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Peter Lebegerns große Reise. Max GeißlerЧитать онлайн книгу.

Peter Lebegerns große Reise - Max Geißler


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sah dem Feuer auf der Herdstatt zu und hatte zum Nachtmahl ein halbes Dutzend Krammetsvögel gespeist. Am Spiesse gebraten, mit dunkelblauen Wacholderbeeren herzhaft gewürzt. Sehr freundliche Verse dachte Peter Lebegern …

      die sonnigen Tage sind längst dahin,

      und alles Grün ist zu Ende,

      dir aber klingt es noch immer im Sinn:

      dein Herz hielt Sonnenwende!

      Das war zugleich ein Zeichen, dass er nun doch an die Talfahrt dachte.

      Sehr schwer ward ihm das Herz. Einmal zwischen Licht und Finsternis erwog er noch allen Ernstes, ob es sich nicht machen liesse, den Winter in der Siedelei zu verbringen. Etwa so, dass er die Hütte mit Nahrungsmitteln verstaute bis obenhin. Dass er sich durch den Gaisbuben in Besitz vieler Felle setzte, mit denen er die Wände der Hütte bekleiden könne und sich selbst. Er dachte auch an einen mässigen Stoss Schreibpapier; denn diese Unmittelbarkeit unerhörten Erlebens wirkte wundertätig. Er hatte dereinst das Leben der Lappen und Eskimos im Winter sinnvoll betrachtet. Deshalb hatte der Gedanke, sich hier einschneien zu lassen — so verirrt er war — gar nichts Fürchterliches für ihn …

      Da begann ein Spätoktoberregen zu fallen — — nein, er peitschte daher. Es fielen die Wolken vom Himmel; es stürzten die blanken Zinnen des Hochgebirgs zusammen; es brandete ein gewaltiges missfarbiges Meer in allen Tiefen und Höhen; es war die Welt untergegangen tagelang, tagelang. Und mittendrin in diesem Untergange, in diesem ungeheuren Wirrsal von Wind und Wolken, von Fauchen und Fetzen, von Brüllen und Brandung schaukelte das ganz kleine Holzhaus des Peter Lebegern.

      So war auch die schöne Dichtung von der Sintflut und der Arche für ihn unmittelbarstes Erlebnis geworden.

      Peter Lebegern aber — wenn er nicht sehr fror — lugte durch das Fensterlein und sandte seine Blicke in die schaurig graue, schaurig ungebärdige Wildnis wie Noah die Raben. — Sie kehrten zurück, denn sie fanden nicht, da sie ruhen konnten.

      Als darauf die Erde wieder als ein leuchtendes Märchen aus einem Frühmorgen stieg — es war ein Auferstehungsfest, nicht zu sagen, nicht zu sagen! — da stürmte Peter Lebegern über die Matten. Es war ihm: die neue Herrlichkeit bliebe unwandelbar. Er wollte den Gaisbuben zu Tale schicken, damit er ihm herauftrage, was nötig sei für den Winter — o weh, da waren Hirt und Herde von dannen gezogen!

      Peter erschrak. Die Sonnenfackeln der Berge löschten für ihn aus. Die dampfenden Tale, die glühenden Höhen versagten ihm ihren Glanz. Er sass hin auf die Schwelle des verödeten Hüttleins an der Gaisenalm, und seine Augen, die — der Gottheit voll — durch die strahlende Welt geflogen — seine Augen fanden auf einmal nicht weiter als zu ihm selbst.

      Nun, er sah aus wie einer, der in einer Strandhose, die sehr sauber gewesen war, vier Wochen in einem Bett aus Waldmoos gelegen und darin Sommers Untergang im Hochgebirge erlebt hatte.

      Sehr sonderbar war ihm zumute. So, als solle er sich nun auf alle Viere niederlassen und mit mürrischem Gebrumm den Berg wieder hinansteigen, um sich in seiner Höhle bärenmässig zusammenzurollen zu gedeihlichem Winterschlaf.

      Aber von alledem tat er nichts. Sondern: er fror und trollte sich talwärts. Kreuz und quer den pfadlosen Wildhang hinab gegen die Welt der Menschen. Seinen Gehstock und seinen Florentiner liess er in der Siedelei zurück. Mochte der Gaisbub im andern Jahr eine glückselige Überraschung daran erleben: das Geschenk eines dankbar Genesenen.

      Vorsichtig, wie ein sicherndes Wild, wechselte sich Peter, der Lebegern, an das Land der Menschen heran. Herbstkalte Nacht lag im Tale. Die Partnach rauschte. Es reifte in die Wiesen. Und so finster war es geworden, dass die wenigen Leute auf den Strassen keine Teilnahme an dem Grabgewande dieses Auferstandenen bewiesen.

      Unbeachtet erreichte er das Stockwerk seines Landhauses. Er zog die altväterische Glocke an der Vorplatztür und wurde von seiner Vermieterin mit entgeisterten Augen empfangen.

