Fürstenkrone Box 16 – Adelsroman. Viola MaybachЧитать онлайн книгу.
braunen Augen waren voller Lebensfreude und Wärme, sodass der junge Mann sich betroffen fühlte.
Hätte er einem kalten hochmütigen Mädchen gegenübergestanden, so wäre es ihm vielleicht nicht allzu schwer geworden, dem Wunsch seines Vaters nachzukommen. Aber dieses warmherzige Menschenkind durch eine bewusste Lüge zu seiner Braut zu machen, dagegen bäumte sich alles in ihm auf.
Hier saß er nun und musste um ein Mädchen werben, das seinem Herzen völlig fremd war, das ihm nie etwas bedeuten konnte. Dafür hatte er die Frau, die er bis zum Wahnsinn liebte, aufgeben müssen, und es würde nie mehr ein Glück für sie beide auf dieser Welt geben.
*
Juliane, die lustig drauflosplauderte, hielt betroffen mitten im Sprechen inne und sah erschrocken in das von Leid gezeichnete Gesicht des Mannes.
»Fehlt dir etwas, Holger?«, fragte sie besorgt.
Er rieb sich mit einer schnellen Bewegung über die Augen.
»Nein, nein. Verzeih meine Unaufmerksamkeit, aber mein Kopf schmerzt etwas«, wich er aus.
Mitleidig sahen die braunen Augen ihn an.
»Du Ärmster, soll ich dir etwas gegen deine Schmerzen holen? Mein Paps hat ein sehr gutes Mittel, denn er hat auch immer starke Kopfschmerzen.«
Ehe der Mann ablehnen konnte, war sie schon leichtfüßig aus dem Zimmer geeilt.
Wie abwesend blickte der Mann der biegsamen Gestalt nach. Wie brennende Scham stieg es in ihm auf, als er daran dachte, dass er im Begriff stand, dieses gläubige Vertrauen zu missbrauchen.
Er war aufgestanden und ans Fenster getreten. Mit bitterem Lächeln um den Mund sah er auf den wundervollen Park hinunter und war ehrlich genug, sich einzugestehen, dass Dahmen es verstand, seinem Anwesen einen prachtvollen Rahmen zu verleihen.
Wie reich der Graf sein musste, zeigte jeder Gegenstand, der hier in den Räumen stand. Ohne zu prunken, verrieten die kostbaren Gemälde und prachtvollen Vasen den feinen, künstlerischen Geschmack der Bewohner, aber auch den Reichtum, der hier im Verborgenen blühte.
Graf Dahmen liebte sein einziges Kind über alles. Obwohl er sich mit dem alten Grafen einig war, dass aus ihren Kindern einmal ein Paar würde, hatte er doch die letzte Entscheidung seinem Kind überlassen. Selbst auf die Gefahr hin, sich mit Graf von Osterburg zu verfeinden, war er entschlossen, seine Tochter zu keiner Ehe zu zwingen, die sie nicht selbst eingehen wollte.
Er mochte den jungen Grafen Holger sehr.
Ihre Familien hatten schon immer miteinander verkehrt. Als seine Frau schon tot war, hatte er Graf Eberhard in Berlin getroffen. Wie es nun einmal so geht, wenn zwei alte Freunde sich plötzlich treffen, so trennten auch sie sich spät in der Nacht. Beide waren sie ziemlich bezecht und schworen sich ewige Freundschaft.
In dieser Nacht war denn auch der Plan entstanden, dass aus ihren Kindern ein Paar werden sollte.
Holger zählte damals gerade sechzehn Jahre und besuchte die Schule. Juliane aber war erst zehn und in einem Internat, weil er mit seinem kleinen Wildfang nicht fertig wurde.
Der Adel der Grafen von Dahmen war noch ziemlich jung und lag erst ein Menschenalter zurück, während die Grafen von Osterburg zu dem uralten Hochadel des Landes zählten.
Graf von Dahmen war bestrebt, seiner reizvollen Tochter den Weg nach oben zu bahnen. Eine Einheirat in den uralten Adel würde ihr die Salons der höchsten Gesellschaft öffnen, und sie würde eine der ersten Stellen einnehmen. Aber so weit ging sein Ehrgeiz nicht, dass er dafür das Glück seines einzigen Kindes aufs Spiel gesetzt hätte.
Nun war der junge Graf endlich gekommen, und wie er feststellte, war er als Werber erschienen. Lange genug hatte er sich ja Zeit gelassen.
Na ja, gut Ding will Weile haben. Aber ein wenig hätte er sich ja um Juliane kümmern können. Dass sie sich einmal als Kinder gekannt hatten, war noch lange keine Gewähr dafür, dass sie sich nun auch lieben würden.
