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Das sechste Gebot. Max GeißlerЧитать онлайн книгу.

Das sechste Gebot - Max Geißler


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trat Teresina mit einem Glaskruge frischen Wassers in das Haus, über den sich die Kälte des Bergbrunnens als ein Hauch von mattem Silber gelegt hatte.

      „Teresina Margiotta,“ schrie Nina Zeni und nahm der Frau den Krug aus der Hand, „lauf, Teresina, und bringe Gläser. Was meinst du, Teresina, hältst du es für möglich, dass die Prisca die Gläser staubig auf dem Brette stehen hat? Und heute! Und die flinke, saubere Prisca!“

      Die schöne Frau des Geierjägers hatte die Nachbarin längst durchschaut. Was dachte diese Nina denn eigentlich? Sollte sie — Teresina Margiotta — der paar Lire wegen diesen hergelaufenen Fremden dienen? Wenn Nina Zeni Lust dazu hatte — nun gut. Aber sie, die Frau des Geierjägers! Frau Nina war in ihrer Armut und Geldgier komisch.

      Immer noch gehorsam, nun aber mit einem unzweideutigen Lachen, wandte sich Teresina Margiotta auch diesmal, während Frau Nina mit Ungeduld auf die Antwort der Deutschen wartete. Dabei horchte sie immer hinaus, ob die flinke, schöne Teresina etwa schon wieder auf dem Wege sei. O, wenn die wüsste, wie unerschöpflich viel Geld diese Fremden haben, sie würde nie zugeben, dass die beiden in dem armen, kleinen Hause der Nina Zeni eine Stube mieten.

      3.

      Während Nina die Fremden in das geräumige Zimmer geleitete, das um so geräumiger schien, als es ausser den zwei Betten nur die allernötigsten Dinge enthielt, sagte sie: „Es soll Ihnen gefallen im Hause der Nina Zeni! Wenn nur erst die Prisca aus der Vigna von den Bergen zurück sein wird! Heute abend kommt sie; sie soll nun auch nicht mehr fortgehen, sondern soll immer lauschen, ob die Herrschaften einen Wunsch haben. O, es wird Ihnen gefallen in Santa Croce!“

      Dabei horchte sie hinaus und tat so, als könne Prisca jeden Augenblick von der Arbeit heimkehren und auf die Wünsche der Fremden warten.

      „Prisca! Prisca!“ rief sie in ihrer beweglichen Hast einmal in die schmale Gasse hinauf und wusste doch, Prisca Zeni war heute weiter denn eine Wegstunde entfernt, und Prisca ahnte gar nicht, welche Geschäftigkeit die gute, dicke Nina daheim überkommen hatte.

      Überdem dachte Nina auch daran, dass ihre dürftige Kleidung, die lediglich in Rücksicht auf die sengende Sonnenglut gewählt worden war, die Fremden in Verwunderung setzen könne. Sie warf sich deshalb ein schwarzes Spitzentuch über die Schultern und verengerte mit einem leisen Seufzer den Bund des Rockes über den Hüften. Dann lehnte sie die grünen Läden an, sorgte für ein Handtuch und ging hinaus.

      Als sie wieder in der Haustüre stand und hinübersah, wo Teresina Margiotta nun doch neugierig am Fenster erscheinen musste, strahlte Nina Zeni in stolzem Glück.

      Diesen Tag ihres Lebens hielt sie für wichtiger als jenen, an dem man ihr einst ihren lieben toten Antonio mit blutiger Stirne aus den Bergen von Santa Croce herabgetragen hatte; denn heute hatte ihre Klugheit die Schönheit Teresina Margiottas besiegt — bildete sie sich ein. Was als unmöglich galt — der dicken, verschlagenen Nina Zeni war es gelungen!

      Und Teresina Margiotta erschien nach einer Weile wirklich am Fenster bei dem Torbogen, in dem die Wildfeige wurzelte, und — putzte Pfannen.

      Über diese Gleichgültigkeit ärgerte sich Nina, tat noch hochmütiger und rief hinüber: „Na, Teresina Margiotta, was sagst du nun?“

      „Was soll ich dir sagen?“

      „Teresina Margiotta, wir werden nun nicht mehr arbeiten und werden nicht mehr hungern müssen, wie die armen Leute in Santa Croce! Und Prisca wird schöne Kleider tragen, Teresina, und ...“

      Teresina Margiotta hatte wieder das heimliche Lachen, an dem sich Nina das Herz vergiftete.

      Sonst antwortete sie auf dieses niederträchtige Lachen mit argen Worten. Aber diesmal schwieg sie. Ihre Seele war feierlich wie eine Kirche, und jede Hoffnung brannte darin als ein Licht.

      Warum sollte sie aber der Frau des Jägers verraten, welcher Art die tausend Hoffnungen waren, die das schillernde Glück der Stunde in seinen Händen hielt, das nun auf einmal über Frau Nina gekommen war?

