Эротические рассказы

Ulrike Woytich. Jakob WassermannЧитать онлайн книгу.

Ulrike Woytich - Jakob Wassermann


Скачать книгу
mir leid, Sie zu inkommodieren, aber es hängt was dran, es hängt Licht, Musik, Freundschaft, Freude dran, lauter Dinge, die Sie verachten mögen, die für mich aber Gewicht haben. Vielleicht wiegen sie nur einen schönen Atemzug, vielleicht nur einen glücklichen Gedanken, doch lass ich mir auch das nicht rauben; ich will, was mein ist, haben.“

      Mylius entgegnete nichts mehr. Sein Gesicht wurde finster, der Unterkiefer mahlte verlegen. Ein scheuer Blick schoss unter den gesenkten Lidern hervor und streifte Ulrike. Die Niederlage, die er vor Frau, Sohn und Tochter erlitt, war schwer zu verwinden. Aber wie Ulrike vor ihm stand, Kopf zurückgeworfen, die schwarze Pelzkappe studentenhaft schief auf den vom Sturm und schnellen Gehen zerzausten Haaren, die Wangen flammend, das Auge herausfordernd, der üppige Mund halb geöffnet, fühlte er sich widerwillig bezwungen, fast mehr noch von ihrer seltsam spöttischen Leidenschaftlichkeit als von ihrer Kraft und Entschlossenheit. Er erhob sich, murmelte etwas Unverständliches, trat ans Fenster, klimperte mit den Schlüsseln und Münzen in der Hosentasche, lachte zornig und befangen gegen die schneebeschlagenen Scheiben und sagte endlich in unfreundlichem Ton: „Na schön; wenn Sie darauf bestehen, mag es also sein.“ Und ging.

      Kaum war die Korridortür hinter ihm ins Schloss gefallen, wandte sich Ulrike an Lothar und gebot ihm, die Schwestern zu rufen. Aber Esther und Aimée kamen schon.

      „Rafft alles zusammen, was ihr braucht, und geht in die Dorotheergasse,“ sagte Ulrike hastig und befehlend zu ihnen; „wartet auf der Treppe bis ich komme, oder nein, geht in die Mansarde hinauf, da habt ihr meinen Schlüssel. Ich werde hier unten am Haustor auf euren Vater warten, damit es keine weitern Verzögerungen und Inquisitionen gibt, ihm die Kostüme abnehmen und so schnell wie möglich bei euch sein. Nicht fragen, nicht danken, marsch, adieu.“ Die Mädchen winkten der Mutter frohbewegt zu, und Ulrike schob sie zur Tür hinaus.

      Dann kehrte sie sich zum Tisch, schnitt von dem Laib Brot ein mächtiges Stück ab und biss herzhaft hinein. Christine, von deren Lippen keine Silbe gekommen war, seit Ulrike das Zimmer betreten hatte, schaute sie schüchtern-staunend an und sagte: „Was sind Sie für ein merkwürdiger Mensch, Ulrike.“

      Ulrike antwortete kauend: „Warum denn? Ich weiss wirklich nicht, was ich für ein Mensch bin. Ich denke nie darüber nach. Ich weiss nur, dass ich schreie, wenn man mich zwickt, und dass ich mich da kratze, wos mich juckt. Das wichtige im Leben ist, dass man den Leuten, die allen Platz für sich alleine haben wollen, begreiflich macht, dass man auch auf der Welt ist. Solang ich meine Lungen zum Schnaufen und meine Zunge zum Reden habe, geb ich mich zu niemandes Schindluder her.“

      Christine wollte Fleisch und Gemüse für sie aufwärmen lassen, aber sie wehrte ab und sagte, dazu sei keine Zeit mehr. Sie reichte ihr die Hand, nickte Josephe freundlich zu, gab Lothar einen Klaps auf die Schulter, und fort war sie.

      Als Christine und Josephe dann allein in der Stube waren, Lothar hatte sich im Salon trotz der Kälte ans Klavier gesetzt und klimperte in hoffnungsvollem Tempo einen Gassenhauer, trat Josephe zur Mutter, beugte den Kopf und sagte leise: „Mir ist sehr bang, Mutter.“

      Christine, die die Regung nicht verstand, schaute sie besorgt an und streichelte ihr das Haar.

      Monolog und häuslicher Sturm

      Ulrike hatte noch nicht fünf Minuten am Haustor gewartet, als sie Mylius schon mit seinem Passgängerschritt durch den Schnee der Gasse herauftappen sah. Unter dem Arm trug er die eingepackten Kleider. Sie sehend, prallte er zurück, fasste sich aber schnell, klopfte den Schnee von dem Paket, reichte es ihr und sagte mürrisch: „Pfui, was für ein Wetter. Einen alten Mann in der Nacht wegen der Fetzen fortjagen. Mangel an gutem Willen können Sie mir jedenfalls nicht vorwerfen, meine geehrte Dame.“

