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Elfenzeit 8: Lyonesse. Uschi ZietschЧитать онлайн книгу.

Elfenzeit 8: Lyonesse - Uschi Zietsch


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man nicht so leicht etwas vormachen konnte. Noch heute zog es ihn an Tatorte, noch heute zog er Schlussfolgerungen, doch von anderer Sichtweise aus. Und so hatte er einst seine Ehe gerettet, die, dem Ring nach zu urteilen, wohl nach wie vor bestand.

      Dauß drückte einem vorbeieilenden Polizisten den leeren Becher in die Hand, nahm Robert am Arm und zog ihn mit sich. »Kam es gerade in den Nachrichten?«

      »Ja.«

      »Verdammt, dabei wollte ich es verhindern. Nun sieh dir den Rummelplatz hier an! Wie soll man da noch Spuren sichern? Das Problem ist, wir können den Platz unmöglich auf Dauer sperren. Die ganzen Abendgeschäfte feilen schon an Schadenersatzklagen. Vor allem – wo genau sollen wir die Sperre errichten? Wir müssten auch den U-Bahnhof schließen und so weiter. Da steigt uns der Bürgermeister aufs Dach.«

      Sie kamen in die Nähe einer Treppe hinab zur U-Bahn, ein anderer Aufgang als der, den Anne und Robert benutzt hatten. Der Zugang war durch ein gelbes Band gesperrt.

      Dauß fuhr fort: »Alles, was wir tun können, ist Präsenz zu halten. Aber wie lange? Ich habe nicht genug Leute, und sie leisten schon Überstunden über die normale Belastung hinaus.«

      »Was genau passiert denn?«, erkundigte sich Robert.

      »Bisher haben wir fünf Leichen und ein gutes Dutzend angeschlagene Leute, die im Krankenhaus behandelt werden mussten. Leider können sie sich an nichts erinnern, was mich äußerst misstrauisch macht. Unsere Psychologen sind im Einsatz, aber bisher ohne Ergebnis.« Dauß schüttelte sich. »Ob lebend oder tot, es ist entsetzlich, was diesen Leuten widerfährt, Robert. Sie sind in einem unbeschreiblichen Zustand, als hätten sie schwere Folter erleiden müssen. Als würde ihnen die Substanz entzogen, so kommt es mir vor. In meiner ganzen Dienstzeit habe ich so etwas noch nie erlebt.«

      »Habt ihr irgendwelche Anhaltspunkte, wer …«

      »Nichts. Es gibt kein Motiv. Die meisten der Opfer sind Obdachlose, aber es sind auch ein paar Normalbürger dabei, die allein zu später Stunde unterwegs waren. Du kannst dir vorstellen, wie der Bürgermeister uns deswegen im Nacken sitzt. Obdachlose wären ihm ziemlich egal, aber Steuerzahler? Und dann auch noch an einem so hochfrequentierten Platz? Weihnachtszeit, Adventsmarkt, haufenweise Touristen …«

      Robert rieb sich grübelnd das Kinn. »Denkst du, ein einzelner Täter kommt in Frage?«

      »Ich wünschte, es wäre nur eine Bestie, die wir jagen müssen. Aber es gibt Hinweise, dass mehrere daran beteiligt sind. Was wir eben den wenigen Zeugenaussagen entnehmen konnten, Kumpel wie Passanten, die irgendwelche unheimlichen Gestalten gesehen und schaurige Schreie gehört haben wollten. Normalerweise würde ich das als Hysterie abtun, aber die Aussagen kamen unabhängig voneinander, sind ziemlich übereinstimmend, und die Leute kennen einander nicht.« Dauß sah auf einmal sehr müde aus. »Robert, du und ich – wir beide haben schon eine Menge bizarre Scheiße erlebt. Aber das hier jagt mir Angst ein. Vor allem, weil ich keine Ahnung habe, warum es angefangen hat, und wann es aufhört. Wie wir das in den Griff bekommen wollen, bevor wir fünfzig Leichen haben.«

      Robert starrte in die Finsternis neben dem Scheinwerferlicht. Mit seinen Vampiraugen konnte er mühelos die sich darin bewegenden Silhouetten der Menschen erkennen. »Ich werde sehen, was wir tun können«, sagte er dann. »Anne und ich … haben einiges an Erfahrung gesammelt, was mit solcherlei Geschehnissen zusammenhängt. Ich denke, wir müssen uns da auf metaphysischer Ebene umtun.«

      Dauß blieb stehen und musterte ihn misstrauisch. »Seid ihr etwa Esoteriker?«

      »Nein, eher … nun, es ist so etwas ähnliches wie das Profiling, verstehst du? Wir haben uns viel damit beschäftigt und Kurse gemacht. Wegen meines Buches, weißt du. Ich denke, wir haben es hier mit jemandem zu tun, der sich einer anderen Sphäre zugehörig fühlt. Der wiederum esoterisch ist, wenn du so willst.«

