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Toxische Männlichkeit. Sebastian TippeЧитать онлайн книгу.

Toxische Männlichkeit - Sebastian Tippe


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Aspekte. Einer dieser Aspekte besteht in der Abgrenzung: Männlich zu sein bedeutet auf der einen Seite nicht schwach und auf der anderen Seite stark zu sein (vgl. Heimvolkshochschule: Alte Molkerei Frille 1988, S. 65 ff.). Da Weiblichkeit gesellschaftlich als schwach bewertet wird (wir kennen die Formulierung des angeblich starken und schwachen Geschlechts) bedeutet dies für die Jungen, nicht weiblich sein zu dürfen oder so zu wirken. Der französische Soziologe und Sozialphilosoph Pierre Bourdieu (vgl. 1997, S. 215) konstatiert, dass Männlichkeit immer in Abgrenzung gegenüber Frauen und anderen Männern verstanden werden muss, wobei Männer diejenigen sind, die gegenüber Frauen dominieren wollen. Schnerring und Verlan (2014, S. 119) schreiben dazu: „‚Warmduscher‘, ‚Weichei‘, ‚Schwächling‘, ‚Muttersöhnchen‘ – Jungen lernen früh, dass es wichtig ist, sich von dem, was als weiblich gilt, zu distanzieren.“

      Jungen spalten sehr früh grundlegende und wichtige Eigenschaften ab, die heute als vermeintlich weiblich gelten: Fürsorge, Selbstfürsorge, liebevoller Umgang, Empathie sowie ein gesunder Zugang zu den eigenen Gefühlen und der Umgang damit (vgl. Tippe 2019d). Jungen nutzen Bewältigungsstrategien wie Aggressionen und richten sie gegen andere, indem beispielsweise Hilflosigkeit abgespalten und auf andere übertragen wird (Externalisierungsprozesse) – die anderen werden zum Sündenbock gemacht (vgl. Schnerring/Verlan 2014, S. 121, bezugnehmend auf Böhnisch). Jungen verlernen (oder lernen erst gar nicht), „sich zu öffnen und mitzuteilen“ (ebd.). Aus den Erwartungen an die männliche Geschlechterrolle können fehlende Empathiefähigkeit und fehlender Kontakt zu anderen resultieren, sowie Bewältigungsstrategien wie Action, Handeln, Kontrolle und Gewalt als Lösungsstrategie anstelle von emotionalem und kommunikativem Austausch (vgl. ebd.)

      Dieter Baacke (1993, S. 845) schreibt: „[…] und gleichzeitig entsteht eine Furcht des Mannes vor der Verbindung der Frau als einer Fremden, die durch Empfängnis und Gebären unmittelbaren Bezug zur Natur hat. Damit bleiben der Frau die Ursprünge menschlicher Emotionen zugänglich, während der Mann früh lernt, diese zu unterdrücken und die Beschäftigung mit sich selbst und dem eigenen Körper zu vermeiden durch Externalisierung. Der Gebärneid des Mannes gegenüber der Frau wird kompensiert durch Intelligenzleistungen, Rationalität, Veräußerung der spontanen Antriebe in die Organisation gesellschaftlicher Zustände in Form von Machtausübung und Gewalt.“ Böhnisch und Winter (Baacke 1993) konstatieren, dass der Ausdruck von Gefühlen als weiblich eingeordnet wird, was insofern problematisch ist, da Jungen Gefühle unterdrücken und somit nur einen mangelnden Selbstbezug erworben. Es wird daraus resultierend kein gesunder Umgang mit Ablehnung, Frustration oder Misserfolg erlernt. Weitere Komponenten der männlichen Sozialisation bestehen darin, dass Jungen kein Opfer sein dürfen und auch nicht „anders“ sein sollen – zum Beispiel transsexuell oder queer –, dass Jungen nicht hilflos wirken und nicht behindert/beeinträchtigt sein sollen sowie nicht homosexuell sein oder so wirken dürfen (vgl. Mannigfaltig e. V. 2007, S. 49).

      In der pädagogischen Jungenarbeit wird bezüglich männlicher Sozialisation meist auf den Teilaspekt der Abgrenzung zu Weiblichkeit verwiesen. Es wird dabei völlig ausgeblendet, dass es für Jungen und Männer sehr lukrativ ist, in einer patriarchalen Gesellschaft männlich zu sein und männlichen Geschlechterstereotypen zu entsprechen, da sie allein durch das Vorhandensein eines Penis und ihrer männlichen Präsentation Privilegien erhalten, die Frauen verwehrt bleiben.