      „Die Suppe haben Sie sich selber eingebrockt, folglich mussten Sie sie auch auslöffeln“, erwiderte Ulrike ungerührt; „warum ziehen Sie denn übrigens keine Handschuhe an? Haben Sie keine? Trägt das Geschäft nicht soviel? Und der dünne schäbige Mantel da; besitzen Sie denn keinen wärmeren? Reicht der Profit nicht zu einem Pelz? Schämen Sie sich nicht, so am eigenen Leib zu knickern? Oder wenn ich Sie bedauern soll, dass Ihnen die Verhältnisse den Luxus nicht erlauben, sich vor der Winterkälte zu schützen, dann muss ich fragen: wozu schuftet ein Mensch wie Sie sein lebelang? Wozu verkriecht er sich hinter seinen Gewölbemauern jahraus, jahrein und plagt sich ärger als ein Kuli, wenn er bloss knapp das Schmalz für den Braten erschwingen kann? Dann gilt mein Bedauern nicht dem alten Mann, so hoch bei Jahren sind Sie nicht und so gebrechlich noch weniger, sondern dem Mann überhaupt, ders zu nichts Rechtem gebracht hat und dems vielleicht an Genie fehlt, vielleicht an Glück. Das ist meine ehrliche Meinung, Herr Mylius, und nun gute Nacht, mir frieren die Füsse an.“

      Sie wollte gehen, aber sein Blick hielt sie fest. Er schaute zu ihr auf, denn er war erheblich kleiner als sie, hatte die Hände auf dem Rücken, sein Luchsgesicht zog sich zusammen, und der Blick war scharf, ängstlich, argwöhnisch, unschlüssig. Die fragende Kopfbewegung Ulrikes schüchterte ihn ein, und plötzlich stotterte er: „Ich hätte ein paar französische Geschäftsbriefe zu schreiben, dürfte ich da um Ihre Hilfe bitten? Wäre Ihnen sehr dankbar.“

      Ulrike antwortete, sie stehe ihm gern zur Verfügung und werde morgen gegen Abend in seinen Laden kommen. Mit kurzem Gruss entfernte sie sich. Der kleinlaute, bedrückte Ton des Mannes lag ihr im Ohr und gab ihr zu denken.

      Mylius ging in die Wohnung hinauf. Christine und Josephe hatten sich bereits zurückgezogen. Lothar sass in der Küche, wo es noch leidlich warm war, und schrieb an einer Schularbeit. In der grossen Stube auf- und abschreitend, sagte Mylius vor sich hin: „So eine Person; jagt einen mir nichts dir nichts auf die Gasse. Verfährt mit einem, als wäre man ihr Schuhputzer. So haben wir nicht gewettet, meine Dame. Besinnen Sie sich. Sie könnten sonst zu Ihrer Überraschung erfahren, wer H. O. Mylius ist. Ja, das könnten Sie. Ist nicht ganz ausgeschlossen.“

      Es geschah nicht selten, dass er laut mit sich selber redete, schon deswegen, weil er mit niemand auf der Welt von seinen Angelegenheiten hätte reden können oder wollen. Misstraute er doch jedem auf ihn gerichteten Blick.

      „Wahrscheinlich glaubt sie, man sei so ein armer Teufel, der gerade nur für den nächsten Tag zu beissen hat“, fuhr er in seinem Selbstgespräch fort; „oder einer von den hunderttausend kleinen Strebern und Zapplern, die an der Oberfläche mitschwimmen und an jedem Monatsersten knieschlotternd vor dem Abgrund winseln, den sie der Familie verhehlen müssen. Schadet nichts. Soll sich nur den Kopf zerbrechen. Bin immer am besten gefahren, wenn ich die guten Leute habe an mir herumraten lassen. Da haben Sie den Beweis für die Richtigkeit meines Prinzips, hochgeehrtes Fräulein. Schweigen; hinterm Berg halten; Schweigen. Wittern die Menschen Geld, so ist ihre Phantasie wie ein losgelassenes Feuer. Jeder Lump, klappert man mit Goldstücken vor seinen Ohren, wird anspruchsvoll. Es gibt keinen Kerl, dem nicht sofort schwummerig ums Herz wird, wenn man nur den Kassaschlüssel zwischen den Fingern dreht. Geh ich auf den Markt als ein Mann, dem man reichliche Mittel nachsagt, schon heftet sich der Betrug an meine Fersen, und ich muss für jegliches Ding doppelt und dreifach bezahlen. Und riecht erst die eigene Familie Lunte, ists mit der Seelenruhe aus. Man erlebts ja Tag für Tag; Blutegel, die sie sind; die Gier frisst sie mit Haut und Haar, die Gelüste verbrennen ihnen das Hirn; Geld, Geld, Geld, schreien einem ihre Augen zu. Ein Tierbändiger wäre nötig, sie zu zähmen. Man kann sichs ja ausmalen, wie sies treiben würden, wenn sie wüssten, wenn sie nur den blassen Schimmer hätten. Da muss man gewaltig auf der Hut sein, liebe Dame.“

      Eine Zeitlang schien es, als zähle er seine Schritte, dann begann er wieder zu sprechen. „Immerhin, einen Menschen sollte es geben, nur einen, der Bescheid weiss. Wozu hätte man sonst wirklich gesammelt und gespart, wozu sich die Genüsse des Lebens verweigert? Genüsse des Lebens, das ist natürlich Unsinn. Kein Lebensgenuss, der nicht in dem Leben enthalten wäre, das man durch Zwang seiner Natur führt. Geniesse ich etwa nicht? Sind die Früchte, die ich gepflückt habe, etwa eingebildet? Ist nicht alles da, alles verbucht, alles greifbar, verwertbar, Zeugnis meiner Umsicht und Berechnung und unwiderleglich mein eigen? Brauch ich wen, damit er es bestätigt oder anerkennt oder bewundert oder mir Rats erteilt? Einen Aufpasser, einen Kritiker, einen Denunzianten am Ende? Habe mich bis jetzt ganz wohl befunden in meinem Heimlichen, warum soll es einen geben, der Bescheid weiss? Der müsste


Скачать книгу
Яндекс.Метрика