      Immer weiter spannen sich ihre Gedanken und woben die dicke, glückliche Nina ein in ein strahlendes Netz ... ‚O, Prisca, die fleissige, fromme Prisca soll nun schön sein und sie wird unter der Pflege Ninas am Ende fast so schön werden wie Teresina Margiottas goldhaariges Kind, die zwölfjährige Leonetta?‘ schmeichelte sich die törichte Alte.

      Über diesem Gedanken, der Nina fast trunken machte — denn sie sann ihn zu einem köstlichen Ende —, legte sie die Hände an die Schläfen und legte die Hände auf das stürmische, glückselige Herz. O, jetzt wollte sie Teresina Margiotta, der stolzen, schönen, der eitlen, bewunderten Teresina heimzahlen, was die ihr die langen Jahre her angetan hatte!

      Alles war besser und schöner drüben im Hause des Geierjägers.

      Frau Nina Zeni hatte Teresina Margiottas Stolz die Jahre her schweigend, wenn auch nicht ohne Bitterkeit getragen. Ein einziges Mal hatte sie der Nachbarin keifend gegenübergestanden und hatte die Blitze ihrer Augen drohend gegen die schöne Frau geworfen:

      „Teresina Margiotta, was bildest du dir eigentlich ein? Weisst du, ob sie dir deinen Jäger an diesem Tage tot von den Bergen bringen? Weisst du, ob dein Kind, das um die Blumen der Felsen flattert wie ein Schmetterling und das zwischen den Zacken des Gesteins dahinhuscht wie eine Lazerte, weisst du, ob die goldhaarige Leonetta nicht eines Tages abgestürzt und zerschmettert am Wege liegt? O, Teresina Margiotta, du bist jung und stolz, du bist eitel und hochmütig! Fürchte den Zorn der Heiligen, Teresina Margiotta!“

      So hatte Nina Zeni damals in ihrem Zorne zu ihr gesprochen.

      Aber Teresina hatte sich gewendet und war in ihren feuerroten Pantoffeln trällernd die Gasse hinabgeschritten. Da hatte Nina Zeni zitternd in der Tür ihres Hauses gestanden und sich geärgert, dass die Nägel ihrer Finger sich tief in ihre fetten Hände gruben.

      Nun aber war dieses Heute mit seinem unverhofften Glück gekommen! Dieser Tag, der vor ihr stand wie ein Gesandter der Muttergottes und zu ihr sprach: „Halte deine Schürze auf, Nina Zeni von Sonnino; ich will dir das Geld dieser Fremden hineinwerfen — Goldstücke, soviel der Himmel Sterne hat!“

      ‚So, Teresina Margiotta, jetzt rechnen wir ab! Jetzt gib acht, du dumme, eitle Teresina?‘ frohlockte sie in wachsendem Übermute.

      In Frau Nina Zeni hatte dieser Tag eine Hoffnung lebendig gemacht, die selbst den Träumen ihrer wonnigsten Siesta bisher zu kühn gewesen war.

      Darüber vergass sie ihre eigene heisse Sehnsucht, einen Mann zu besitzen, der ihre behäbige Üppigkeit schön fände und für sie arbeite und Geld verdiene — nein, sie vergass dieses sehnende Verlangen nicht ganz. Aber sie war plötzlich und in wundersamer Wandlung geneigt, es ihrer lieben klugen Prisca willen in stummer Ergebung zu tragen, bis der Heilige von Padua oder die Himmelsmutter selber im Traum ihr einen Weg zu diesem fernen, fernen Glücke weisen würden. Oder bis sonst etwas geschähe; denn jetzt wollte Nina Zeni kämpfen — kämpfen mit Teresina Margiotta um das Glück ihres Lebens. Und die kugelrunde Nina wollte siegen!

      4.

      Wie die Abendglocke auf dem Turme des Bergkirchleins verklungen war, sass Nina Zeni mit den neuen Bewohnern ihres Hauses unter der breitblätterigen Feige und den blühenden Oleandern. Sie sassen in dem Höfchen zwischen den hohen, grauen Mauern hinter dem Hause.

      Nina hatte mit Augen und Armen zu reden, um sich ihren neuen Freunden verständlich zu machen. Sie beschwor die beiden, dass die fleissige, kluge Prisca schon Sorge tragen werde, sie in wenigen Wochen so vortrefflich Italienisch zu lehren, dass sie sich hernach mit ihr unterhalten könnten wie die Leute von Santa Croce.

      Ob sie für lange Zeit hier wohnen wollten?

      „Ja.“

      Ob der Signore ein Maler sei, da sein Aussehen darauf hindeutete?

      „Ein Maler nicht, aber ein Schriftsteller.“

      O! Übrigens könne der schwarzhaarige Herr für einen Italiener gehalten werden. Und die Signora mit dem seidenen,


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