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Die Traumdeutung. Sigmund FreudЧитать онлайн книгу.

Die Traumdeutung - Sigmund Freud


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einen einzigen Weg weiter zu verfolgen. Wir haben erfahren, daß der Traum einen Wunsch als erfüllt darstellt. Unser nächstes Interesse soll es sein, zu erkunden, ob dies ein allgemeiner Charakter des Traumes ist oder nur der zufällige Inhalt jenes Traumes (»von Irmas Injektion«), mit dem unsere Analyse begonnen hat, denn selbst wenn wir uns darauf gefaßt machen, daß jeder Traum einen Sinn und psychischen Wert hat, müssen wir noch die Möglichkeit offen lassen, daß dieser Sinn nicht in jedem Traume der nämliche sei. Unser erster Traum war eine Wunscherfüllung; ein anderer stellt sich vielleicht als eine erfüllte Befürchtung heraus; ein dritter mag eine Reflexion zum Inhalt haben, ein vierter einfach eine Erinnerung reproduzieren. Gibt es also noch andere Wunschträume oder gibt es vielleicht nichts anderes als Wunschträume?

      Bequemlichkeitsträume.

      Es ist leicht zu zeigen, daß die Träume häufig den Charakter der Wunscherfüllung unverhüllt erkennen lassen, so daß man sich wundern mag, warum die Sprache der Träume nicht schon längst ein Verständnis gefunden hat. Da ist z. B. ein Traum, den ich mir beliebig oft, gleichsam experimentell, erzeugen kann. Wenn ich am Abend Sardellen, Oliven oder sonst stark gesalzene Speisen nehme, bekomme ich in der Nacht Durst, der mich weckt. Dem Erwachen geht aber ein Traum voraus, der jedesmal den gleichen Inhalt hat, nämlich daß ich trinke. Ich schlürfe Wasser in vollen Zügen, es schmeckt mir so köstlich, wie nur ein kühler Trunk schmecken kann, wenn man verschmachtet ist, und dann erwache ich und muß wirklich trinken. Der Anlaß dieses einfachen Traumes ist der Durst, den ich ja beim Erwachen verspüre. Aus dieser Empfindung geht der Wunsch hervor zu trinken, und diesen Wunsch zeigt mir der Traum erfüllt. Er dient dabei einer Funktion, die ich bald errate. Ich bin ein guter Schläfer, nicht gewöhnt, durch ein Bedürfnis geweckt zu werden. Wenn es mir gelingt, meinen Durst durch den Traum, daß ich trinke, zu beschwichtigen, so brauche ich nicht aufzuwachen, um ihn zu befriedigen. Es ist also ein Bequemlichkeitstraum. Das Träumen setzt sich an Stelle des Handelns wie auch sonst im Leben. Leider ist das Bedürfnis nach Wasser, um den Durst zu löschen, nicht mit einem Traume zu befriedigen wie mein Rachedurst gegen Freund Otto und Dr. M., aber der gute Wille ist der gleiche. Derselbe Traum hat sich unlängst einigermaßen modifiziert. Da bekam ich schon vor dem Einschlafen Durst und trank das Wasserglas leer, das auf dem Kästchen neben meinem Bette stand. Einige Stunden später kam in der Nacht ein neuer Durstanfall, der seine Unbequemlichkeiten im Gefolge hatte. Um mir Wasser zu verschaffen, hätte ich aufstehen und mir das Glas holen müssen, welches auf dem Nachtkästchen meiner Frau stand. Ich träumte also zweckentsprechend, daß meine Frau mir aus einem Gefäße zu trinken gibt; dies Gefäß war ein etruskischer Aschenkrug, den ich mir von einer italienischen Reise heimgebracht und seither verschenkt hatte. Das Wasser in ihm schmeckte aber so salzig (von der Asche offenbar), daß ich erwachen mußte. Man merkt, wie bequem der Traum es einzurichten versteht; da Wunscherfüllung seine einzige Absicht ist, darf er vollkommen egoistisch sein. Liebe zur Bequemlichkeit ist mit Rücksicht auf andere wirklich nicht vereinbar. Die Einmengung des Aschenkruges ist wahrscheinlich wieder eine Wunscherfüllung; es tut mir leid, daß ich dies Gefäß nicht mehr besitze, wie übrigens auch das Wasserglas auf Seiten meiner Frau mir nicht zugänglich ist. Der Aschenkrug paßt sich auch der nun stärker gewordenen Sensation des salzigen Geschmackes an, von der ich weiß, daß sie mich zum Erwachen zwingen wird(39).

      Solche Bequemlichkeitsträume waren bei mir in juvenilen Jahren sehr häufig. Von jeher gewöhnt, bis tief in die Nacht zu arbeiten, war mir das zeitige Erwachen immer eine Schwierigkeit. Ich pflegte dann zu träumen, daß ich außer Bett bin und beim Waschtische stehe. Nach einer Weile konnte ich mich der Einsicht nicht verschließen, daß ich noch nicht aufgestanden bin, hatte aber doch dazwischen eine Weile geschlafen. Denselben Trägheitstraum in besonders witziger Form kenne ich von einem jungen Kollegen, der meine Schlafneigung zu teilen scheint. Die Zimmerfrau, bei der er in der Nähe des Spitals wohnte, hatte den strengen Auftrag, ihn jeden Morgen rechtzeitig zu wecken, aber auch ihre liebe Not, wenn sie den Auftrag ausführen wollte. Eines Morgens war der Schlaf besonders süß. Die Frau rief ins Zimmer: Herr Pepi, stehen’s auf, Sie müssen ins Spital. Daraufhin träumte der Schläfer ein Zimmer im Spital, ein Bett, in dem er lag, und eine Kopftafel, auf der zu lesen stand: Pepi H. . . ., cand. med., 22 Jahre. Er sagte sich träumend: Wenn ich also schon im Spital bin, brauche ich nicht erst hineinzugehen, wendete sich um und schlief weiter. Er hatte sich dabei das Motiv seines Träumens unverhohlen eingestanden.

