Das Beziehungskarussell. Thomas HeroldЧитать онлайн книгу.
man plötzlich wildfremde Menschen an, die Arbeit im Büro läuft auf einmal wie am Schnürchen. Die Hormone jagen wie eine Überdosis Espresso durch den Körper – man sitzt auf heißen Kohlen und fiebert den Moment herbei, an dem man sich endlich wieder sieht.
Aber vermutlich haben Sie auch schon erfahren, dass dieses Gefühl leider nicht bleibt. Es schwindet dahin wie die einst prächtig blühende Orchidee von der alle Blüten abgefallen, und jetzt nur noch die leeren Zweige übrig sind.
Nicht selten verwandelt sich dieses Gefühl von Verliebtsein sogar in das Gegenteil. Schlagartig dreht sich alles um, und steht auf dem Kopf. Man trifft auf unverständliche Meinungen, Haltungen und Verhaltensweisen. Nicht selten fühlt man sich missverstanden, verschaukelt und im Extremfall zutiefst verletzt und sogar wütend. Das zu Beginn vor Freude glühende und hüpfende Herz möchte man sich jetzt am liebsten herausreißen.
Warum fallen wir aus der Liebe, streiten uns schon bald nach den Flitterwochen, und sehen auf einmal nur noch die Schwächen und Fehler unseres Beziehungspartners? Die Liebe scheint nicht von Dauer zu sein. Noch dazu zeigt sie sich in völlig unterschiedlichem Licht, abhängig davon mit wem oder was wir eine Beziehung haben.
Woran liegt es, dass wir völlig gefühllos an bettelnden Menschen vorbeilaufen, aber bei einem streunenden Tier sofort Mitleid empfinden und es augenblicklich streicheln wollen? Weshalb geben wir bisweilen unserem neuen Auto, unserem neuen Computer oder einem Tier mehr Liebe als unserem Partner? Warum fühlen wir uns zu bestimmten Menschen spontan hingezogen? Warum dauern manche Beziehungen ein Leben lang und andere nur wenige Augenblicke? Sind wir diesem Schicksal des Beziehungskarussells hilflos ausgeliefert?
Gibt es vielleicht einen tieferen Sinn in einer Begegnung, nach dem wir nie fragen, oder den wir nicht verstehen? Gibt es möglicherweise einen Schlüssel oder eine Erkenntnis, durch den wir alle unsere Beziehungen in einem neuen Licht sehen können, und mit dem es uns möglich ist einen inneren Frieden zu finden – unabhängig davon, ob wir in der Welt zusammen oder voneinander getrennt leben?
Was bedeutet es, eine Beziehung zu haben?
Der Definition nach ist eine Beziehung eine Verbindung oder der Kontakt zu einem einzelnen oder einer Gruppe. Das umfasst z.B. politische, kulturelle, geschäftliche, private, zwischenmenschliche, zwischenstaatliche, und auch internationale Beziehungen. Des Weiteren schließt es auch den Bezug zu unserer eigenen Person, zur Umwelt und zu unserem Ursprung als Mensch selbst mit ein.
Das Wort ‚Beziehung‘ wird auch dazu verwendet, um einen Zusammenhang oder ein wechselseitiges Verhältnis auszudrücken. Also z.B. die Relation zwischen Angebot und Nachfrage oder um einen Bezug zwischen zwei Dingen herzustellen wie z.B. eine Uhr, welche uns die Zeit anzeigt oder der Einfluss des Wetters auf die Verkaufszahlen von Schokoladeneis. Das Gegenteil von Beziehung ist die Trennung, was uns bereits einen ersten Hinweis auf die wahre Bedeutung des Wortes Beziehung gibt.
Wir haben also Beziehungen zu fast allem in unserem Leben. Zu jeder Person der wir begegnen, zu allen Gegenstände um uns herum, aber auch zu Personen und Gruppen, denen wir nicht begegnen, von denen wir nur theoretisches Wissen haben. Wir haben eine Beziehung zu uns selbst, zu allem Wissen und zu allen Erfahrungen, die wir je gemacht haben.
Das Gehirn speichert unser erlerntes Wissen und unsere Erfahrungen ab, und verknüpft sie mit anderen Erfahrungen und Wissenseinträgen. So entsteht ein äußerst komplexes intelligentes System aus Milliarden von Beziehungen. In den früheren Jahren der Gehirnforschung wurde davon ausgegangen, dass sich das Gehirn im Erwachsenenalter nicht mehr weiter entwickelt.
Neuere Studien widerlegen diesen Schluss. Sie beweisen, dass unser Gehirn nicht mit Abschluss der Entwicklungsphase fertig ist, und danach nur noch abbaut, sondern es plastisch ist und lebenslang entwicklungsfähig bleibt. Ein sehr wichtiger Aspekt, auf den wir später noch zurückgreifen werden.
