G.F. Barner Staffel 6 – Western. G.F. BarnerЧитать онлайн книгу.
was er fühlen wird, der großmäulige Narr Howard Vance? Ich kann es dir sagen, Lane: Angst, fürchterliche Angst. Für ihn ist Kilburn nicht Sicherheit genug, er braucht ein Dutzend Männer, wenn er sich sicher fühlen will. Die findet er hier. Das glaubt er, bis er hier ist. Sie sind alle zur Weide hinaus, genau wie ich es mir ausgerechnet hatte.« Er wird mit Kilburn allein sein, ganz allein.
Er hat es sich ausgerechnet, denkt Lane entsetzt. Der hat das alles geplant? Er ist mit dem Teufel im Bunde, nicht zu fassen. So mußte es kommen, wenn etwas auf der Weide passierte. So, und nicht anders. Alle reiten hin, und er greift sich Howard Vance. Jetzt müßte man weglaufen können und nie mehr wiederkommen brauchen. Cole und Dexter sind tot. Vielleicht hängen sie mich auf.
Er schlottert am ganzen Leib vor Furcht, als er den harten Hufschlag hört.
Zwei Pferde, das hört er genau.
»Paß auf!« zischelt dieser unheimliche Mister neben ihm. »Da sind sie schon, wetten? Jetzt stehen wir auf, mein Freund. Du gehst neben mir her, an meiner linken Seite, Mister! Wir brauchen ja nur um das Holz hier zu gehen, nur zehn kleine Schritte, Lane, du Ratte. Dann darfst du reden, verstanden? Machst du dein Maul eher auf, als ich es dir erlaube, dann passiert dir was, ich schwöre es dir. Sieh mal, der Vorbau liegt im Laternenschein. Dorthin reiten sie gleich, mitten ins Licht. Komm, Lane, aufstehen! Und jetzt gehen!«
Der dumpfe Hufschlag wird lauter. Die beiden Reiter kommen unter dem Balkengerüst her in den Hof.
»Geh!« sagt Ray Thayer und hat den Colt in Lanes Rücken. »Geh und sei still.«
Er hält ihn mit der linken Hand am Kragen und schiebt ihn vor sich her.
Die beiden Reiter sind jetzt im Hof.
Links Kilburn, rechts Howard Vance. So halten sie am Vorbau. Und dann erst sehen sie den alten Mann auf der Bank.
*
Howard Vance und Kilburn werfen sich erstaunte Blicke zu. Mitternacht ist längst vorbei, der Morgen graut bald. Und Big Jim sitzt draußen in der kalten Nacht.
»Was – was machst du hier?« fragt Howard stockend. »Warum bist du nicht…«
»Die Herde«, antwortet der alte Mann müde. Ihn fröstelt etwas. Seine linke, kaum bewegliche Hand zittert zum Stock. »Die Herde ist von Nats Südweide ins Niemandsland gelaufen. Stampede, Howard.«
»Was ist?« Howard wird kreidebleich. »Und die Männer?«
»Sie sind alle fort, auch Flint, der Koch«, erwidert der Alte verbittert. »Ich bin allein, mein Sohn. Warum seht ihr euch so an? Ihr kommt schnell wieder, wie? Wart ihr gar nicht in der Stadt?«
»Keiner da«, keucht Howard Vance, und mit einemmal wird er von der Angst beschlichen. »Alle auf der Weide? Und die Lanes, wo sind die, Dad?«
In diesem Moment stöhnt jemand ganz hinten. Dann gibt es einen dumpfen Fall und einen schrillen Schrei.
»Einer ist hier«, sagt der Mann im Schatten fauchend. »Und ich habe ihn gebracht, ihr Mörder.«
Er steht dort hinten noch im Schatten des Schuppendaches und hat die Beine leicht gespreizt.
»Ray Thayer!« stößt Howard Vance hervor und bemerkt, wie Kilburn aus dem Sattel rutscht, wegtaucht, den Revolver herausreißt. »Kilburn, schieß!«
Er schießt nach dem Aufsetzen und unter dem Leib des Pferdes her. Deutlich sieht Kilburn, wie der Mann hinten jetzt erst zieht und seinen Standpunkt um keinen Zoll verändert. Brüllend hallt der Knall des Schusses über den Ranchhof. Dann springt das Pferd an, drängt zur Seite und gibt die Sicht auf Kilburn frei.
Getroffen, denkt Kilburn, ich habe ihn getroffen. Er hat gezuckt, gleich fällt er um.
Er fällt nicht um. Er bleibt wie ein Baum, den nur ein Axthieb getroffen hat, nach einer kurzen Erschütterung stehen.
