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Semantik für Lehrkräfte. Christian EfingЧитать онлайн книгу.

Semantik für Lehrkräfte - Christian Efing


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um bildungs- und fachsprachliche Texte zu verstehen. Zu wissen, dass etwa die Konjunktion während nicht nur eine temporale (zeitliche), sondern auch eine adversative (entgegenstellende) Bedeutung hat, ist Voraussetzung für das korrekte Verstehen von Sätzen wie: Während Annika Vegetarierin ist, isst Nicolas sehr gerne Fleisch. Sowohl für die Sprachrezeption, das präzise Lese- und Hörverstehen, wie für die Sprachproduktion, die stilistische Ausdrucksfähigkeit, ist ein profundes Semantikwissen auf lexikalischer Ebene also unerlässlich. Hierzu zählt insbesondere auch ein generelles Verständnis für die Prozesse der metaphorischen Bedeutungserweiterung, das es ermöglicht, neue Bedeutungsnuancen und unbekannte Anwendungsbereiche und Verwendungen eines Wortes nachvollziehen und sich kontextuelle Bedeutungen selber erschließen zu können. Zweitsprachlerinnen und -sprachler stehen darüber hinaus vor der Herausforderung, die wertenden Nebenbedeutungen eines Wortes (Konnotationen), die Erstsprachler im Laufe der Sprachsozialisation leichter oder früher erwerben, zu erkennen – also zum Beispiel, dass Köter kein neutraler, sondern ein abfälliger Ausdruck für ‚Hund‘ ist (vgl. Kapitel 2.1.3).

      1.2.2 Semantik und Wortschatzarbeit in der Schule

      Das Thema „Semantik“ taucht unter diesem Begriff in der Schule bzw. in Curricula wie den KMK-Bildungsstandards oder länderspezifischen Kernlehrplänen sowie im Deutschunterricht oder in Deutschbüchern kaum auf – und wenn, dann implizit und immer verengt auf lexikalische Semantik. Jedoch darf man dieses Fehlen des Begriffs nicht als mangelnde Relevanz des Themas für Schülerinnen und Schüler und für das sprachliche Lernen und die sprachliche Bildung begreifen. Die Semantik als Thema ist didaktisch und schulisch relevant und betrifft verschiedenste Bereiche des schulischen Deutschunterrichts. Insbesondere sind semantische Themen im Rahmen von Wortschatzarbeit zu finden. Diese jedoch ist ebenfalls in den Curricula (vgl. auch Kap. 3.4) – und bis vor gut zehn Jahren auch in der deutschdidaktischen Diskussion – wenig präsent und findet schulisch, wenn überhaupt, dann fast nur in der Primarstufe (Grundwortschatz, Wortfelder) statt (Steinhoff 2013: 12). Diese Beschränkung auf die Grundschule ist insofern problematisch, als mit dem Übergang zur weiterführenden Schule im Unterricht ein Übergang zur stärkeren Verwendung von Schriftlichkeit und zum Lernen aus Texten einhergeht, was bedeutet, dass Wortschätze zunehmend schriftlich geprägt und auf bestimmte Texthandlungen bezogen (Feilke 2009: 5), also bildungssprachlicher geprägt sind und neu gelernt werden müssen; dies sollte schulische Wortschatzarbeit unterstützen.

      Die Semantik von Wörtern oder Sätzen wie auch die Wortschatzarbeit, die neben der Wortform zentral vor allem die Wortbedeutung(en) thematisiert, liegen dabei quer zu den vier großen curricularen Bereichen des Deutschunterrichts, die je nach Curriculum etwas unterschiedlich heißen, aber grob unter folgenden Titeln zusammenzufassen sind:

       Sprechen und Zuhören

       Schreiben

       Lesen/Umgang mit Texten und Medien

       Sprachreflexion/Sprachbewusstheit/Sprache und Sprachgebrauch untersuchen

      Die Semantik betreffende sprachliche Phänomene kann und sollte man idealerweise reflexiv im Bereich „Sprache und Sprachgebrauch untersuchen“ untersuchen, allerdings liegt auf der Hand, dass Semantik grundsätzlich elementar für alle produktiven und rezeptiven Sprachhandlungen ist: Wer spricht und schreibt, sollte sich ebenso Gedanken über die Semantik der verwendeten Wörter und Sätze machen wie derjenige, der sprachliche Äußerungen zuhörend oder lesend aufnimmt und interpretieren muss. Denn eine durch semantische Reflexion beförderte starke Vernetzung eines Wortes im mentalen Lexikon (Kap. 3.1) erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass es auch produktiv beim Schreiben oder Sprechen genutzt werden kann (Mathiebe 2018: 54). Von großer didaktischer Relevanz ist daher die Frage, wie Schule – den außerschulischen Wortschatzerwerb flankierend – den Aufbau des mentalen Lexikons beeinflussen und semantische Verknüpfungen fördern und ggf. umstrukturieren kann. Denn noch gibt es angesichts mangelnder Beschäftigung der Deutschdidaktik mit diesem Thema „keine einheitliche Theorie zur Vermittlung von Wortwissen in der Schule“, und nach einer Umfrage halten 40 % der deutschen Lehrkräften Wortschatzarbeit als eigenen Lernbereich des Deutschunterrichts für eher unwichtig (ebd.: 87f.).

