Der Ring des Kardinals. Manuel OrtegaЧитать онлайн книгу.
und die Damen der Gesellschaft dazu sagen?“
„Die werden Ihnen sicher die Augen auskratzen, Sie schlimmer, ungetreuer Mann, Sie! — Besonders die Damen der guten Gesellschaft, von denen ja nicht wenige in Sie verschossen sein sollen.“
Geschmeichelt lächelte der Espáda und streckte dem Doktor seine rechte Hand hin.
„Sie sind der beste Advokat von Sevilla und mein Freund. Nichts für ungut! — lieber Doktor.“
Der Rechtsanwalt musste über diese offene Schmeichelei lachen. Inzwischen war der Espáda aufgestanden, und auch Dr. Velasco erhob sich.
„Sie müssen mich für heute entschuldigen, teurer Escamillo; ich muss nämlich noch meinen alten Freund, den Monsignore Guzman, den Sie ja wohl auch kennen, besuchen. Er sitzt hinten im Café bei seinem geliebten Schachspiel. Uebrigens, dort an dem Tisch da drüben winkt Ihnen eben ein Herr zu.“
Escamillo sah interessiert nach der Richtung, welche die erhobene Hand Dr. Velascos andeutete. „Ach ja, ganz recht, das ist ein zukünftiger Kollege von mir, mein Schüler — vielleicht einmal „ein kommender Mann.“
Die beiden reichten sich die Hände.
„Auf Wiedersehen, lieber Doktor!“
„Auf Wiedersehen, lieber Espáda.“
Dr. Velasco ging nun sogleich in das Innere der „Casa Ororjo“ und gelangte durch eine Glastüre in einen kleinen Raum, der nach rückwärts lag und in dem mehrere Spieltische aufgestellt waren, an denen kleine Gruppen von meist älteren Herren sassen, welche dort Domino und Schach spielten. Man hörte fast nur das Klappern der Steine und sah durch den dichten Tabaksqualm hindurch eine Anzahl Männerköpfe, deren Träger mit gespannter Aufmerksamkeit den Fortgang des Spiels verfolgten, an dem sie beteiligt waren.
Unter den anwesenden Personen fiel ein älterer schlanker Herr mit bartlosem, blassem Gesicht auf, der sich trotz seines vorgerückten Alters in seiner Haltung und im Ausdruck seiner Gesichtszüge etwas Jugendliches bewahrt hatte und der Dr. Velasco bei dessen Eintritt in das Spielzimmer lebhaft zuwinkte. Dieser Herr war Monsignore Guzman, der Privatsekretär und Hausbibliothekar des Kardinals Medina Sidonia von Sevilla, eine sowohl in der Gesellschaft als auch in den breitesten Schichten der Bevölkerung der andalusischen Hauptstadt wohlbekannte Persönlichkeit.
Monsignore Guzman hatte seine theologische Ausbildung auf einem berühmten Priesterseminar Spaniens erhalten, jedoch dann später nicht die Weihen genommen, sondern war Hauslehrer und Erzieher in einem deutschen Fürstenhause geworden und hatte auf einer Romreise, die er als Kunstfreund und Sammler unternahm, Gelegenheit gehabt, die Bekanntschaft des spanischen Kardinals Medina Sidonia zu machen, der damals als Sekretär des Heiligen Stuhles das hohe Vertrauen des Papstes genoss. Kardinal Medina Sidonia, ein eifriger Förderer von kirchenkünstlerischen Bestrebungen, schenkte dem vielbelesenen und geistreichen Don Guzman seine persönliche Freundschaft, und als ihn der Heilige Stuhl als Kardinal nach Sevilla entsandte, lud er den ehemaligen Prinzenerzieher ein, zu ihm nach Sevilla zu kommen, und bot ihm dort die Stellung eines Privatsekretärs und Hausbibliothekars an, welche jener auch annahm. Eine ansehnliche Reihe von Jahren bekleidete nun bereits Monsignore Guzman diese Stellung am Hofe seines alten Freundes, der trotz seines biblischen Alters von 85 Jahren noch körperlich rüstig und geistig rege war. Seine Vorliebe für Malerei und Dichtkunst hatte dem Kardinal im Laufe der Jahre eine ansehnliche Reihe von gleichgesinnten Freunden gewonnen, mit denen er in einem lebhaaften Gedankenaustausch stand, und in seiner Eigenschaft als Schirmherr der grossen Calderon-Gesellschaft in Spanien erwuchs ihm viel schriftliche Arbeit, welche ihm sein unermüdlich tätiger Privatsekretär und Bibliothekar abnehmen musste.
Ausser einer sehr umfangreichen und besonders an alten, wertvollen Drucken und Büchern reichen Bibliothek besass der Kardinal noch eine kleine, aber äusserst wertvolle Sammlung von alten Edelsteinen, auf deren Besitz er nicht wenig stolz war und deren Verwaltung Don Guzman ebenfalls in Händen hatte.
