Perry Rhodan 3093: NATHAN. Susan SchwartzЧитать онлайн книгу.
Soeben ist die Durchsage gekommen, dass wir in einer Stunde in den Hypertrans-Progressormodus gehen können.
Das bedeutet, dass die RAS TSCHUBAI sich dann mit fünfhundertmillionenfacher Überlichtgeschwindigkeit fortbewegen wird.
Damit sollten wir um den 10. Juli die Milchstraße erreichen können. In 80 Tagen durchs Universum, haha.
Viele mögen diesen kleinen Scherz gar nicht verstehen, denn das Originalzitat dazu ist Tausende von Jahren her.
Doch ich bin recht gut bewandert in unserer Vergangenheit, und das aus guten Gründen. Falls diese Datei in der Zukunft als einzige übrig bleibt, eine kurze Vorstellung: Ich bin Col Tschubai, Sprecher des Bordrats der RAS TSCHUBAI, außerdem Medienwart. Mein Hauptjob, der momentan ein wenig brachliegt.
Meine Namensgleichheit in Bezug auf den Nachnamen dieses Schiffes ist nicht zufällig. Ich bin tatsächlich ein Nachfahre des legendären Teleporters Ras Tschubai, einem der ersten Mutanten, die Perry Rhodan zu Beginn der Dritten Macht im frisch gegründeten Mutantenkorps um sich geschart hatte. Ich sehe meinem Vorfahren sogar ähnlich, nur dass ich blaue Augen habe.
Ich freue mich auf zu Hause, auch wenn es dort nicht mehr so ist wie früher. Rund 500 Jahre haben wir verloren, nachdem wir zu unserem eigenen Erstaunen unseren Einsatz auf Wanderer überlebt hatten und entgegen aller Erwartungen in die Milchstraße zurückkehren konnten. Der Weltenbrand war gelöscht worden, aber dafür waren andere Katastrophen eingetreten.
Terra und Luna galten nur noch als Mythos, das Solsystem war von den Cairanern abgeriegelt, Datensintflut und Posizid hatten dafür gesorgt, dass die Historie praktisch ausgelöscht war. Und dazu Hunderttausende technische Entwicklungen und Patente, Medikamente und so vieles mehr – verloren.
Ich weiß, ich wiederhole mich. Natürlich habe ich das schon mehrfach notiert – vor allem in Berichten an offizieller Stelle –, doch ich möchte es vor allem mir selbst mal wieder in Erinnerung rufen. Und eine Zwischenzusammenfassung für mich privat bringen, da ich das Tagebuch in letzter Zeit sträflich vernachlässigt habe.
Sind wir inzwischen damit fertiggeworden, fast fünfhundert Jahre später in einer fremden Welt herauszukommen, in der mittlerweile ein außergalaktisches Volk nunmehr das Sagen hat? Die Cairaner sprechen von Frieden und sorgen für seine Einhaltung mit Gewalt und Unterdrückung.
Nicht alle von uns haben den Schock schon vollständig verarbeitet. Es ist eine Sache, sich für immer zu verabschieden, weil man glaubt, nicht zu überleben. Das hat so etwas wie Heldenstatus – »ich opfere mich für dich und alle anderen.« Aber überleben und Jahrhunderte später in eine Zeit zurückzukehren, in der niemand mehr lebt, den man einst kannte, und wo der gesamte Heimatplanet verschollen ist – das ist etwas ganz anderes. Das ist eine extreme Situation für die Psyche, die man nicht nach ein paar Tagen bewältigt hat. Und auch nicht nach ein paar Monaten oder eineinhalb Jahren, in denen man aufgrund der Anforderungen kaum zum Durchatmen gekommen ist.
Die Unsterblichen mögen damit zurechtkommen, sie sind es ja nicht anders gewohnt, um es salopp zu sagen. Sie haben im Verlauf der mehr als 3000 Jahre währenden terranischen Geschichte seit Beginn der Dritten Macht schon Millionen Jahre irgendwo festgesteckt und immer wieder Jahre oder Jahrhunderte verloren. Doch bei uns Normalsterblichen ist das etwas anderes.
Selbstverständlich sind wir alle Profis, und daher haben es nicht wenige gut weggesteckt. Die anderen tun so, als ob.
Gerade deswegen ist es für uns so eminent wichtig, hoffen zu dürfen, dass Perry Rhodan es mit der TESS QUMISHA durch die Zerozone geschafft hat, und dass er einen Weg findet, Terra und Luna nicht nur zu finden, sondern auch zurückzubringen.
Das wäre ein gewaltiger moralischer Schub, wenigstens nicht der Heimat vollständig verlustig gegangen zu sein.
*
Die Tschubai-Chroniken, Fortsetzung.
Die Rückreise von Ancaisin mit der Zwischenstation NGC 1169 gibt uns immerhin ein wenig Gelegenheit, durchzuatmen. Und ich habe Zeit, die Aufzeichnungen auf den neuesten Stand zu bringen.
