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Reise zum Mittelpunkt der Erde. Jules VerneЧитать онлайн книгу.

Reise zum Mittelpunkt der Erde - Jules Verne


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Hän­den – was ein hef­ti­ges Tem­pe­ra­ment be­zeich­net – ein­her­ging, so kennt man ihn hin­läng­lich, um auf sei­ne Ge­sell­schaft nicht sehr er­picht zu sein.

      Er wohn­te auf der Kö­nigs­tra­ße in ei­nem ei­ge­nen klei­nen Hau­se, das halb aus Holz, halb aus Zie­gel­stein ge­baut war, mit aus­ge­zack­tem Gie­bel; es lag an ei­nem der Kanä­le, wel­che in Schlan­gen­win­dun­gen durch das äl­tes­te Quar­tier Ham­burgs zie­hen, das von dem großen Brand im Jah­re 1842 glück­lich ver­schont wur­de; sein Dach saß ihm so schief, als ei­nem Stu­den­ten des Tu­gend­bun­des die Müt­ze auf dem Ohr; das Senk­blei durf­te man an sei­ne Sei­ten nicht an­le­gen; aber im gan­zen hielt es sich fest, dank ei­ner kräf­ti­gen, in die Vor­der­sei­te ein­ge­füg­ten Ulme, die im Früh­ling ihre blü­hen­den Zwei­ge durch die Fens­ter­schei­ben trieb.

      Das kleine Haus in der Königsstraße. Das kleine Haus in der Königsstraße.

      Ich ge­ste­he, dass ich an den geo­lo­gi­schen Wis­sen­schaf­ten Lust hat­te; es floss mi­ne­ra­lo­gi­sches Blut in mei­nen Adern, und ich lang­weil­te mich nie in Ge­sell­schaft mei­ner kost­ba­ren Stei­ne.

      Üb­ri­gens konn­te man doch in die­sem klei­nen Hau­se der Kö­nigs­tra­ße glück­lich le­ben trotz der un­ge­dul­di­gen Wei­se sei­nes Ei­gen­tü­mers, denn ob­wohl er sich et­was bru­tal be­nahm, lieb­te er mich doch. Aber der Mann ver­stand nicht zu war­ten, und eil­te so­gar der Na­tur vor­an.

      Bei ei­nem sol­chen Ori­gi­nal war nichts an­ders mög­lich, als ge­hor­chen. Ich stürz­te da­her has­tig in sein Ar­beits­zim­mer.

      1 im Ori­gi­nal Graü­ben <<<

      2 far­big oder weiß gla­sier­te, be­mal­te Ton­wa­re <<<

      Die­ses Ka­bi­nett war ein wahr­haf­tes Mu­se­um. Alle Mus­ter­stücke aus dem Mi­ne­ral­reich fan­den sich da mit Eti­ket­ten ver­se­hen in voll­stän­digs­ter Ord­nung ge­reiht, nach den drei großen Ab­tei­lun­gen der brenn­ba­ren, me­tal­li­schen und stein­ar­ti­gen Mi­ne­ra­li­en.

      Wie war ich mit die­sem Spiel­zeug der mi­ne­ra­lo­gi­schen Wis­sen­schaft ver­traut! Wie oft hat­te ich, an­statt mit mei­nen Ka­me­ra­den mei­ne Zeit zu ver­tän­deln, mei­ne Freu­de dar­an, die­se Gra­phi­ten, An­thra­ci­den, Ligni­ten, die Stein­koh­len und Tor­fe ab­zu­stäu­ben! Und die Har­ze, Erd­har­ze, or­ga­ni­schen Sal­ze, die vor den ge­rings­ten Stäub­chen zu schüt­zen wa­ren! Und die­se Me­tal­le, vom Ei­sen bis zum Gold, de­ren re­la­ti­ver Wert vor der ab­so­lu­ten Gleich­heit der wis­sen­schaft­li­chen Gat­tun­gen ver­schwand! Und alle die Stei­ne, wo­mit man das Haus an der Kö­nigs­tra­ße hät­te neu auf­bau­en kön­nen, und noch ein hüb­sches Zim­mer dazu, worin ich mich recht hübsch ein­ge­rich­tet hät­te!