»Für Nat Thayer«, zischelt der Sohn voller Gilt und Galle, als er abdrückt. »Da hast du es, Mörder.«
Der Revolver brüllt auf. Und dann trifft die Kugel Kilburn mitten in die Brust. Sie schleudert den geduckt stehenden Revolvermann einen vollen Schritt zurück. Kilburn krümmt sich immer mehr zusammen, dreht sich. Aus seinem Revolver schießen drei, vier Feuerblitze auf den Boden zu. Dann fällt er um, genau am Rand des Vorbaues.
»Mörder«, sagt Ray Thayer noch einmal fauchend, und sein Revolver schwenkt, der Lauf zeigt jetzt mitten auf Howard Vances Brust. »Nicht bewegen, Howard, sonst drücke ich ab! Sitz still, du Halunke, oder ich blase dich vom Pferd und Big Jim vor die Füße.«
Kilburn, denkt Vance verstört und begreift es immer noch nicht. Kilburn hatte doch die Deckung durch das Pferd, er hat zuerst gefeuert. Und doch liegt er am Boden, den Colt hat er verloren. Kilburn ist tot, niemand ist hier. Jetzt bringt er mich um, er bringt mich um.
Howard Vance sitzt wie erstarrt auf seinem Pferd, wagt keine Bewegung.
»Lane!«
»Ja«, wimmert der Mann, der klein wie ein Schatten am Boden liegt. »Nicht schießen, Thayer, ich sage alles!«
Was, denkt Howard Vance, Lane redet? Das ist ja Lemmy Lane. Und dann…
»Kilburn hat Nat Thayer erschossen«, ruft Lane schrill über den Hof. »Mister Vance, Kilburn hat es getan. Ihr Sohn war dabei, Mister Vance, und noch zwei andere. Sie wollten von den Dawes in jener Nacht Rinder stehlen, als der alte Thayer dazukam.«
Nicht reden, denkt Howard Vance voller Furcht und hat das Gefühl, daß ihm alles Blut aus dem Kopf weicht. Nicht reden, Mann.
Aber er spricht, der Mann am Boden, und er sagt noch mehr. Worte hallen über den Hof, begleitet von einem Stöhnen, das vom Vorbau kommt.
»Das – das ist nicht wahr«, sagt der alte Mann stöhnend. Und als er aufstehen will, stößt er gegen seinen Stock, der umfällt, auf die Vorbaudiele poltert. »Howard, du hast den anderen und uns selbst Vieh gestohlen? Du hast – hinter meinem Rücken? Und Nat Thayer, diesen guten Mann, ihr habt ihn…«
Der Sohn des alten Nat geht los. Langsam, den Revolver an der Hüfte. Und er sieht, wie Howards Gesicht leichenblaß wird, wie Howard zwischen dem Alten und ihm hin und her blickt wie ein gehetztes Tier.
»Lüge, Lüge!« stammelt Howard Vance. »Dad, ich schwöre dir…«
»Schweig!« unterbricht ihn der alte Mann.
»Mein Sohn ein Viehdieb, ein Mörder? Mein Sohn.«
»Das ist er«, bestätigt Ray Thayer eisig. »Tut mir leid, Big Jim. Ich hatte nie etwas gegen euch, oder besser: nie etwas gegen dich. Howard, du erbärmlicher Schuft, ich werde dir kein Haar krümmen, du Strolch, obwohl ich dich wegen meines kleinen Bruders mit den bloßen Händen umbringen könnte. Ich will dich vor einer Jury sehen, nur das, du Lump. Du wolltest doch immer so groß sein, größer als dein Vater und jeder andere Mann in diesem Land. Aber du wirst klein sein, du erbärmlicher Feigling, klein und jämmerlich in deiner Angst vor dem Gesetz. Ich wollte dich umbringen wegen Cliff, aber ich tu’s nicht. Deine Strafe soll schlimmer sein als der Tod. Ich komme jetzt, Howard. Und ich werde dich von deinem prächtigen Rappen holen.«
»Nein!« schreit Howard Vance schrill. »Ich… Vor einer Jury? Ich soll ins Jail, ich? Dort bekommst du mich nie hin, du nicht. Ich werde euch alle…«
Jäh schlägt er die Hacken an und jagt los. Ray wird nicht schießen, nicht auf ihn. Er will ihn ja lebend haben. Also, nur weg.
»Was?« sagt der alte Mann und sitzt wie zu Stein erstarrt auf der Bank vor dem Haus. »Er läuft weg, er flieht, der Feigling? Daß er auch das noch tun muß, auch das noch, mein Gott.«
»Howard, halt, ich schieße dir den Gaul unter dem Sattel weg!« brüllt Ray ihm nach. »Howard!«
Aber der reitet weiter, er will zwischen Stall und Scheune vom Hof verschwinden.
Noch dreißig Yards, als er den Mann hinter der Scheune hervorhumpeln sieht. Dort hat er gestanden, der Mann, den viele einen