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Das Moordorf. Max GeißlerЧитать онлайн книгу.

Das Moordorf - Max Geißler


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hatte Ham Rugen schon gestochen.

      Und der Bau der Hütte, die Clas Böschens und seines Weibes junges Glück beschirmen sollte, begann.

      Wie die Nacht die weissen Nebel aus den Mooren spann und die Gräben ringsum in die Dämmerung zu rauchen begannen, fuhren Clas und Wischen in dem einen, Jan Klüwer in dem andern Boote heimwärts.

      Das Gerüst der Hütte stand.

      Und die kommenden Tage sahen die gezäunten Giebelwände, sahen das Dach entstehen.

      Während Hinnerk Stelljes den Lehm zum Bewurf der Zäunung rührte und bedächtig das braune Moorwasser über die zähe Erdmasse goss, zählte er die Stunden zusammen, die er an der Arbeit gewesen war, und berechnete den Lohn. Er hoffte damit Geschcs Zorn zu dämpfen.

      Und wie auch der Lehm gegen die gezäunten Felder geworfen und glatt gestrichen war, erschien das Boot mit dem kärglichen Hausrat, das Jan Klüwer führte.

      Dann ward die ‚Hüsung‘ bereitet. Und Clas Böschen mit seinem jungen Weib und mit seinem jungen Glück zog ein. Der Bettkasten ward aufgeschlagen; die Hühner hatten ihre Horde und die Ziegen ihren Stand.

      Zehntes Kapitel.

      Am nächsten Morgen, als der schmale Sonnenrand seinen Purpur über das Reifsilber der Moorheide legte und an die Torfwände Flammen warf, stand Claus Böschen mit der Heidehaue im Ried, schnitt das harte Kraut für die Streu der Ziegen und bereitete das Land für den Brand, den er hineinzulegen gedachte.

      Wie Jan Klüwer am andern Tage den Torfhaufen glühte, von dem Claus das Feuer auf die Fläche zu werfen gedachte, war Ham Rugen vom grauenden Tag an in Böschens Hütte. Bald hatte er für den Jungen einen Rat, bald ging er Wischen zur Hand, richtete die Klinker für den Herd, hing die Ketten darüber ins Gebälk, oder er schob auch den von ihm gezimmerten Kahn die Gräben entlang zu der Stelle, an welcher der Sand zur Mischung der schweren Moorerde zu finden war.

      Claus Böschen schaufelte den Sand in das Boot, drückte dieses zurück bis in die Nähe der Hütte und entlud es.

      Wie aus dem Torfhaufen eine gelblichgraue Säule hervorstieg, die aber nur kurze Zeit senkrecht emporwirbelte, um alsbald zu brechen wie eine Birke, die der Sturm unter der Krone geknickt und die dann, träge sich ausbreitend, über die Moorheide kroch, deutete Ham Rugen mit der Hand danach.

      „Siehst du“, sagte er zu Jan Klüwer und „siehst du“, sagte er zu Claus Böschen, der eine neue Ladung Sand herandrückte, „das gibt ander’ Wetter. Wenn der Qualm unter das Ried kriecht, ist’s nicht mehr weit.“

      Weiter sagte Ham Rugen: er spüre den Wetterwechsel auch daran, dass die Gicht sich melde; die nächsten Tage würden Sturm oder Regen bringen. Claus Böschen solle nur immer Sand booten, er selbst werde das Moor brennen.

      Ham Rugen fasste den Torfspaten und warf die Glut aus dem schwelenden Haufen über das Land. Allenthalben rauchte der Brand, der fauchte und zischte, und der Qualm quirlte herauf: ein dichter, missfarbiger Nebel wälzte sich in das Moor.

      Ham Rugen und Jan Klüwer standen darin; dem Jungen liefen die Augen über. Er hustete. Wie Schatten standen die beiden in dein rollenden Gewölk.

      „Das löscht noch die Sonne aus“, dachte Jan Klüwer — er sah die goldene Scheibe aus dem Dunste des Moorbrandes wie einen dunkelroten Kürbis im Himmel hängen.

      Weil Gesche Stelljes wusste, dass der kriechende Rauch schlecht Wetter verkünde, hatte sie für Hinnerk allerlei Arbeit in der Hütte. Sie sagte, die andern möchten nur sehen, wie sie weiter kämen. Ob Ham Rugen ihnen geholfen habe wie jenen? Ob er ihnen so viele Morgen gegeben wie Claus Böschen? Gesche hatte immer neue Fragen, und Hinnerk Stelljes hielt doch niemals für nötig, eine Antwort zu geben. Das hatte er sich abgewöhnt, weil er wusste: wenn Gesche einmal redet, dann redet sie auch alles, und er war in solchen Fällen überflüssiger denn je.

