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Gott singt. Ulrike GadenneЧитать онлайн книгу.

Gott singt - Ulrike Gadenne


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mit Leib und Seele, konnte ich bisher jedes metaphysische oder spirituelle Thema wunderbar diskutieren, aber ein lebender Guru war jenseits seiner sonst außergewöhnlichen Toleranzgrenze. Ich verstand ihn nur zu gut, erzählte darum kaum etwas davon, was mich innerlich ausfüllte, und versuchte ein normales Alltags- und Eheleben aufrechtzuerhalten. Ich wusste, dass alles, was ich innerlich und äußerlich bisher mit Balasai Baba erlebt hatte, meiner inneren Wahrheit entsprach und keine Einbildung war. Dieser Wahrheit, was immer sie sein mochte, wollte ich nahekommen und beschloss, schon bald, im Januar 1998, zu den Geburtstagsfeierlichkeiten Sri Balasai Babas zurückzukehren.

      Schon vor der ersten Reise zu Balasai Baba hatte ich merkwürdige Widersprüche verspürt: Je näher der Abreisetag kam, umso mehr wuchs mit der Freude auch ein unerklärliches Unbehagen. Ich stellte Baba innerlich die Frage nach der Ursache dieses Unbehagens. Unmittelbar erschien vor meinem inneren Auge das Bild von zwei Vögeln: ein weißer Vogel schwebte über einem schwarzen Vogel …

      Bei unserer Ankunft saß Baba mit einer Gruppe Besuchern vor dem Tempel beim Satsang. »Do you want coffee?« Mit dieser familiären Begrüßung war meine Spannung verflogen.

      Am letzten Tag dieses Aufenthaltes saß ich auf der Flussmauer, um den Sonnenaufgang zu erleben. Der Tungabhadra fließt von Westen nach Osten und mündet weiter unterhalb in den mächtigen Krishna-Fluss. Zu dieser Zeit war alles noch kühl, still und friedlich. Nur die Fähre, ein aus Palmenwedeln rund geflochtenes Boot, das einem Brotkorb ähnelt, schob sich lautlos über das Wasser, in dem sich die rot aufgehende Sonne spiegelte, die schnell höher stieg. Plötzlich flogen von Westen Scharen von weißen, Reihern ähnlichen Wasservögeln direkt über der Wasserfläche gen Osten, unter ihnen die gleiche Formation von schwarzen Vögeln – ein verwirrender Eindruck, bis ich merkte, dass die lebensecht aussehenden schwarzen Vögel nur die Schatten der weißen waren. Sofort erinnerte ich mich an das Bild des weißen und schwarzen Vogels, das Baba mir als Antwort auf meine Frage gegeben hatte. Jetzt wurde unerwartet dieses Bild zu einem lebendigen Vogelzug und Wirklichkeit. Ich hatte das Gefühl, dass dieser Ort in Zukunft etwas mit der Lösung des Rätsels nach der Bedeutung der Vögel zu tun haben würde.

      »Zeige mir, wer ich bin«, war meine zweite Frage an Balasai Baba.

      Die Antwort darauf war verschlüsselter und ich konnte erst viele Jahre später sehen, wie Babas Antwort mir meine damals noch unbewussten hartnäckigen Widerstände aufgezeigt hat.

      Im Gegensatz zu den Tagen vorher ließ Baba mich längere Zeit links liegen. Die Bonbons und Süßigkeiten, die Er zu Hunderten im Tempel den Besuchern zuwarf, fielen – wie von einer unsichtbaren Glaswand abprallend – zu allen meinen Nachbarn ringsum, aber kein Tropfen dieses süßen Regens erreichte mich, ich saß buchstäblich auf dem Trockenen. Trotzdem fühlte ich mich reich beschenkt, denn immer wieder teilte einer der Devotees seine Schätze mit mir. Damals konnte ich die »Antwort« noch nicht erkennen.

      Nach der Hektik der Geburtstagsfeierlichkeiten lehnte ich mich eines Mittags an die hintere Tempeltür, um die Entspannung und Stille zu genießen. Vor mir stieg feiner Rauch aus dem Dhuni, einer Feuerstelle, die man meditierend umrunden konnte und dabei nach indischer traditioneller Vorstellung seine Probleme und Sünden verbrannte. Auf der gewaltigen Mauer des alten Forts, das den Tempel auf der rechten Seite begrenzte, suchten Ziegen und Kühe ihr Futter, im gegenüberliegenden Garten wurden Gemüse und Kräuter geerntet.

      Etwa eine Stunde lang waren Gedanken gekommen und gegangen, bis sich plötzlich der innere Frieden in Schrecken und Panik verwandelte: Eine schwarze Gestalt mit einem Penis größer als sie selbst schob sich ins Bild, begleitet von dem entsetzten Gedanken: »Das bin ja ich!« Im selben Moment gab die Tempeltür hinter meinem Rücken nach und öffnete sich. Während ich sanft rückwärts in den Tempel hineinglitt, drehte ich mich halb um, spürte die Kühle und Ruhe des Raumes und sah an der Stirnwand das große Bild von Baba. Mein inneres Bild und das Bild von Baba flossen zusammen: »Ich bin alles, auch das, was du nicht sein willst!«

      Anders als in einem traditionellen Hindutempel gab es hier außer den einstündigen Bhajans (Lobgesang) morgens und abends keine festgelegten oder vorgeschriebenen Gebets- oder Meditationszeiten. Im Shirdi Sai Baba-Tempel fingen die Rituale um 6 Uhr morgens sehr lautstark an und dauerten mit einigen Unterbrechungen bis zum Abend. Außer während der heißen Mittagszeit war hier ein ständiges Kommen und Gehen: Zur Verehrung des Heiligen Sri Shirdi Sai Baba, der angerufen wurde, weil man Seine Hilfe erbat, opferten die Menschen Kokosnüsse, Räucherstäbchen und Blumen, und holten sich den Segen des Priesters. (Sri Shirdi Sai Baba, der von 1838 bis 1918 lebte, wird in Indien bis heute sowohl von Muslimen als auch Hindus verehrt.)