      »Ein Satanist«, stöhnte Dauß. »Das passt doch in diese Zeit. Glaube und Aberglaube, weil sonst die Verzweiflung droht.«

      Robert klopfte ihm beruhigend auf die Schulter. »Wir kriegen das schon raus, Hans. Es kann eine Weile dauern, bis ich mich bei dir melde, aber wir sind dran. Und ich werde dich sofort informieren, wenn wir etwas herausgefunden haben.«

      »Na schön, sehen wir, welche Methoden schneller greifen – die konventionellen oder Spinnerei.« Dauß konnte nicht lächeln, obwohl er sich Mühe gab. Er nestelte eine Visitenkarte hervor und reichte sie Robert, der ihm wiederum seine Handynummer gab.

      »Einen Festanschluss habe ich nicht, da ich umgezogen bin. Ich wohne nicht weit von hier, am Radlsteg.«

      »In Ordnung. Wir bleiben in Verbindung.«

      Robert schlenderte zu Anne, die am Rand eines Scheinwerferkegels stand. Dichtes Schneetreiben hatte eingesetzt, und die Polizisten gerieten in Hektik, um der Spurensicherung nachzukommen.

      »Was haben wir, Watson?«, fragte Robert im Nuschelton, als würde eine Pfeife im Mundwinkel stecken.

      »Nicht viel, Mrs. Hudson«, antwortete Anne, während sie leicht gebückt eine Absperrung abschritt.

      Robert grinste. Touché, dachte er. Sie richtete sich auf und sah zu ihm. »Sie kommen von unten«, ihr Zeigefinger deutete auf den Boden, »überall in der Luft hängen Reste ihrer magischen Energie, doch ich kann sie nicht recht deuten.«

      »Was meinst du damit?«

      »Ich weiß nicht, um wen es sich handelt. Damit meine ich keine bestimmte Person, sondern die Zugehörigkeit.«

      »Dann sind es Elfen?«

      »Ich glaube nicht.«

      Robert war ratlos. »Keine Elfen …«

      »Keine Götter, keine Geisterwesen …«

      »Untote?«

      »Mhm. Wenn, dann ungewöhnlicher Art. Aber diese Vermutung trifft es am ehesten. Doch da ist noch etwas anderes, das ich nicht zuordnen kann …« Anne hob die Schultern. »Wenn ich dazu fähig wäre, würde es mich schaudern.«

      »Ich sollte dazu nicht mehr in der Lage sein, aber wenn du so etwas sagst …« Robert schüttelte es durch und durch. »Was tun wir jetzt?«

      »Gehen wir hinunter und sehen uns um.« Anne war schon auf dem Weg zum abgesperrten Treppenabgang.

      Robert vergewisserte sich, dass niemand hersah, und folgte ihr. Hoffentlich entdeckte sie keiner. Aber es schneite inzwischen so dicht, dass außerhalb des Bereichs der Scheinwerfer nichts mehr zu erkennen war, und die Flocken innerhalb reflektierten das Licht. Ringsum herrschte geschäftiges Treiben und Stimmen schwirrten über den Platz. Die meisten Schaulustigen hatten sich entfernt, es war nach Mitternacht, und Aufregendes war nicht mehr zu erwarten. Robert gab Anne ein Zeichen, und sie huschten die Treppe hinunter. Der Bahnhof unten war weitgehend leer, die letzte U-Bahn durchgefahren, und die Polizei kontrollierte nur noch sporadisch. Robert stieß Anne leicht an und wies auf die Kameras, die überall installiert waren. Sie schmunzelte und winkte ab.

      »Wir sind nicht mehr als huschende Schemen in der Aufzeichnung«, wisperte sie ihm zu.

      »Ist das ein Elfentrick?«

      »Ein Vampirtrick.«

      »So was wie der Spiegeltrick? Der funktioniert bei mir aber nicht, ich kann mich immer noch sehen.«

      »Besser als der Spiegeltrick.«

      »Cool. Und ich kann den auch?«

      »Sicher. Ich zeige dir, wie du dich bewegen musst.«

      Nach kurzer Zeit hatte Robert es heraus und lachte in sich hinein, als er Anne zum Bahnsteig folgte. Sie widmete ihre Aufmerksamkeit vor allem den Schächten, in denen die Züge verschwanden. Ihre Nasenflügel waren weit gebläht und sie schien zu wittern.

      Robert versuchte, die magische Strömung auszumachen, die Anne bemerkt hatte, aber er war zu ungeübt darin. Deshalb konnte er auch immer noch nicht den »Elfenkanal« benutzen. Anne sagte, das würde seine Zeit brauchen, dann käme es von ganz allein. Dennoch näherte


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