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Walden oder Leben in den Wäldern. Henry David ThoreauЧитать онлайн книгу.

Walden oder Leben in den Wäldern - Henry David Thoreau


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freudig auch an dieser seiner schönsten Frucht sich kräftigt, dass Tausende von Menschen fühlen: Lebenswerter scheint uns das Leben, lieblicher duften die Blumen, heller leuchtet der Sonnenschein, holder singen die Vögel, munterer plätschern die Wellen, mit heisserem Bemühen suchen wir nach der Pforte unserer Seele, unablässiger strebt unsere Sehnsucht durch Nebelmeere zu wolkenloser Reinheit empor, seit wir dich kennen, den edlen feierlichen Menschen vom Waldensee . . .

      Thoreau bezog in Concord wieder Emersons Haus und wohnte dort während der Abwesenheit des Freundes in Europa. 1849 siedelte er in das väterliche Haus über, wo er bis zum Ende seines Lebens verblieb. Schriftstellerei war jetzt seine Hauptbeschäftigung. Wahre Freude empfand er nur beim Schaffen eines Werkes. Er geizte nicht nach Erfolg: „Ich gebe ab und zu ein paar Worte aus, um mir Schweigen dafür zu kaufen.“ Ausserdem hielt er in Städten und Dörfern Vorträge über alle möglichen Gebiete. Willkommene Abwechselung boten ferner kleinere und grössere Reisen an die See nach Cape Cod, das er dreimal (1849, 50 und 53) besuchte, nach Canada und in die Maine-Wälder. Herrlich sind die Schilderungen der Meeresküste in „Cape Cod“, weniger erfreulich und zu sehr mit Einzelheiten überladen ist sein „Ausflug nach Canada“, der 1853 im ,,Putnam Magazin“ erschien. Die Wanderungen in die Maine-Wälder, dienten hauptsächlich dem Studium indianischer Sitten und Gebräuche. Der letzte Ausflug dorthin fand 1857 statt. Erst nach Thoreaus Tode erschien ein Werk über diese Reisen unter dem Titel „Die Mainewälder“. Es war während seiner letzten Lebensmonate sorgfältig von ihm vorbereitet worden und enthält eine Fülle botanischer, geologischer und ethnologischer Beobachtungen in poetischer und philosophischer Gewandung.

      Schon im Jahre 1855 begann indessen Thoreaus Gesundheit nachzulassen. 1857 spricht er bereits von „zwei Invaliditätsjahren“. Trotzdem kampierte er oft im Freien und setzte sich allen Unbilden der Witterung aus. 1857 starb — zweiundsiebenzig Jahre alt — sein Vater. Jetzt hiess es Brot für Mutter und Schwester schaffen. Wieder wurde die Bleistiftfabrikation aufgenommen und das Einkommen dadurch vermehrt, dass er aufs neue Landvermessungen machte, bald einem Farmer ein Boot baute, bald beim Stallbau half oder ein Haus anmalte — kurz, „so viele Gewerbe ausübte, als er Finger hatte“. Dabei arbeitete er fleissig an seinen Tagebüchern und Manuskripten weiter, ohne ein grösseres Werk zu veröffentlichen. Arbeitsam aber äusserlich ruhig floss sein Leben dahin.

      Immer mehr aber gährte es in den Vereinigten Staaten, immer heftiger entbrannte der Kampf um die Sklavereifrage. Als der oberste amerikanische Gerichtshof den Sklavenhaltern in den Südstaaten nur allzuweit entgegenkam, indem er entschied: ,,Sklaven sind und bleiben unter allen Umständen Eigentum ihres Herrn, ein Aufenthalt in fremden Ländern ändert nichts an ihrer Stellung, die Sklaven müssen zu ihrer eignen Wohlfahrtin Sklaverei fortleben“, wuchs die Erbitterung gegen die Anmassung der Sklavenhalter in drohendem Masse und wurde durch die Literatur — durch „Onkel Toms Hütte“, ein Buch, das eine Auflage von mehr als dreihunderttausend Exemplaren fand, durch die Selbstbiographie des Negers Douglas und durch Hildretts ,,Weisser Sklave“ — lebhaft geschürt. Die Sklaverei besteht zu Recht in moralischer, religiöser und politischer Beziehung, sagte man im Süden, wo sich allmählich eine Aristokratie ausgebildet hatte, die den Menschen nach der Anzahl seiner Sklaven beurteilte und die „freie Arbeit“ des Nordens, ja, die Arbeit an sich als verächtlich ansah. In den Nordstaaten aber traten Männer auf, die offen erklärten, in einem Lande nicht leben zu wollen, wo Männer und Frauen wie Vieh aufgezogen, wo ,,Väter, Mütter und Kinder wie Ware verkauft“ würden. Noch radikaler dachte John Brown, ein begeisterter, fanatischer Puritaner, Lobgerber seines Zeichens. Er hatte sich bislang nicht am politischen Leben beteiligt, begann aber jetzt im Staate Kansas mit solcher Energie gegen die Sklaverei Opposition zu machen und so vielen Negern zur Flucht gen Norden zu verhelfen, dass der Staat einen Preis von dreitausend Dollars für seine Ergreifung aussetzte. Brown, der bereit war, aus innerster Überzeugung sein Leben für die Befreiung der Sklaven hinzugeben, zog nach Virginia. Dort bemächtigte er sich mit nur wenigen Getreuen der Rüstkammer zu Harpers Ferry, um die Aufständischen bewaffnen zu können. Doch schon am nächsten Tage wurde er nach verzweifelter Gegenwehr von den Regierungstruppen ergriffen und ins Gefängnis abgeführt. Als man ihn fragte, in wessen Namen er das Eigentum des Staates in Besitz genommen habe, antwortete er: ,,Im Namen Gottes, des grossen Jehova!“