      Hier im Ashram konnte jeder auf seine ganz persönliche Weise innerlich mit Balasai Baba ins Gespräch kommen. Ich beobachtete eine kleine Gruppe von Besuchern, die sich regelmäßig im Alten Tempel traf, um eine Puja zu machen: eine typisch indische Form der Verehrung, bei der zunächst ein Platz auf dem Boden mit einem Tuch vorbereitet wurde, auf dem dann ein Bild Babas mit Blumen, Kerzen und Räucherstäbchen geschmückt wird. Aus Neugier hatte ich einmal teilgenommen und daran Gefallen gefunden.

      Der Ablauf der Puja hängt von der Gruppe ab. Hier hatte man sich geeinigt, einen der heiligen Gottesnamen Balasai Babas als Mantra 108mal zu wiederholen: OM NAMO SRI BALASAIYINE NAMAH. Bei jeder Namenswiederholung wurden in einem Silbergefäß zwei kleine Silberfüße, so genannte Padukas, mit Wasser übergossen. Der Klang des Mantras, der sich verwirbelnde Rauch der Räucherstäbchen, gemischt mit dem Duft der Jasmin- und Rosenblüten, der Schein der Kerzen im Halbdunkel, das feine Geräusch des Wassers, all das half dem Verstand, zur Ruhe zu kommen und sich auf die Energie von Balasai Baba zu konzentrieren. In einem dieser Momente von Gedankenleere schwamm plötzlich eine Lotusknospe vor meiner Herzgegend. Nach und nach entfaltete sie ihre Blütenblätter und wurde zu einer der geschnitzten Lotusblüten an der Vorderseite der Tempeltür. Alles geschah ohne mein willentliches Zutun. Ich schaute einem Bild zu, das seine eigene Bewegung vollzog, in mir aber die Süße der göttlichen Liebe reflektierte.

      Da es üblich ist, dass Devotees etwas zum Geburtstagsprogramm Balasai Babas beitragen, hatte ich mich zu einem musikalischen Beitrag mit meinem Sohn überreden lassen. Obwohl ich mein Lebtag gern und regelmäßig musiziert habe, war vor etwa zehn Jahren überraschend das Problem aufgetreten, dass ich nervös und angespannt wurde, wenn ich vor Fremden spielen sollte. Welcher Teufel hatte mich bloß geritten, ausgerechnet hier zuzusagen?

      Am Tag vor dem Geburtstag saß ich mit all meinen Ängsten auf der Flussmauer. Sollte ich mich blamieren oder einfach absagen? Aber mir wurde immer klarer, dass Baba jedes Geschenk, egal wie armselig und fehlerhaft auch immer, annehmen würde. Mit Ruhe und sogar Freude erwartete ich die Aufführung, nicht jedoch, ohne mir eine Strategie zu überlegen. Die gebrochenen Akkorde auf dem Keyboard wollte ich verschwommen und leise spielen. So konnte ich mich im Hintergrund verstecken und niemandem würde ein Fehler auffallen. In dieser Absicht stellte ich vorher das Keyboard so leise wie möglich. Als wir die Bühne betraten, war ich locker und freute mich heimlich über meine praktische Lösung. Baba kam glücklicherweise erst nach den Beiträgen der ausländischen Besucher. Wir konzentrierten uns auf den Anfang und – ich fiel fast vom Hocker – in vollster Lautstärke und Klarheit platzten die Töne in die Stille. Es war zu spät, um den Lautstärkeregler herunterzudrehen. Baba hatte meinen Trick ausgehebelt. Da das Soloinstrument ein eigenes Mikrofon hatte, konnte die Geige, die die Hauptmelodie spielte, sich durchsetzen und niemandem fiel etwas auf. Schweißnass kletterte ich danach die wackelige Holztreppe der Bühne herunter und dankte Baba für Sein Geschenk.

      Heute erscheinen mir die acht Tage bei Sri Balasai Babas Geburtstag 1998 wie die Ouvertüre zu einer großen dramatischen Oper, die sich in den nächsten Jahren abspielen sollte. Die wichtigsten Themen und Motive klangen an, ohne dass ich ihre Bedeutung im Zusammenhang des Ganzen damals hätte erkennen können.

      Zurück in Europa machte ich wieder die Erfahrung, dass Balasai Babas Bewusstsein allgegenwärtig ist. Auf dem Weg zu meinem Lieblingscafé während einer Freistunde mitten auf einer belebten Straße standen urplötzlich die beiden Hälften des Yin und Yang-Symbols vor meinem inneren Auge. Wie zwei kraftvolle Magnete zogen sie sich an und »klickten« spürbar ineinander. Damals kannte ich diese Form nur als uraltes Weisheitssymbol,


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