      Für die Furcht des alternden Fräuleins fand Peter ein paar scherzhafte Worte. An denen richtete sie sich, mit der erstarrten Hand auf dem Herzen, allgemach empor. Sie öffnete die Tür zu Peters Zimmer, weit, weit, und — Gottes Wunder! — auf dem bescheidenen Kanapee sass der Herr Doktor Wurzler. Ihm gegenüber Valentine. Die Teemaschine summte. Der Ofen wärmelte. Sehr traulich war es in der Stube. Und still, wie nur das Staunen stille sein kann. Dann sagte der Doktor: „Lieber Peter Lebegern, meine Ahnung, meine Ahnung!“ Er lehnte sich dabei gegen die Rückwand der Polsterbank. Aber — das war wohl zu sehen — er hatte mit beiden Händen die Tischkante noch immer sehr fest angefasst.

      Dieses Zusammentreffen war gar nicht so merkwürdig. Nämlich: zuerst hatten sich der Doktor und Valentine mit den Tatsachen abgefunden die die ‚Neuesten Nachrichten‘ als unabänderlich verkündeten. Danach begann der Gelehrte an dem Falle herumzuleuchten … Nun, Peter Lebegern war weder ein Bergsteiger, der sich den Gefahren eines Absturzes aussetzte; er war weder ein krankhafter Träumer, noch ein müder Melancholiker, der zuletzt willenlos in ein Sterben am Wege gelaufen sein konnte …

      So wandte man im Hause Wurzler den Fall um und um. Und da war es die blonde Valentine, die dem grüblerischen Mutmassen ihres Vaters ein Ende machte mit den Worten: „Man mache sich auf und suche mit liebendem Eifer nach dem jungen Manne!“

      Das sagte sie aus Teilnahme für Lebegern. Aber mehr noch aus erfinderischer Liebe zu ihrem Vater. Sie war auch die Ursache, dass der Doktor sein Lehramt bei Semesterschluss niedergelegt hatte. Zudem hatte er sein grosses Werk mit einem ungeheuren Aufwand an Zeit und Willen beendet. Wahrlich, der Tapfere durfte nun selbst einmal faltergleich hinausfliegen in die letzte Sonne des Jahres! Da er aber ein kleiner Mann war, in vielen Dingen hilflos, wie es nur solch ein Gelehrter sein kann, und obendrein leidlich angejahrt, so wurde beschlossen, selbzweit den Sonnenflug in die Berge zu machen. Das ging gar nicht anders; denn seit Ferdinand Wurzler Witwer war, schwebte Valentine als guter Engel um ihn. Sie packte die Koffer, sie stattete in seinem Auftrage die Brieftasche des Herrn Wurzler mit dem nötigen Reisegeld aus, und sie musste zuletzt darauf achten, dass der kleine Mann in besinnlichem Gipfelflug nicht selber in eine verlassene Almhütte geriet. Na, und so waren sie seit einer Woche an Ort und Stelle. Wie aus ihrer Wohnung ersichtlich ist, hatten sie sich mit Eifer an die Dinge herangeforscht. Übertag durchstreiften sie die Umgebung, kletterten in der Partnachklamm herum und traten fragweis in jedes hochgelegene einsame Bauernhaus. „Habt ihr den Peter Lebegern nicht gesehen?“

      Nun feierten sie das Fest des Wiederfindens. Es waren Stunden voll geläuterter, tiefer Fröhlichkeit.

      Danach hatte der Doktor Wurzler das volle Verständnis für Peter Lebegerns Art. Aber seine Freude an ihr war nicht ohne Bangigkeit. Ja.

      Valentine hörte gerne kluge Männer reden. Auch hatte sie Musse, den verloren Gewesenen zu betrachten in seinem Einsiedlergewande (das die bräunliche Farbe einer Kutte angenommen hatte) und nach dem Wechsel dieses Kleides. Sein Bericht über die Erlebnisse der letzten Wochen brauchte nicht erst phantasievoll aufgeputzt zu werden — er griff ans Herz in seiner absichtslosen Schlichtheit und in der Fülle an Abenteuerlichkeit.

      Valentine erkannte: Peter Lebegern kehrte als ein anderer aus der Bergsiedelei zurück. Als ein Erlöster. Träumerische Besonnenheit spann ihn ein. Seine Augen waren tief und klar und ohne Müdigkeit. Ganz absichtslos stand er vor dem Leben. Mit einem Herzen voller Verheissungen. Und mit dem Ausblick auf tausend Wege. Die führten alle in sein Königreich.

      Es hatte für Valentinen kaum etwas Auffälliges, dass Peter Lebegern sich im Gespräch nie an sie wendete, an sie allein. Als er ihr dennoch für ihre aufopfernde Teilnahme an seinem Geschick dankte, lehnte sie bescheiden ab: der Doktor war der Suchende gewesen, sie die Begleiterin, deren Nahesein ihm beruhigende Gewohnheit sei. „Unentbehrlichkeit!“ berichtigte Ferdinand Wurzler. — Mit Bezug auf sich selbst hatte er damals auch gesagt: das Herz Valentinens befinde sich in festen Händen.

      So oft er in den folgenden Tagen allein war, fiel Petern dies Wort ein. Es lag eine unerhörte väterliche Selbstsucht darin; denn es musste eine Vereinbarung zwischen Vater und Tochter getroffen, ein Gelöbnis gegeben worden sein, ihre Wege im Leben bis zum ersten Grabe, das sich öffnen würde, untrennbar vereint zu gehen.


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