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Elfenzeit 7: Sinenomen. Susanne PicardЧитать онлайн книгу.

Elfenzeit 7: Sinenomen - Susanne Picard


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nach Kaffee. Kalkreste bildeten einen weißen Ring am Rand der Tasse.

      Das Mädchen lächelte. »Ein Ort unter der Stadt, wo es die hinzieht, die oben nicht mehr klarkommen.«

      »Unter welcher Stadt?«

      »Berlin«, sagte Robert. »Anne und ich sprachen gerade darüber.«

      »Also nicht mehr auf Island.« Nadja stellte die Tasse neben sich auf den Betonboden. Das Portal hätte sie überallhin führen können, aber sie waren in einer Stadt angekommen, die keine sechshundert Kilometer von ihrem Zuhause entfernt war. »Wir haben Glück gehabt.«

      Emma sah von ihr zu Robert und wieder zurück. »Ich weiß ja nicht, worauf ihr gerade seid, aber ihr solltet weniger davon nehmen. Ganz ehrlich.« Sie klang nicht unfreundlich. »Schon allein wegen …«

      »Emma?«, unterbrach sie eine dunkle Männerstimme hinter der Tür. »Würdest du uns deine Freunde vorstellen?«

      »Ja, Moment.« Das Mädchen verdrehte die Augen. »Das ist Krone. Er will euch kennenlernen.«

      Anne ging auf die Tür zu und sah durch den Spalt. Ihre Schritte waren geschmeidig, jede Bewegung kontrolliert. Neben ihr wirkte Emma trotz ihrer schweren Lederjacke und den Springerstiefeln klein und verletzlich.

      Wie Beute, dachte Nadja mit einem Schaudern.

      »Ist das euer Anführer?«, fragte Anne.

      »Ja … nein.« Emma seufzte. »Er war als Erster hier, hat das alles gefunden. Deshalb hält er sich für den Chef. Tobias hat ihm mal gesagt, das interessiere ihn nicht, Krone sei kein Chef. Darauf ist Krone mit dem Kopf gegen die Wand vom Klo gelaufen, bis er kotzen musste. Seitdem tun wir alle so, als sei er Chef. Tut keinem weh.« Sie grinste. »Vor allem nicht Krone.«

      »Emma?« Krones Stimme klang ungeduldig.

      »Kommt.« Emma zog die Tür auf. Der Raum dahinter lag im Halbdunkel. Ein kleines Lagerfeuer tauchte die gekachelten Wände in ein orangefarbenes Licht. Nadja sah Gestalten, die um das Feuer saßen und die Köpfe hoben, als Emma die Tür öffnete. Es waren mindestens dreißig, vielleicht mehr. Hunde liefen zwischen ihnen umher, Flaschen klirrten. Aus einem Handy schallte blecherner deutscher Rap.

      »Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist«, sagte Robert mit einem Blick nach draußen. »Kannst du die alle beeinflussen?«

      Anne ging an ihm vorbei, dem Lagerfeuer entgegen. Mit einer Hand strich sie über seine Wange. »Wovor hast du Angst?«

      Es war keine Frage, sondern eine Provokation. Robert antwortete darauf, indem er das Gesicht verzog. Nadja überlegte bei sich, was der Austausch zu bedeuten hatte.

      »Kennst du den Weg nach draußen?«, fragte sie Robert, als sie ihm, Talamh in den Armen haltend, folgte.

      Er schüttelte den Kopf, zögerte und drehte sich zu ihr um. »Ich muss dir was sagen«, begann er, doch im gleichen Moment wurde eine Kuhglocke geschlagen. Er unterbrach sich. Die Menschen rund um das Feuer unterhielten sich ungerührt weiter, aber einige beobachteten Nadja und die anderen Neuankömmlinge verstohlen.

      Schlurfende Schritte auf Beton, dann trat ein Mann ins Licht des Feuers. Er war nicht mehr jung, das sah Nadja an den von breiten grauen Strähnen durchzogenen Dreadlocks, die er zu einem Zopf hinter dem Kopf zusammengebunden hatte, und an dem ebenso grau durchzogenen Vollbart. Er trug einen schweren Norweger-Pullover und darüber einen alten, ehemals weißen Bademantel. Seine Hose bestand aus Cord und steckte in grünen Anglerstiefeln. In einer Hand hielt er eine Stange, von deren Spitze eine Kuhglocke hing.

      »Ich bin Krone«, sagte er.

      »Das sind Nadja, Anne und Robert.« Emma zeigte nacheinander auf die drei. »Das Kind heißt keine Ahnung, Tim, Tom …«

      »Talamh«, sagte Nadja. Krone sah sie an. Seine Stirn war vernarbt, in seinen Augen wechselten sich Trauer und Verwirrung ab.