      Wunschträume.

      Ein anderer Traum, dessen Reiz gleichfalls während des Schlafes selbst einwirkt: Eine meiner Patientinnen, die sich einer ungünstig verlaufenen Kieferoperation hatte unterziehen müssen, sollte nach dem Wunsche der Ärzte Tag und Nacht einen Kühlapparat auf der kranken Wange tragen. Sie pflegte ihn aber wegzuschleudern, sobald sie eingeschlafen war. Eines Tages bat man mich, ihr darüber Vorwürfe zu machen; sie hatte den Apparat wiederum auf den Boden geworfen. Die Kranke verantwortete sich: »Diesmal kann ich wirklich nichts dafür; es war die Folge eines Traumes, den ich bei Nacht gehabt. Ich war im Traume in einer Loge in der Oper und interessierte mich lebhaft für die Vorstellung. Im Sanatorium aber lag der Herr Karl Meyer und jammerte fürchterlich vor Kopfschmerzen. Ich habe mir gesagt, da ich die Schmerzen nicht habe, brauche ich auch den Apparat nicht; darum habe ich ihn weggeworfen.« Dieser Traum der armen Dulderin klingt wie die Darstellung einer Redensart, die sich einem in unangenehmen Lagen über die Lippen drängt: Ich wüßte mir wirklich ein besseres Vergnügen. Der Traum zeigt dieses bessere Vergnügen. Herr Karl Meyer, dem die Träumerin ihre Schmerzen zuschob, war der indifferenteste junge Mann ihrer Bekanntschaft, an den sie sich erinnern konnte.

      Nicht schwieriger ist es, die Wunscherfüllung in einigen anderen Träumen aufzudecken, die ich von Gesunden gesammelt habe. Ein Freund, der meine Traumtheorie kennt und sie seiner Frau mitgeteilt hat, sagt mir eines Tages: »Ich soll dir von meiner Frau erzählen, daß sie gestern geträumt hat, sie hätte die Periode bekommen. Du wirst wissen, was das bedeutet.« Freilich weiß ich’s; wenn die junge Frau geträumt hat, daß sie die Periode hat, so ist die Periode ausgeblieben. Ich kann mir’s denken, daß sie gern noch einige Zeit ihre Freiheit genossen hätte, ehe die Beschwerden der Mütterlichkeit beginnen. Es war eine geschickte Art, die Anzeige von ihrer ersten Gravidität zu machen. Ein anderer Freund schreibt, seine Frau habe unlängst geträumt, daß sie an ihrer Hemdenbrust Milchflecken bemerke. Dies ist auch eine Graviditätsanzeige, aber nicht mehr vom ersten Mal; die junge Mutter wünscht sich, für das zweite Kind mehr Nahrung zu haben als seinerzeit fürs erste.

      Eine junge Frau, die Wochen hindurch bei der Pflege ihres infektiös erkrankten Kindes vom Verkehre abgeschnitten war, träumt nach glücklicher Beendigung der Krankheit von einer Gesellschaft, in der sich A. Daudet, Bourget, M. Prévost u. a. befinden, die sämtlich sehr liebenswürdig gegen sie sind und sie vortrefflich amüsieren. Die betreffenden Autoren tragen auch im Traume die Züge, welche ihnen ihre Bilder geben; M. Prévost, von dem sie ein Bild nicht kennt, sieht dem – Desinfektionsmanne gleich, der am Tage vorher die Krankenzimmer gereinigt und sie als erster Besucher nach langer Zeit betreten hatte. Man meint, den Traum lückenlos übersetzen zu können: Jetzt wäre es einmal Zeit für etwas Amüsanteres als diese ewigen Krankenpflegen.

      Vielleicht wird diese Auslese genügen, um zu erweisen, daß man sehr häufig und unter den mannigfaltigsten Bedingungen Träume findet, die sich nur als Wunscherfüllungen verstehen lassen, und die ihren Inhalt unverhüllt zur Schau tragen. Es sind dies zumeist kurze und einfache Träume, die von den verworrenen und überreichen Traumkompositionen, welche wesentlich die Aufmerksamkeit der Autoren auf sich gezogen haben, wohltuend abstechen. Es verlohnt sich aber, bei diesen einfachen Träumen noch zu verweilen. Die allereinfachsten Formen von Träumen darf man wohl bei Kindern erwarten, deren psychische Leistungen sicherlich minder kompliziert sind als die Erwachsener. Die Kinderpsychologie ist nach meiner Meinung dazu berufen, für die Psychologie der Erwachsenen ähnliche Dienste zu leisten wie die Untersuchung des Baues oder der Entwicklung niederer Tiere für die Erforschung der Struktur der höchsten Tierklassen. Es sind bis jetzt wenig zielbewußte Schritte geschehen, die Psychologie der Kinder zu solchem Zwecke auszunutzen.

      Die Träume der kleinen Kinder sind häufig simple Wunscherfüllungen und dann im Gegensatze zu den Träumen Erwachsener gar nicht interessant. Sie geben keine Rätsel zu lösen, sind aber natürlich unschätzbar für den Beweis, daß der Traum seinem innersten Wesen nach eine


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