      Einebenso glühender Abolitionist wie Brown war Thoreau. (Abolitionisten wurden die Leute genannt, die, ohne einer bestimmten politischen Partei anzugehören, in Wort und Schrift auf die Abschaffung der Sklaverei hinarbeiteten.) Thoreau selbst hatte ab und zu einen flüchtigen Sklaven beherbergt und gepflegt. 1857 kam John Brown nach Concord, um dort einen Vortrag über „Sklaverei“ zu halten. Thoreau wurde mit ihm bekannt. Der Augenblick des ersten Sehens schlang ein Freundschaftsband um diese beiden Männer. Browns Worte: „Baue einen Palast in dir selbst, oder die Welt wird dein Kerker“ waren Thoreau aus der Seele gesprochen. Mit lebhafter Anteilnahme verfolgte er hinfort die Schicksale dieses Mannes, der wie kein zweiter in dieser Frage mit ihm übereinstimmte, und der ihm wie kein zweiter berufen zu sein schien, eine leitende Rolle in dem unvermeidlichen Kampfe zu spielen. Da drang die Schreckenskunde zu ihm: Brown, sein Freund, sein geistiger Bruder, war in Gefangenschaft, stand in Virginia vor Gericht und hatte den Tod durch Henkershand vor Augen! Die Stimmen, die noch soeben dieses Mannes Lob gesungen hatten, verstummten: für den Störer des Landfriedens, für den Revolutionär und Anarchisten Brown fand niemand — auch kein Sklavereigegner — ein Wort der Verteidigung. Der Waldeinsiedler aber, der Concordphilosoph, fühlte vor Zorn über seine Landsleute, vor Mitleid mit seinem Freunde das Blut in den Schläfen pochen. Schweigen oder Abwarten dünkte ihm hier Feigheit. Er sandte in Concord von Haus zu Haus und lud die Bewohner zu einer Versammlung ein. Mitglieder politischer Vereine versuchten vergeblich, ihn von seinem Vorhaben abzubringen. Er sprach — sprach anderthalb Stunden lang vor einer grossen Menschenmenge, verherrlichte den alten Helden, fand gleich glühende Worte für den Freund wie für den Hass gegen die Regierung . . . „Denkt doch an seine seltenen Eigenschaften! Jahrhunderte waren nötig, um diesen Mann zu schaffen, Jahrhunderte waren nötig, um ihn zu begreifen. Es ist kein Popanz, kein Vertreter irgend einer Partei! Einen Mann wie ihn, der aus dem kostbarsten Material geschaffen und gesandt wurde, um die zu befreien, die in Fesseln schmachten, wird die Sonne vielleicht nie wieder in diesem herrlichen Lande bescheinen! Und Ihr könnt ihn nur dazu gebrauchen ihn am Ende eines Strickes aufzuhängen! Ehrt Euch selbst und lernt ihn begreifen. Eurer Achtung wahrlich bedarf er nicht!“. . . So sprach ein Held für einen Helden. So lebte ein Philosoph seine Philosophie. So liebte ein Freund den Freund . . .

      Brown aber ward gehenkt. Auf einem Acker bei Charleston starb der echte Menschenfreund. „Wie schön sind doch diese Kornfelder“ waren seine letzten Worte. In den neuenglischen Staaten wurden überall Trauergottesdienste angeordnet, die Glocken läuteten und von den Kanzeln herab wurde das Volk zur Rache für den Freiheitskämpfer aufgefordert. Die Kriegsfackel lodorte auch bald empor und auf dem Marsche sangen die Soldaten:

      „ John Browns Körper, der liegt modernd in der Erd’,

      „ Seine Seele aber zieht mit uns zum Streit.

      „ Gloria, gloria, gloria, Hallelujah!“

      Und wer weiss, was geschehen wäre, wenn die ererbte Lungenkrankheit nicht schon jetzt Thoreaus Lebenskraft untergraben hätte! Vielleicht wären wir ihm auf dem Schlachtfeld wieder begegnet. Doch allzu schnell sanken seine Kräfte. Tapfer und geduldig ertrug er alles. ,,Es war unmöglich, in seiner Gegenwart traurig zu sein“, sagt seine Schwester. Schon 1862 starb er am sechsten Tage des Monats Mai im fünfundvierzigsten. Lebensjahre. Auf dem Friedhof zu Concord liegt er begraben. Ein einfacher Stein schmückt sein Grab. Auf ihm sollten die Worte stehen, die Thoreau einst in sein Tagebuch schrieb:

      „Vor Freude könnte ich die Erde umarmen, Freude erfüllt mich, dass ich dereinst in ihr ruhen werde.“ —

      Thoreau war eine Individualität. Er hatte keinen Vorgänger, er kann auch keinen Nachfolger haben. Manch günstiges und manch ungünstiges Arteil ist über ihn gefällt worden, sagt Torrey, eines aber lässt sich nicht leugnen: Als Ganzes genommen hatte er nicht seinesgleichen. Wohl haben auch andere Menschen Einfachheit gepredigt, in freiwilliger Armut gelebt, die Natur von Herzen geliebt und sich an ihre Brust geflüchtet, wohl haben auch andere vor und nach Thoreau die Zivilisation gering geschätzt und die Kultur zurückersehnt


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