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Ängste von Kindern und Jugendlichen. Wilhelm RotthausЧитать онлайн книгу.

Ängste von Kindern und Jugendlichen - Wilhelm Rotthaus


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Situation aber eher selten vermieden. Die Konfrontation mit der Prüfungssituation bewirkt jedoch nicht eine Reduktion der Angst, wie das wegen der Exposition zu erwarten wäre. Denn die Folgen der Prüfungsangst führen zu schlechten Prüfungsleistungen und damit zwar nicht zu der befürchteten Katastrophe, aber doch teilweise zum Eintreffen der befürchteten Konsequenzen.

      In den Diagnosesystemen DSM und ICD wird die Prüfungsangst nicht genau zugeordnet. Sie kann ein Symptom der sozialen Phobie sein. »Soziale Phobie« beschreibt aber grundsätzlich eine Angststörung, bei welcher zahlreiche Situationen des zwischenmenschlichen Kontakts als Prüfungssituation wahrgenommen werden. Dabei steht die Angst, man könnte ein unpassendes Verhalten zeigen, mit dem man sich blamieren könnte und vor anderen als dumm, unbeholfen und schwach dastehen würde, im Vordergrund. Schneider (2004c) empfiehlt, die Prüfungsangst der Diagnose der spezifischen Phobie im Sinne einer Phobie vor schulischen Bewertungssituationen zuzuordnen. Als mögliche Alternative verweist sie auf die Diagnose der generalisierten Angststörungen, falls eine intensive und übermäßige Sorge und furchtsame Erwartung bezüglich mehrerer Ereignisse oder alltäglicher Tätigkeiten und Sachverhalte wie Pünktlichkeit, Hausaufgaben, Schulnoten, schulischer Erfolg und die eigene Zukunft im Vordergrund stehen.

      Prüfungsangst ist ein weit verbreitetes Problem, über das von der Hälfte aller Kinder und Jugendlichen berichtet wird. Kinder mit Prüfungsangst weisen signifikant schlechtere schulische Leistungen auf als ihre Altersgenossen ohne Prüfungsangst. Darüber hinaus betrachten sie sich selbst als weniger sozial kompetent, haben eine geringere Selbstachtung und sorgen sich mehr als andere Kinder. Ungefähr die Hälfte der Kinder mit Prüfungsangst erfüllen die Kriterien einer Angststörung.

       2.2.2.8 Albträume

      Leonie, fünf Jahre, wird morgens um 4:00 Uhr in der Frühe wach, schreit, ist nass geschwitzt und weiß nicht, wo sie ist, bis ihre Mutter oder ihr Vater das Licht anmacht. Sie drängt ins Bett der Eltern. Dort auf ihren Traum angesprochen, erinnert sie sich: Sie musste um ihr Leben rennen, wurde verfolgt von einer Gestalt, die sie in ein dunkles Tuch wickeln und wegtragen wollte. Leonie stolperte, fiel zu Boden, fühlte schon die Hand des unheimlichen Mannes – und wachte auf.

      Der Begriff »Albtraum« kommt von Alb oder Alben. Alben (Elfen) waren in der germanischen Mythologie für die (schlechten) Träume zuständig. Man stellte sich bildlich die Alben meist in menschenähnlicher Gestalt auf der Brust des Schlafenden hockend vor, was ein unangenehmes Druckgefühl auslöste, daher auch die ältere Bezeichnung Albdruck.

      40 % der Kinder zwischen sechs und elf Jahren haben gelegentlich Albträume, 5 % sogar einmal pro Woche. Bis zur Pubertät leiden Jungen und Mädchen gleich häufig an Albträumen. Danach verschiebt sich das Verhältnis deutlich, und die Mädchen werden dreimal häufiger von Angst machenden nächtlichen Träumen heimgesucht. Aber solange das seltener als einmal die Woche geschieht und die Kinder keine Angst vor dem Einschlafen haben, besteht noch kein Grund zur Sorge. Albträume tauchen meist in der zweiten Nachthälfte auf. Sie kommen vor allem in den sogenannten REM-Schlafphasen vor, die durch schnelle Augenbewegungen gekennzeichnet sind. Wenn die Kinder aus dem Traumschlaf aufschrecken, erinnern sie sich fast immer lebhaft an die gerade durchlebten Emotionen und Bilder. Solche Angstträume handeln insbesondere bei Kindern oft darum, dass sie verfolgt werden. In rund der Hälfte aller Albträume flüchten die Schlafenden vor jemandem, manche sterben in ihrem Traum oder erleiden schwere Verletzungen, andere stürzen ins Bodenlose. Die bedrohlichen Figuren sind in der Regel menschlicher Natur; Tiere oder Fantasiewesen wie Monster und Hexen tauchen seltener auf. Der häufigste Auslöser von Albträumen ist offenbar Stress etwa in der Familie, in der Schule oder im Freundeskreis. Tatsächlich kommen in Träumen oft Erlebnisse des vergangenen Tages vor.

      Häufig mit einem Albtraum verwechselt wird der »Pavor nocturnus«, auch nächtliches Aufschrecken genannt. Er tritt üblicherweise im Tiefschlaf etwa eine Stunde nach dem Einschlafen auf – oft begleitet von einem Schrei. Die Eltern finden oft das im Bett aufrecht sitzende Kind mit erhitztem Gesicht und in Schweiß gebadet vor. Es kann nicht über Angsterlebnisse berichten, äußert sich höchstens bruchstückhaft und unvollständig. Die Beruhigungsversuche der Eltern scheint es zunächst gar nicht wahrzunehmen. Wenn es dann aufwacht, blickt es erstaunt umher, ist verwirrt und kann sich an keine bösen Träume erinnern. Meist beruhigt es sich schnell und kann dann auch weiterschlafen.

      1 ICD = International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems (hrsg. von der WHO); deutsche Bearbeitung für den Bereich »psychische Störungen des Kindes- und Jugendalters«: Remschmidt et al. (2012).

      2 DSM = Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (hrsg. von der American Psychiatric Association); deutsch: Falkai und Döpfner (2015).

      3 RCT (Randomized Controlled Trials) = randomisierte kontrollierte Studien, der »Goldstandard« in der heutigen medizinischen Forschung.

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