Über ihm klarte der Himmel auf. Sonne stach in sein Gesicht und brach sich in den Rüstungen der Ritter. Sie erstrahlten in einem nahezu überirdischen Licht, das selbst die aufwallenden Staubwolken durchdrang.
Die Grawnya ignorierten sie, setzten ihre Angriffe auf die Bogenschützen fort. Schildträger rückten dichter um die Kolonne zusammen, die Flammenritter fächerten auseinander. Robert sah sie nach Armbrüsten greifen, die von ihren Sätteln hingen.
Er zog an den Zügeln, zwang sein Pferd langsamer zu werden. Nadja und Anne ließen sich ebenfalls zurückfallen.
»Was macht ihr denn hier?« Brigdhes schwarzes Katzengesicht starrte ihn an. Er hatte nicht bemerkt, dass sie neben ihm ritt.
»Wir sollten mitkommen.«
»Ihr?« Es war offensichtlich, dass sie ihm nicht glaubte. Trotzdem nickte er.
Brigdhe zögerte, dann zeigte sie auf die Kolonne. »Also gut, dann kämpft.« Sie wandte sich ab. »Und vergesst nicht«, sagte sie, während sie nach einem Pfeil griff. »Unsere Bogenschützen töten Feiglinge ebenso gern wie den Feind.«
Instinktiv warf Robert einen Blick zurück zu den Mauern. Der Angriff der Grawnya hatte nachgelassen. Ein Teil der Schützen konzentrierte sich auf die Kolonne und auf die Reiter vor ihr.
»Das war kein Witz«, sagte Anne. »Wir sind in Reichweite ihrer Pfeile.«
»Ich weiß.« Er trieb sein Pferd an. »Und was machen wir jetzt?«
»Dafür sorgen, dass wir außer Reichweite der Pfeile kommen«, antwortete Nadja. Sie hatte Recht. Eine Flucht nach vorn, eine andere Möglichkeit gab es nicht.
Vor ihnen richteten sich Bogenschützen in ihren Sätteln auf. Pfeile regneten auf die Schildträger und die Reihen der Flammenritter nieder. Die meisten blieben in den Schilden stecken. Nur wenige fanden ihr Ziel.
Während die Bogenschützen nach frischen Pfeilen griffen, legten die Reiter rechts und links der Kolonne ihre Armbrüste an. Sie sahen aus wie ein Erschießungskommando.
Robert seufzte und zog sein Schwert. »Ich kann diese Welt echt nicht leiden«, sagte er.
Es war ein Inferno aus Staub, Hitze, Blut und Schmerz. Pferde wieherten, Elfen schrien und fluchten, Sand verdunkelte den Himmel, tauchte alles in einen seltsam gelben Nebel. Die erste Salve der Flammenritter hatte fast zwanzig Elfen aus dem Sattel geholt, aber man brauchte Zeit, um eine Armbrust zu spannen, und als die Ritter bereit waren, hatten die Angreifer sie bereits erreicht.
Klingen wurden gekreuzt, trafen Metall, Leder und Fleisch. Robert hielt sein Schwert in einer Hand, versuchte mit der anderen vergeblich, sein Pferd unter Kontrolle zu halten. Das Tier, eingeschlossen in eine Welt aus Staub und Lärm, war der Panik nahe. Robert konnte es verstehen.
Immer wieder sah er sich um. Nadja und Anne befanden sich rechts von ihm, hinter einem umgestürzten Karren. Ebenso wie er versuchten sie den Kämpfen auszuweichen und im Hintergrund zu bleiben, doch da sie nicht mehr wussten, wo der Hintergrund war, fiel das nicht leicht. Und als auf einmal das Gerüst des Rammbocks vor ihnen auftauchte, erkannte Robert, dass es ihnen nicht gelungen war. Sie befanden sich nicht am äußeren Rand der Schlacht, sondern in ihrem Zentrum.
Scheiße, dachte er und wischte sich den Staub aus dem Gesicht. Eine Schicht aus Sand und Schweiß bedeckte ihn. Die Farbe seiner Kleidung war nicht mehr zu erkennen. Um ihn herum drängten sich Pferdeleiber aneinander. Hufe wirbelten Sand auf. Robert stellte sich im Sattel auf, suchte nach Nadja und Anne, aber er sah nur den umgeworfenen Karren und einige Bogenschützen, die sich dahinter verschanzten. Die beiden Frauen waren verschwunden.