      Es gibt verschiedene Gründe dafür, warum die systematische Wortschatz- und damit auch die semantische Arbeit in der Vergangenheit der Deutschdidaktik (jedenfalls mit Blick auf Deutsch als Mutter- bzw. Erstsprache) dennoch sehr wenig thematisiert wurde. Dies mag zum einen an der noch heute aktuellen traditionellen Gliederung der Curricula liegen, in denen Semantik/Wortschatzarbeit als quer liegende Themen und Kompetenzen kaum explizit und damit sichtbar vorkommen. Es liegt zum anderen aber auch daran, dass man lange geglaubt hat, Deutsch-Erstsprachlerinnen und -sprachler, auf die der Deutschunterricht immer noch schwerpunktmäßig ausgerichtet ist, würden Wörter – und die Bedeutung von Wörtern – mehr oder weniger automatisch und beiläufig beim Zuhören und Lesen aufnehmen und erlernen (sog. inzidentelles Lernen). Zudem gebe es ohnehin viel zu viele Wörter (mit Kern- und Nebenbedeutungen), um diese rein vom Umfang her auch nur ansatzweise im schulischen Deutschunterricht vermitteln zu können, weshalb Wortschatzarbeit ohnehin nur extrem exemplarisch möglich sei. Die These vom inzidentellen Wörterlernen bei der Textrezeption, also ohne bewussten Aneignungsprozess, entspricht natürlich der Realität. Jedoch bleibt diese unsystematische Art des rein impliziten Wörterlernens (sog. fast mapping ohne wirkliche Vernetzung der Begriffe), etwa beim flüchtigen Lesen, sehr vorläufig und unvollständig, ist nicht so effektiv wie die explizite Vermittlung, was Metaanalysen zeigen (Mathiebe 2018: 88), und führt zu großen individuellen Unterschieden von bis zu 6000 Wörtern Wortschatzdifferenz zwischen zwei Schulkindern, selbst wenn bei beiden die Wortschatzleistung unauffällig ist (Rothweiler/Meibauer 1999: 18). Wenn solch eine beiläufige Wortschatzerweiterung im Unterricht wirklich gelingen soll, dann müssen Schülerinnen und Schüler daher explizit darin gefördert und dafür sensibilisiert werden, denn:

      Die Anreicherung und Erweiterung des impliziten Bedeutungswissens erfolgt eben nicht allein durch Folgebegegnungen mit einem neuen Wort in anderen Kontexten und Verwendungssituationen, sondern auch durch Untersuchung der semantisch-lexikalischen Vernetzung im mentalen Lexikon, also durch den Erwerb expliziten Bedeutungswissens. Wer die semantischen Strukturen, die inhaltliche Ordnung und Vernetzung seines inneren Lexikons durchschaut, sie sich bewusst gemacht hat, ist viel besser in der Lage, neue Lexeme an der passenden Stelle im Netzwerk einzuordnen und dort bei Bedarf schnell und sicher abzurufen (Zugriff auf den Wortschatz). (Ulrich 2011a: 182)

      Übung 122a

      Untersuchen Sie die KMK-Bildungsstandards des Faches Deutsch und die für Sie relevanten länderspezifischen Kernlehrpläne, insbesondere den Bereich „Sprache und Sprachgebrauch untersuchen“, in Hinblick auf explizites und implizites Vorkommen der Themen „Semantik“ und „Wortschatz(arbeit)“ und stellen Sie die Kontexte und die curricularen Bereiche (Lesen, Schreiben, Sprechen/Zuhören, Sprachgebrauch untersuchen) zusammen, in denen sie erwähnt, sowie die Kompetenzerwartungen, die formuliert werden.

      1.2.3 Empirische Untersuchungen und nachgewiesene Förderbedarfe

      Doch die didaktische Relevanz von semantischen Fragen lässt sich nicht an ihrer (fehlenden) expliziten Präsenz in Curricula oder einschlägigen Handbüchern zur Sprachdidaktik ablesen. Dass sich die Deutschdidaktik seit einigen Jahren endlich vermehrt mit (semantischen Aspekten) der Wortschatzarbeit auseinandersetzt, hat viel zu tun

      1 mit empirischen Ergebnissen zu Wortschatzwissen und semantischen Leistungen bzw. zu „erschreckenden“ Wortschatzdefiziten (Merten/Kuhs 2012b: 7) von Schülerinnen und Schülern mit Deutsch als Erst- und Zweitsprache im Bereich des Grund- wie des bildungssprachlichen Wortschatzes;

      2 mit neueren Erkenntnissen zur Relevanz des Wortschatzes erstens für Lernprozesse und das Lernen generell („Schlüsselfunktion [des Wortschatzes] für sämtliche Lernprozesse“, McElvany et al. 2016: 53, vgl. auch Ekinci-Kocks 2013: 1) sowie zweitens für speziell sprachlich das Lesen und Schreiben und auch seinen Zusammenhang mit der Grammatik


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