Viele dieser Verknüpfungen im Gehirn sind wiederum mit einem Werte- und Bedeutungssystem verbunden, was mit einer rosaroten Brille vergleichbar ist. Wir ordnen unser Wissen und unsere Erfahrungen in Kategorien, die grob betrachtet entweder gut oder schlecht und förderlich oder hinderlich sind. Damit vermeiden wir Gefahren, Schmerz und Leiden. Es sind lebenserhaltende Prozesse, die jeder von uns in unterschiedlicher Form erlebt und abgespeichert hat.
Allerdings hat dieses Bewertungssystem nicht nur Vorteile, sondern auch gravierende Nachteile. Wenn es nicht ausgewogen benutzt wird, kann es dazu führen, dass wir übervorsichtig sind, zu viele Überlegungen anstellen, nichts mehr riskieren, und uns im schlimmsten Fall völlig vom Lebensprozess abschneiden.
Es gibt keine Methode dieses Bewertungssystem auszuschalten oder zu kontrollieren. Es ist allerdings möglich durch Erfahrung und Selbstbeobachtung sein eigenes Optimum, und damit eine innere Harmonie zu erzeugen. Dieser Zustand der Balance ist bei jedem Menschen unterschiedlich und kann nicht generell durch ein einziges System beschrieben werden.
Die wichtigste Beziehung für die meisten von uns ist die Paarbeziehung. Diese stellt uns vor die größten Herausforderungen, und dort liegt auch das größte Potenzial in unserer Lebensentfaltung. Deswegen werde ich größtenteils auf diese Beziehungsebene eingehen, aber auch hin und wieder einen Seitensprung in andere Beziehungsebenen unternehmen.
Wir werden uns dabei Schritt für Schritt von der körperlichen Beziehung an die geistige Beziehung herantasten. Mit diesem Fundament an Wissen können wir anschließend den letzten Schritt vollziehen, und uns auf die metaphysische Ebene begeben, wo wir uns die Bedeutung einer Beziehung aus höchster Ebene ansehen werden.
Die zwei Begriffe Beziehung und Begegnung werde ich im Folgenden abwechselnd verwenden, aber damit das Gleiche beschreiben.
Was erwarten Sie von einer Beziehung?
In einer Umfrage vom Statista Research Department wurden Frauen und Männer befragt, was der wichtigste Aspekt einer Beziehung für sie ist. Frauen und Männer sind sich dabei einig, dass Vertrauen, Ehrlichkeit und körperlicher Kontakt ganz oben auf der Liste stehen sollten. Hingegen gibt es bei der Treue schon die erste Abweichung. Nur 15 Prozent der Frauen finden diesen Punkt wichtig, allerdings ist es für 26 Prozent der Männer ausschlaggebend.
Weiterhin wurde gefragt, welche Kriterien entscheidend sind einen potenziellen Partner kennenzulernen und eine Beziehung mit ihm einzugehen. Hier zeigt sich an erster Stelle, dass Männer und Frauen Spaß haben wollen. An zweiter Stelle steht die Wichtigkeit sich mit dem Partner gut zu unterhalten.
Gefühle und Intuition sowie gute Manieren und Umgangsformen stehen auf Platz drei. Es folgt das Gefallen am Sex, gefolgt vom Wunsch die gleiche Vorstellung für den Kinderwunsch und die Familienplanung zu haben. Erst danach kommt der Faktor Aussehen und Attraktivität ins Spiel, gefolgt vom Wunsch, dass der Partner in das gesellschaftliche Umfeld passt. Das Schlusslicht dieser Liste bilden die Meinung der Freunde und Eltern.
Interessant ist die Tatsache, dass sich Frauen und Männer bis auf wenige Kriterien einig sind. Die größten Differenzen sehen wir beim Thema Beruf, was sicherlich nicht überrascht, da dieses Thema durch unsere kulturelle Entwicklung geprägt ist, und sich erst in den letzten Jahren in Richtung Gleichstellung verändert.
Für 41 Prozent der Frauen ist der Beruf des Mannes wichtig, hingegen finden nur 25 Prozent der Männer wichtig welchen Beruf die Frau hat. Dieses Kriterium ist eng verknüpft mit der Frage, ob der Partner mir einen gewissen Lebensstandard bieten kann, was für Frauen natürlich wichtiger ist als für Männer. Auch die Frage ob der Partner in das gesellschaftliche Umfeld passt, sowie die Kinder- und die Familienplanung ist für Frauen wichtiger als für Männer.
Es scheint, als ob speziell die Deutschen ein Volk der Romantiker sind, denn mehr als