      Aber als ich in das Ar­beits­zim­mer trat, dach­te ich nicht an die­se Wun­der; mein ein­zi­ger Ge­dan­ke war mein On­kel. Er war in sei­nem großen, mit Ut­rech­ter Samt be­schla­ge­nen Lehn­stuhl ver­gra­ben und hielt ein Buch in den Hän­den, das er mit tiefs­ter Be­wun­de­rung an­schau­te.

      »Welch ein Buch! Welch ein Buch!« rief er aus. Die­ser Aus­ruf er­in­ner­te mich, dass der Pro­fes­sor Li­den­b­rock auch zu Zei­ten ein Bü­cher­narr war; eine alte Schar­te­ke hat­te in sei­nen Au­gen nur in­so­fern Wert, als sie schwer auf­zu­fin­den oder we­nigs­tens un­le­ser­lich war.

      »Pracht­voll!« er­wi­der­te ich mit er­heu­chel­tem En­thu­si­as­mus. Wahr­haf­tig, wozu so viel Lärm um einen al­ten Quar­tan­ten in Kalb­le­der, eine ver­gilb­te Schar­te­ke mit ver­blass­ten Buch­zei­chen.

      Der Pro­fes­sor fuhr in­des­sen fort in un­er­schöpf­li­cher Be­wun­de­rung, in­dem er sich selbst frag­te und ant­wor­te­te:

      »Siehst du, ist’s nicht hübsch? Ja, wun­der­schön! Was für ein Ein­band! Wie leicht schlägt man’s auf! Wie treff­lich schlie­ßen die Blät­ter, dass sie nir­gends klaf­fen! Und an die­sem Rücken sieht man nach sie­ben Jahr­hun­der­ten noch kei­nen Riss!«

      Ich konn­te nichts Bes­se­res tun, als ihn über den In­halt zu fra­gen, ob­wohl der mich we­nig küm­mer­te.

      »Und wie ist denn der Ti­tel des merk­wür­di­gen Bu­ches?« frag­te ich has­tig.

      »Dies Werk«, er­wi­der­te mein On­kel leb­haft, »ist die Heims­kring­la von Snor­ro Stur­le­son, dem be­rühm­ten is­län­di­schen Chro­nis­ten des zwölf­ten Jahr­hun­derts! Es ent­hält die Ge­schich­te der nor­we­gi­schen Fürs­ten, die auf Is­land herrsch­ten!«

      »Wirk­lich!« rief ich so freu­dig wie mög­lich, »und ge­wiss eine deut­sche Über­set­zung?«

      »Schön!« ent­geg­ne­te leb­haft der Pro­fes­sor, »eine Über­set­zung! Und was mit der Über­set­zung an­fan­gen? Wer küm­mert sich um eine sol­che? Es ist ein Ori­gi­nal­werk in is­län­di­scher Spra­che, dem präch­ti­gen, rei­chen und zu­gleich ein­fa­chen Idi­om!«

      »Wie das Deut­sche«, füg­te ich schmei­chelnd bei.

      »Ja«, er­wi­der­te mein On­kel mit Ach­sel­zu­cken, ohne in An­schlag zu brin­gen, dass die is­län­di­sche Spra­che die drei Ge­schlech­ter be­zeich­net, wie beim Grie­chi­schen, und die Ei­gen­na­men de­kli­niert, wie im La­tei­ni­schen!

      »Ah!« rief ich, in­dem ich mei­ner Gleich­gül­tig­keit Ge­walt an­tat, »und wie schön sind die Let­tern!«

      »Let­tern! Was meinst du, Let­tern? Wie? Du meinst, das sei ge­druckt? Nein, Dum­mer, ’s ist ein Ma­nu­skript, ein Ru­nen-Ma­nu­skript! …«

      »Ru­nen!«

      »Ja! Be­gehrst du nun eine Er­klä­rung die­ses Worts!«

      »Das lass ich blei­ben«, er­wi­der­te ich mit dem Ton ei­nes Be­lei­dig­ten.

      Aber mein On­kel fuhr umso eif­ri­ger fort, mich wi­der Wil­len über Din­ge zu be­leh­ren, die ich zu wis­sen gar nicht Lust hat­te.

      »Die Ru­nen«, fuhr er fort, »wa­ren Schrift­zü­ge, die von ur­al­ten Zei­ten auf Is­land im Ge­brauch wa­ren und von Odin selbst er­fun­den sein sol­len! Aber schau doch her, be­wun­de­re doch, Gott­lo­ser, die von ei­nem Gott aus­ge­dach­ten Zei­chen!«


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