      Jungen lernen, dass sie über Mädchen und Frauen stehen, aber auch über homosexuellen, transsexuellen, transgender, queeren, nonbinary oder intersexuellen Menschen sowie Menschen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen, vermeintlich Schwachen wie wohnungslosen oder körperlich unterlegenden Menschen etc. und allen, die nicht dem „männlichen Ideal“ entsprechen. Dazu gehören auch die soziale oder regionale Herkunft, das Alter oder das Gewicht. Sie eignen sich an, dass ein „richtiger Mann“ vor allem stark und hart ist, sich nimmt, was er will und immer weitermacht, selbst dann, wenn er eigentlich nicht mehr kann, dass es nicht so wichtig ist, sich um sich selber und die eigenen Bedürfnisse und Gefühle oder die anderer kümmern. Sie wollen unfehlbar, unbesiegbar, aber niemals hilflos oder überfordert, immer der Beste sowie permanent erfolgreich sein und das Sagen haben. Ihnen sollen die Frauen zu Füßen liegen, und sie wollen besonders und überragend sein, die Kontrolle haben und (sexuell) leistungsfähig sowie zeugungsfähig sein.

      Selbst gesetzte Ziele sollen durch einen festen Willen auch unter ungünstigen Bedingungen erreicht werden – dahinter steht die problematische Annahme, dass jeder Mann ein „echter Kerl“ werden kann oder es selber verschuldet hat, wenn er dieses Ziel nicht erreicht (vgl. Meuser 2001, S. 229).

      Der Autor Jens van Tricht (2019, S. 19 f.) stellt geschlechterspezifische, sozial konstruierte Stereotype einander gegenüber:

Männlich Weiblich
hart weich
rational emotional
stark schwach
kompetitiv verbindend
überzeugen verstehen
arbeiten versorgen
penetrieren empfangen
sprechen zuhören
wissen fragen
tun sein
Macht Ohnmacht

      Jungen lernen ihre als unmännlich geltenden Unsicherheiten und Emotionen zu verdrängen und zu ignorieren. Die daraus resultierenden Ambivalenzen sind ein perfekter Nährboden für Gewalt, Wut, Aggressionen und Gewalt gegen sich selbst und gegen andere.

      Jens van Tricht (2019, S. 113 ff.) schlüsselt den Teilaspekt der permanenten sexuellen Bereitschaft von Männern im patriarchalen Geschlechterkontext, bei dem sich mehrere der genannten Aspekte männlicher Sozialisation miteinander verschränken, wie folgt auf: „Der bloße Besitz eines Penis reicht vielen Männern noch nicht. Er muss auch eine Erektion bekommen können. Und mit besagter Erektion müssen Männer schließlich etwas tun. Sex haben, und zwar nicht einfach irgendeinen Sex, sondern Heterosex. Und damit sind wir noch nicht am Ende der Forderungen. Es muss schon richtiger Beischlaf sein, also mit Penetration. Alle anderen Formen des Heterosexes werden doch in erster Linie als ‚Vorspiel‘ für das eine, das richtige, das wirklich Männliche gesehen. Und damit nicht genug, denn auch wenn gevögelt wird, müssen Männer darin eine aktive Rolle spielen. Ein Mann wird nicht gevögelt. Ein Mann vögelt! […] Männlichkeit als Konstrukt, als Performance, als Idee, der wir alle dauernd Gestalt, Inhalt und Bedeutung verleihen, ist eng mit dem gesellschaftlichen Verständnis von (Hetero-)Sexualität verbunden. Männer bekommen, was Frauen und Sex betrifft, eine simple Botschaft mit auf den Weg: Wenn du mit einer Frau zusammen bist, musst du immer Lust haben. Wenn du Lust auf Sex hast, musst du immer einen Steifen bekommen. Wenn du einen Steifen hast, muss immer penetriert werden. Und dafür braucht ein Mann dann – in vielen Fällen – eine Frau. Aber was tun, wenn er zwar Lust auf Sex hat, sie aber nicht? Keine Lust auf Sex zu haben, wird dann zu einem Problem gemacht, da Lust auf Sex zu haben schließlich die (männliche) Norm ist.“

      Dabei steht die männliche Befriedigung im Zentrum, aber nicht die Befriedigung der Frau oder eine gleichberechtigte befriedigende Erfahrung. In den Kapiteln über Männer und Sexualität wird dies weiter vertieft.

      Schnerring und Verlan (2014, S. 119) konstatieren: „Ein Zusammenspiel von Bildern in Werbung und Fernsehprogramm, Spielzeugauswahl, Aufschriften auf T-Shirts, Kommentare beim Essen und vieles mehr halten das


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