»Anne?«, rief er über den Lärm hinweg. Er konnte nur wenige Schritte weit sehen. »Nadja?«
Ein Schildträger stand plötzlich vor ihm, das Schwert in der Hand. Roberts Pferd stieg erschrocken, trat ihm den Schild aus der Hand und stampfte ihn zu Boden. Robert versuchte sich im Sattel zu halten, doch seine Stiefel glitten aus den Steigbügeln, sein Schwert bohrte sich in den Sand, und seine Hände rutschten vom Sattelknauf ab.
Er ging zu Boden. Sein Pferd galoppierte nach allen Seiten austretend davon. Nach nur wenigen Schritten war es im Staub verschwunden.
Robert kam auf die Beine. Überall klirrte und schepperte es. Er sah zwei Ritter ineinander verschlungen wie ein Liebespaar. Sie würgten sich. Er konnte nicht erkennen, wer zu welcher Seite gehörte.
Der Wagen mit dem Rammbock ragte vor ihm hoch, war keine zwei Meter entfernt. Robert drehte sich um die eigene Achse. »Anne! Nadja!«
Hufe schlugen neben ihm auf. Er sprang zur Seite, entging nur knapp einem Speer, der nach ihm gestoßen wurde. Robert griff nach dem Schild, der neben ihm am Boden lag, und hielt ihn schützend hoch. Der Ritter holte erneut aus. Die Speerspitze bohrte sich in das Holz, blieb darin stecken. Robert zog, hebelte seinen Angreifer aus dem Sattel. Er hörte einen Schrei, sah einen weißen Waffenrock vor sich. Metall schepperte, als der Mann zu Boden ging. Die schwere Rüstung drückte ihn in den Sand.
Robert holte mit dem Schild aus. Der Mann trat ihm die Beine unter dem Körper weg und kam mit einer übermenschlich wirkenden Kraft hoch. Metall schliff über Metall, als er einen gekrümmten Dolch zog und sich Robert entgegenwarf. Der rollte sich zur Seite. Die Klinge bohrte sich neben seinem Kopf in den Sand. Mit einer Hand griff er nach dem Arm des Mannes, mit der anderen nach seinem Gürtel.
»Du?«, stieß eine Stimme rau hervor.
Robert sah auf. Artair starrte ihn an. Sein Gesicht war voller Blut, ein wilder, fast wahnsinniger Ausdruck lag in seinen Augen.
Robert ließ sich von ihm auf die Füße ziehen. Der Statthalter drückte ihm den Schild in die Hand und ein Schwert. »Komm.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, ging er auf den Rammbock zu. Robert zögerte, spielte einen Moment mit dem Gedanken, sich einfach umzudrehen und zu verschwinden. Aber er konnte es nicht. Die Erinnerung an den Soldaten, der mit leerem Blick in Annes Armen hing und das Knacken, mit dem das Genick des anderen brach, hielten ihn zurück.
Er hat Recht, dachte er. Wir schulden ihm etwas.
Artair trat einen Ritter, der ihm mit erhobenem Schwert entgegen stürmte, gegen die Brust und ging weiter. Robert folgte ihm. Ein Schlag seines Schildes raubte dem Mann das Bewusstsein. Für ihn war nicht zu erkennen, zu welcher Seite der Ritter gehörte. Der Schmutz verbarg sein Wappen.
Die Schlacht ging mit unverminderter Heftigkeit um Robert herum weiter. Die meisten Ritter waren von ihren Reittieren gesprungen, kämpften breitbeinig im Sand stehend gegen ihre Gegner. Cosgrachs und Pferde galoppierten zwischen ihnen hindurch, rissen ebenso viele Kämpfer in den Tod wie Schwertstreiche und Speerspitzen.
Artair bewegte sich durch das Chaos, als ginge es ihn nichts an. Er hatte den Dolch eingesteckt und hielt die Arme leicht ausgebreitet. Funken tanzten über seine Fingerspitzen. Das Gerüst des Rammbocks ragte vor ihm auf. Zwei Armbrustschützen flankierten es. Ab und zu legten sie an und schossen Bolzen in die Menge. Robert fragte sich, wie sie Feinde von Freunden unterschieden. Wenn sie sich diese Mühe überhaupt machten.
Vor dem Rammbock blieb Artair stehen. Aus den Funken an seinen Fingerspitzen waren kleine Flammen geworden. Die Armbrustschützen bemerkten ihn nicht. Ihre Aufmerksamkeit richtete sich auf einige Ritter, die versuchten, die Linie der Schildträger zu durchbrechen.
Artair legte seine Hände auf einen der Balken, der die Konstruktion trug. Sein