Ohne Liebe? Nein, dazu würde seine Tochter niemals ja sagen, das wusste er ganz genau. Aber leid würde es ihm doch tun, wenn aus dieser Verbindung nichts würde.
Er hatte das junge Paar allein gelassen, damit der Mann Gelegenheit fand, seine Werbung vorzubringen. Früher, ja, da sprach man erst mit den Eltern der Auserwählten. Aber heute, da war alles ganz anders. Die Jugend war selbständig geworden, und sie ließen sich den Lebenspartner nicht mehr bestimmen. Sie wählten nach eigenem Gutdünken, und alles, was recht war, sie bewiesen meist dabei einen sehr klaren nüchternen Verstand.
*
Unterdessen stand die junge Komtess Juliane, von allen nur Jane gerufen, in der Küche und kramte eifrig in dem kleinen Arzneischrank herum. Ihre braunen Augen strahlten vor Glück. Die Wangen glühten vor heimlicher Erwartung.
Dass Holger etwas auf dem Herzen hatte, das hatte sie auf den ersten Blick erkannt. Was es war, ahnte sie, denn der Vater hatte oft genug davon gesprochen, was er mit seinem alten Freund geplant hatte, und die junge Juliane hatte seitdem mit klopfendem Herzen an den Mann gedacht, der ihr von ihrem Vater zugedacht war.
Graf Holger war ein faszinierender Mann und von einem bestechenden Äußeren. Kein Wunder, dass ihm das unberührte Herz der jungen Komtess stürmisch zuflog. Besonders, da sie in ihm ihren zukünftigen Gatten sah. Dass er sich so lange Zeit ließ, um seine Werbung vorzubringen, fand sie ganz in Ordnung, denn noch war sie zu jung, um zu heiraten, und sie liebte ihre goldene Freiheit viel zu sehr, um sie schon gegen die Ehefesseln einzutauschen.
Aber nun war er gekommen, und alles in ihr war bereit, sich zu ihm zu bekennen. Ihr Herz flog dem stattlichen Mann mit dem ernsten, finsteren Gesicht entgegen, und ein einziges bittendes Wort aus seinem Mund würde sie in seine Arme treiben…
Endlich hatte sie gefunden, was sie suchte. Sie machte den kleinen Schrank zu, gab der Köchin noch ein paar Anweisungen für das Essen und eilte dann aus der Küche.
Graf Holger stand noch immer am Fenster, als sie eintrat. Er wandte sich ihr langsam zu, und sie erschrak vor seiner düsteren Miene, vor der Not in seinen dunklen Augen, die fast schwarz wirkten.
Mitleidig trat sie auf ihn zu.
»Hast du so große Schmerzen, Holger?« Sie griff nach einem Glas und füllte es mit Wasser.
»Komm, nimm die Tablette, du wirst sehen, es wird dir gleich viel besser werden, Paps nimmt sie auch immer, wenn auch mit Ach und Krach. Aber wenn er auch noch so einen Flunsch zieht, einnehmen muss er sie, da gebe ich nicht nach. Er sagt freilich immer, ich sei eine Tyrannin, aber es erschüttert mich nicht.«
Sie plauderte unbekümmert drauflos, während sie ihm die Tablette reichte und ihn erwartungsvoll ansah.
Er zwang ein kärgliches Lächeln um seinen Mund.
»Du meinst es gewiss sehr gut, Juliane, aber«, er zögerte einen Augenblick, dann fuhr er entschlossen fort, indem er ihr das Glas aus der Hand nahm und auf den Tisch zurückstellte: »Es hat keinen Zweck, Juliane. Was mich bedrückt, kann man mit einer Tablette nicht aus der Welt schaffen, es sitzt tiefer, viel tiefer.«
Seine Stimme war rau. Ein harter Zug hatte sich um seinen Mund gegraben.
Verwundert sahen die braunen Augen ihn an. Es lag Unverständnis in diesem Blick.
»Aber«, begann sie, kam aber nicht weiter, da er eine bittende Bewegung machte.
»Juliane, du weißt, weshalb ich heute gekommen bin.« Er holte Luft, ehe er leidenschaftslos fortfuhr: »Man hat es uns ja schon sehr zeitig beigebracht, was man von uns erwartet. Oder sollte es dir bisher unbekannt geblieben sein?«
Sie schüttelte den Kopf und sah ihn nachdenklich an. Etwas an ihm störte sie plötzlich, machte sie unsicher und ließ ein jagendes, dumpfes Gefühl in ihr aufsteigen. Aber im gleichen Moment hatte sie es schon wieder überwunden und lachte leise. Vergnügt nickte sie ihm zu.
»Aber nein, Holger. Vater hat mir gegenüber nie einen Hehl daraus gemacht, dass er gerne sehen würde,