Da die verschiedenen Amtsgeschäfte des Kardinals in Rücksicht auf sein hohes Alter und seine Ruhebedürftigkeit von dem gleichfalls in Sevilla residierenden Erzbischof besorgt wurden, hatte Se. Eminenz Medina Sidonia hinlänglich Zeit, seinen Privatliebhabereien zu leben, und so verbrachte er fast täglich am Nachmittag mehrere Stunden damit, an seinem Schreibtisch zu sitzen und in seinen Büchern und Kunstschätzen zu blättern. In seinem Arbeitszimmer befand sich ein grosser, durch eiserne Platten geschützter Schrank, in dem der Kardinal seine Sammlungen von wertvollen Kunstblättern und seine Edelsteine aufgehoben hatte.
Das Arbeitszimmer selbst lag nach der Hofseite im zweiten Stock des alten Almohadenpalastes, des ehemaligen Herrschersitzes jenes maurischen Fürstengeschlechtes, der nach der Vertreibung der Araber als Königspalast eingerichtet worden war, um später dem Kardinal und seinem Hofstaat als Wohnsitz zu dienen. Der grosse Palast lag inmitten der Stadt in einer schmalen Gasse, nicht weit von dem berühmten Girálda-Turm, und bildete mit seinen zahlreichen, nach morgenländischer Sitte vergitterten Fenstern eine Sehenswürdigkeit der Stadt. Der Bau hatte eine grosse Tiefe, und hinter ihm lag ein parkähnlicher Garten mit Wandelhallen und Säulengängen. Inmitten des Gebäudes befand sich der mächtige Hof mit breiten offenen Veranden und Loggien, von denen herab man auf den marmornen Fussbodenbelag des Palasthofes blickte, über dessen Oeffnung mächtige Sonnensegel gespannt waren, die dazu dienten, den Hof vor den glühenden und sengenden Strahlen der Sonne Andalusiens zu schützen, was für die Zeit der Siesta, der täglichen mehrstündigen Mittagsruhepause, von grosser Wichtigkeit war.
Monsignore Guzman, der soeben seine regelmässige Schachpartie mit seinen Bekannten, mit welchen er sich stets um diese Zeit in der „Casa Ororjo“ zusammenfand, beendigt hatte, begrüsste jetzt Dr. Velasco in freundschaftlicher Weise und lud ihn ein, an seiner Seite Platz zu nehmen. Er führte das Gespräch, um die andern Spieler nicht zu stören, im Flüstertone.
„Nun wohl, lieber Doktor, Sie machen sich hier in der letzten Zeit recht selten. Es gibt wohl viel Arbeit für Sie, wie?“
„Ja — leider, oder vielmehr gottlob. In den letzten zwei Monaten hat sich meine Kundschaft beinahe um ein Drittel vergrössert.“
„Ah — bravo, bravo, so etwas hört man gern! Nun — das nimmt mich auch bei einem so tüchtigen Manne, wie Sie es sind, nicht wunder. Ihr Ruhm ist ja bis in die entferntesten Teile unserer Halbinsel gedrungen, besonders seitdem Sie als ausserordentlicher Gehilfe der Königlichen Staatspolizei in Madrid durch Ihren Scharf- und Spürsinn mit dazu beigetragen haben, dass jene Anarchistenverschwörung aufgedeckt wurde, deren Opfer der arme Marschall Campos geworden ist. Wenn Sie damals nicht die richtige Fährte in Bilbao gefunden hätten, ich glaube, unsere Polizei tappte noch heute im Dunkeln umher, und es hätten, wie es von den Schurken damals geplant war, auch noch andere Opfer daran glauben müssen.“
„Sie beschämen mich ja förmlich durch das Lob, welches Sie mir zollen, Monsignore. Unsere Polizei hat dabei auch ihre grossen Verdienste. Der Tagesruhm ist ein gefährliches Ding. Ich merke das jetzt erst. Denn ausser neuen Kunden bekomme ich fast täglich Drohbriefe mit geheimnisvollen Anspielungen ins Haus geschickt, dass man mir bald an den Kragen gehen will.“
„Wie? — Das ist ja unerhört! Hoffentlich übergeben Sie solche Wische gleich der Polizei.“
„O nein, sondern dem Papierkorb,“ sagte lächelnd der Advokat. „Denn sie gehören dort hinein. Da hätt’ ich wirklich viel zu tun.“
„Seien Sie vorsichtig, seien Sie auf Ihrer Hut, lieber Doktor Velasco. Diese Gesellen sind zu allem fähig, Sie wissen das ja selbst am besten.“ Der Kardinalsekretär wollte noch etwas hinzufügen, als ein älterer Kaffeehausnommen hatten.
kellner zu ihm herantrat und ihm leise etwas ins Ohr sagte.
„Bester Doktor, Sie müssen mich schon für einige Minuten entschuldigen, es will mich nämlich jemand am Telephon sprechen. Ich eile und bin sofort wieder bei Ihnen.“
Mit diesen Worten verliess der Bibliothekar das Zimmer und ging in einen Nebenraum, in dem sich die Telephonzelle befand.
Dr. Velasco aber sah inzwischen zwei Schachspielern bei ihrer Partie zu.
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