      »Was heißt das?«, fragte er.

      »Erde.«

      Er nickte. Die Kuhglocke schien auf jede seiner Bewegungen mit einem Läuten zu antworten.

      »Dann ist er am rechten Ort. Und ihr auch.« Krone drehte sich um und schlurfte aus dem Licht des Feuers. Rauch, der durch Tunnel in den Wänden abzog, vermischte sich mit dem Grau seines Bademantels, bis Mann und Rauch ineinanderzufließen schienen.

      »Das war’s«, sagte Emma. »Prüfung bestanden. Kommt ans Feuer.«

      Erst als Nadja die Wärme der Flammen spürte, bemerkte sie, wie kalt es an diesem Ort war. Alle Menschen, die sie sah, trugen Pullover oder Jacken, einige hatten sich in Decken eingehüllt.

      Sie sah sich um. Schilder hingen zwischen aufgeplatzten Kacheln. Die Zahlen- und Buchstabenkombinationen darauf sagten Nadja nichts. Tunnel und Türen führten in weitere Bereiche. Schlafsaal Eins stand auf einer Tür, Bereitschaft auf einer anderen.

      »Das ist ein Bunker, oder?«, fragte Nadja, als zwei Jugendliche Platz machten, um die Neuankömmlinge ans Feuer zu lassen. Der Boden war mit alten aufgerissenen Kartons bedeckt. Nadja setzte sich auf einen, Robert auf einen anderen. Anne zögerte sichtlich, bevor sie sich zwischen Emma und Nadja niederließ, auf den letzten freien Platz.

      »Ja, eines der letzten großen Berliner Geheimnisse, sagt Krone. Und der Ort, an den die kommen, denen oben alles zu viel wird.« Emma nahm eine Flasche Bier an, die ihr jemand reichte und trank einen Schluck. »Über uns ist Ostberlin. Krone hat den Bunker entdeckt, als er kurz vor der Wende versuchte, in den Westen abzuhauen. Die Räume hier stammen aus dem Zweiten Weltkrieg, aber es gibt Verbindungen zu anderen Gangsystemen, die viel älter sind, zu U-Bahnstationen und Gleisen, die nie ans Netz angeschlossen wurden und zu noch seltsamerem Zeug. Krone denkt, tief unten gäbe es eine ganze Stadt, irgendwas Irres aus der Steinzeit oder so, aber danach gesucht hat er nie.«

      »Warum nicht?« Nadja sah am Feuer vorbei in einen der dunklen Gänge hinein. Die Schwärze waberte, schien sie zu locken.

      »Wegen der Anderen«, sagte der Jugendliche, der neben Emma saß. Er war vielleicht vierzehn Jahre alt, pummlig und kahlgeschoren.

      »Hör auf mit dem Schwachsinn, Mike«, widersprach sein Nachbar, der ihm ähnlich wie ein Bruder sah. »Es gibt keine Anderen

      »Klar gibt’s die. Frag mal Krone.«

      »Glaubst du jeden Scheiß, den der erzählt?«

      Mike schüttelte den Kopf und seufzte. Er schien die gleiche Diskussion schon einige Male geführt zu haben.

      »Was sind das für andere?«, fragte Anne. Sie sprach nicht laut, aber alle wandten sich ihr zu, als sie ihre Stimme hörten.

      »Hirngespinste«, antwortete Emma, bevor Mike etwas sagen konnte. »Krones Entschuldigung dafür, dass er nie den Mut hatte, seine Stadt zu suchen.«

      »Das stimmt nicht.« Mike beugte sich vor. »Ich hab sie auch gesehen, und ich war nicht bekifft.«

      »Ausnahmsweise«, sagte jemand auf der anderen Seite des Feuers. Alle lachten, sogar Mike.

      »Sie leben tief in den Tunneln«, fuhr er fort, »und kommen nie nach oben. Nie. Ich bin ihnen begegnet, als ich mich mal verlaufen habe. Ich war tief unten, da war überall Schutt. Ich konnte die U-Acht über mir hören und dachte, wenn ich der Linie folge, komme ich schon irgendwann wieder nach oben. Und auf einmal standen sie da. Hab mich voll erschrocken und fast die Taschenlampe fallen lassen. Sie haben nichts gesagt. Die sahen krass aus, so wie die Typen in dem Horrorfilm, wo der Würfel am Anfang den einen Typen durchhaut.«

      »Cube«, sagte eine junge Frau.

      »Hellraiser«, widersprach Robert.

      Mike nickte. »Ja, genau, Hellraiser. War ein heftiger Film.«

      »Was geschah dann?« Nadja spürte, wie die Journalistin in ihr erwachte.

      »Nichts. Ich hab mich umgedreht und bin abgehauen. Irgendwann ging’s wieder nach oben und


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