Wir haben in der Heimatgalaxis der Cairaner, Ancaisin, die Superintelligenz VECU aus dem Abyssalen Verlies befreit, aber Synn Phertosh, Advokat der Kandidatin Phaatom, wollte die Völker Ancaisins auf uns hetzen und unseren Raumer samt Inhalt in Milliarden Teile zerschießen. Im Prinzip alles wie immer, selbst 270 Millionen Lichtjahre von der Milchstraße entfernt.
Damit nicht genug! Die VECU dankte uns ihre Befreiung schlecht, indem sie uns samt Schiff gefangen nahm. Es ist immer eine miese Lektion, wenn derjenige, dem man hilft, einem genau dann in den Rücken fällt, wenn man schon genug andere Probleme am Hals hat. Hindert uns das in Zukunft? Nein, natürlich nicht. Vertrauen ist Perry Rhodans herausragende Eigenschaft, und wer mit ihm unterwegs ist, muss das auch haben, sonst wird das nichts.
Immerhin kam dann doch verspäteter Dank, als wir der VECU trotzdem halfen, wiedergeboren zu werden. Sie ließ uns frei, sodass wir die Heimreise antreten konnten.
Also, wenn mich jemand fragt: Mit Superintelligenzen will ich in Zukunft so wenig wie möglich zu tun haben.
Ich weiß. Kaum möglich, sollte Perry Rhodan zurückkehren, wieder Expeditionsleiter sein und ich an Bord bleiben. Trotzdem habe ich vorerst genug von diesen Wesen.
Ein direkter Heimflug war allerdings nicht möglich, da wir unterwegs das Hüllensalkrit durch Sonnenzapfung aufladen mussten, und NGC 1169 bot sich dafür an.
Dort gerieten wir in den nächsten Schlamassel, diesmal nicht von außen, sondern von innen verursacht: Icho Tolot, unser derzeitiger Expeditionsleiter, geriet in Drangwäsche. Private Anmerkung: Die hätte er doch gegenüber der VECU ausleben können!
Daher flog Tolot aufs Geratewohl los, zusammen mit Onker Dou, dem Posbi Gustav und dem Zain-Konstrukt Annba, im Robotkreuzer MINERVA-12 – und geriet mitten in einen Krieg.
Während wir an Bord der RAS TSCHUBAI auf das Ende der Sonnenzapfung warteten, stürzte sich Tolot zusammen mit dem Epsaler Onker Dou in eine Auseinandersetzung kriegswütiger Pseudo-Blues gegen Pseudo-Villanova-Terraner, auf Kosten der vogelähnlichen Spavnos. Die Cairaner hatten in NGC 1169 Klon-Experimente ins Leben gesetzt, über die ein Niemands-Konsul auf seiner Ägidenwelt herrschte.
Im Zuge des Aufstands der Villanova-Terraner kam der Cairaner ums Leben, und die politische Lage wurde neu aufgestellt. Das Zain-Konstrukt Annba blieb auf der Ägidenwelt zurück, um als Mentor für die Villanova-Terraner da zu sein und bei dem Wagnis »Unabhängigkeit« zu helfen.
Jedenfalls: Unser halutischer aktueller Expeditionsleiter ist wieder in alter Form zurückgekehrt. Und jetzt setzen wir die Reise fort.
*
Die Tschubai-Chroniken, Fortsetzung.
Ich habe ein wenig Angst, was wir bei unserer Ankunft vorfinden werden. Es mögen diesmal zwar keine 500 Jahre verloren sein, aber wir waren sehr, sehr weit fort und wissen nichts über die aktuellen Vorgänge.
Und Perry Rhodan, unser eigentlicher Expeditionsleiter, ist noch weiter fort. Möglicherweise ohne Wiederkehr. In seinem grenzenlosen Optimismus, dessen bin ich sicher, ging er nicht nur davon aus, Terra und Luna zu finden, sondern auch zurückzubringen. Damit endlich alles wieder da ist, wo es hingehört. Jeder an seinem Platz.
Ob auch NATHAN als Bestandteil des Mondes zurückkehren wird? Als Medienwart habe ich ein Faible für dieses faszinierende Konstrukt auf Luna. NATHAN ist bisher mit allem fertiggeworden und hat über seine Menschheit gewacht. Ich wünsche mir und uns allen, dass NATHAN den Transfer überstanden hat. Und den Rücktransfer ebenso überstehen wird. Wie alle anderen, die jetzt auf Terra und Luna leben werden.
Nun klinge ich schon genauso optimistisch wie Perry Rhodan. Es ist seltsam, aber ich befinde mich tatsächlich in Aufbruchstimmung. In angespannter Erwartung. Vielleicht sind sie sogar schon zurück, bis wir eintreffen? Ich halte seit Antritt meines Dienstes auf diesem Riesenschiff alles für möglich.
Wen werden wir auf der Erde antreffen? Nachkommen der Terraner, die versetzt