      Wöbke Dierks, die mit dem Kind auf dem Arm in der Sonne des Herbstmittags sass, mit dem Rücken gegen die untere Leiste des Fensters gelehnt, vernahm ein Geräusch in der Hütte wie Rascheln von Stroh. Sie wendete sich und sah, wie Gesche aus Ham Rugens Lager einen Arm voll Streu herausnahm und in das eigene Bett breitete. Weil sie Ham Rugen noch im Rauch stehen sah, fasste sie mit beiden Händen von neuem in den Bettschrank — da rann Wöbke Dierks das Blut zum Herzen: wenn Gesche den Strumpf mit dem Gelde fand, wenn sie ...

      Wöbke Dierks mochte nicht daran denken. Sie stürzte in die Hütte.

      „Ham Rugen sagte, er habe das Zucken in den Beinen“, rief Wöbke und ihre Stimme zitterte.

      „Dumme Deern, was geht’s dich an?“

      „Ich hab nur gemeint ...“

      Du sprang Gesche hinzu und schlug Wöbke Dierks mit der flachen Hand über das Gesicht. Klatsch, klatsch —

      „Zucken in den Beinen ...“

      „Du stiehlst Ham Rugens Bettstroh!“ schrie das Mädchen in furchtbarem Schmerz.

      Klatsch, klatsch! Wieder flog ihr die harte Hand Gesches in das weisse Gesicht. Wöbke Dierks lief laut weinend von dannen.

      Als Ham Rugen den Angstruf des Mädchens hörte und aus dem Torfrauch trat, sah er, wie sich Wöbke schluchzend ins Gras warf. Sie hatte das Kind im Arm und hielt die freie Hand vor das schmerzende Gesicht.

      „Deern!“ rief Ham Rugen, „Deern, was ist dir?“

      Auch Jan Klüwer war hinzugetreten.

      „Gesche hat mich geschlagen!“

      „Warum?“

      „Sie sollte dir die Streu nicht aus dem Bette nehmen, Ham Rugen — ich dachte ...“

      Wöbke Dierks sprach nicht weiter. Ihre Stimme erstickte in den Tränen. Ham Rugen war in die Hütte gelaufen, aber Gesche Stelljes sagte, die dumme Deern lüge, oder sie sähe Gespenster.—

      Am andern Tage stand nicht mehr die glänzende blaue Kuppel des Himmels über dem Moore.

      Die Birken hatten ihr goldenes Laub verloren; nur an den Enden der Zweige sassen noch dünne Häuflein lispelnder Blätter und zitterten, weil der Wind bald aufwachen und sie fortwirbeln werde.

      Aber der Wind kam nicht. In gleichmässigem Grau hing der Himmel über den müden Farben der Ebene, flach, tief, und nur eine kaum merkliche Bewegung war in der eintönigen Schwere der Wolken — von Abend nach Morgen.

      Und da und dort spannen sich die Nebel der Moore über den Grund. Zäh, träge. Und die braunen Segel der Torfboote tauchten auf — verschwanden. Aber kein Wind rührte sie an. Und kein Duft einer späten Blume war in dem grauen Tag, und kein Glanz ging hindurch. Müde und mit schweren Schwingen flog ein Reiherpaar seine Bahn.

      Aus der Hütte trat Ham Rugen in den müden Morgen, und Wöbke Dierks folgte ihm. Die beiden gingen quer übers Moor, gingen schweigend in den bleigrauen Tag.

      Ham Rugen hatte Stiefel an den Füssen, wie sie die Leute aus dem Moore kaum Sonntags auf dem Kirchgange trugen. Wöbke Dierks war barfuss in den klappernden Holzschuhen.

      Als sie so weit gekommen waren, dass die Dächer der Einhäuser in dem Graunebel des Moores nur noch von denen gesehen werden konnten, die wussten, dass sie dort seien, und der Damm, auf dem an manchen Tagen auch wohl ein Wagen fuhr, noch nicht in der Nähe war, blieb Ham Rugen stehen und schaute nach allen Seiten über das Gelände.

      Als er gar nichts Lebendes bemerkte und auch nicht einmal ein Segel in einem der Schiffgräben gleiten sah, bückte er sich und legte den Beutel mit dem Gelde, den er in der Tasche getragen, unter einen Stechpalmbusch, der sein Gezweig bis auf das verblühte Kraut der Heide herabhing, und deckte ihn mit schwarzer Moorerde zu.

      Wöbke Dierks betrachtete des alten Mannes tätige Sorge und sagte: „Daran hätt’ ich nicht gedacht, Ham Rugen. Aber ich will mir den Stechpalmbusch mit merken, damit wir nicht lange suchen müssen, wenn wir zurückkehren.“

      „Es ist recht,


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