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Lucifer. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte. Auerbach BertholdЧитать онлайн книгу.

Lucifer. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte - Auerbach Berthold


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„Jetzt komm Herrgöttle und thu’ mir einmal was an!“ So schlägt sich der versicherte Mann herausfordernd auf die hirschledernen Hosen. Ja beim Teufel! Den muss unser Herrgott laufen lassen, den kann er nimmer am Grips kriegen. Aber wie? du feuerfester, hageldichter, versicherter Mann, lass dich noch eine Weile beschauen. Wo hast du denn dein ewiges Heil versichert? Gelt, daran hast du noch nicht gedacht, das brauchst du nicht? Vielleicht glaubst du gar nicht an ein ewiges Leben, das gehört so zum Aufkläricht. Aber wart’, es kommt die Stunde und du liegst auf dem Schragen und röchelst schauerlich und schnappst nach Luft, der kalte Schweiss steht dir auf der Stirn. Kennst du das Gerippe? Es streckt die dürre Hand nach dir aus aus, o! wie schwer, wie centnerschwer liegt’s auf dir; du willst mit todesschweissiger Hand abwehren, du fassest die leere Luft. Ja, krümm’ dich nur wie ein Wurm, bäum’ dich wie ein Pferd, fort, fort, von hinnen musst du, deine ganze versicherte Welt bleibt dahinten. Noch rollen die Schollen nicht auf deinem Leichenaas und du stehst vor dem obersten Halsrichter, da geht’s auch öffentlich und mündlich her, wie du so oft deinen Zeitungsheiligen nachgeschrieen hast, da ist der letzte Zahltag: wo hast denn deine Papiere, deine Versicherungen? Guck, da ist ein ander Sparkassenbüchlein, da ist Alles verzeichnet, die Rechnung stimmt, fast zum Verwundern. Jetzt hast’s verspielt, du kommst ins Regiment, links vom Gottesgericht, und da ziehen sie dir eine feurige Uniform an, die sitzt dir wie angegossen, eine Schlange schnallt sich dir als Leibgurt um, Pech und Schwefel sengen dich und brennen dich und verzehren dich nicht. In die Hölle! in die Hölle zur ewigen Verdammniss fährst du, und drunten in deinem versicherten Hause ist’s oft alleinig in stiller Nacht wie das Winseln von einer Seele, die drüben die ewige Ruhe nicht finden kann. Das Gebet deiner Kinder könnte dich erlösen und die Ewigkeit deiner Qualen kürzen. Hast du sie beten gelehrt? du hast sie — versichert.“

      Mancher Blick hatte sich schon beim Beginn dieser Schilderung nach der Säule gewendet, wo ein Mann feststand wie der Stein hinter ihm, aber die Blicke glitten wieder ab und jetzt fuhr der Pfarrer fort:

      ,,Geliebte in dem Herren! Ich sage euch laut und deutlich, ich habe Niemand gemeint, ich kenne Niemand, der solchen Herzens ist, aber Jeder frage sich, ob er nicht schon im Geiste den Weg betreten, so zu werden. Fern sei es auch von mir, euch davon abzuhalten, euer zeitlich Gut zu wahren, aber alles ist Tand und Staub und Moder. Und gäbet ihr mit eurem zeitlichen Gut Wohlthaten und Geschenke wie Sand am Meere, verflogen ist’s, fehlt euch der Glaube. Wahret euer Gut, so viel ihr könnet, aber die einzige Versicherung ist dem, der da bauet auf dem Fels, der da ist der Glaube, der schüttert nicht und splittert nicht und stehet fest ohne Wanken. Und wenn rings umher deine Saaten das Wetter knickt, der Glaube richtet dich auf; du stehest fest wie ein Fels und Lobgesänge schallen aus deinem Munde. — Aber sei nur kein windelweicher, auszehriger, nasskalter Tropf, eher noch ein grundmässiger Heide, wie der versicherte Mann, den mag der Herr noch in seine Zange fassen, schmieden und schweissen. Lass es nicht von dir heissen: du bist nicht kalt und nicht warm, du bist lau, darum werde ich dich ausspeien aus meinem Munde. — Eure Saaten sind geknickt, Noth und Jammer steht euch bevor. Warum? Warum frage ich euch, hat der Herr seinen Wettern befohlen, dass sie herniederfahren und euch züchtigen? Ihr habt sein vergessen in eurem Taumel, gottverlassen ruht auf Jedem von euch tausendfältige Todesschuld. Darum . . . .“

      „Das ist schandmässiger Lug und Trug!“ erscholl plötzlich eine Stimme aus der Gemeinde.

      Hat die Seele dort gesprochen? Dringen Worte aus dem starren Stein?

      Es wäre nicht wunderbarer, als dass eine Stimme aus der Gemeinde es wagte, sich hier zum Widerspruche zu erheben.

      Die Blicke Aller richteten sich nach der Säule dort, wo Luzian stand, ein Lichtstrahl fiel grade auf sein Antlitz, auf dem ein wundersamer Glanz schimmerte: er blickte in die Sonne und seine Wimper zuckte nicht, dann schweifte sein Auge über die Versammlung hin, als wäre sie untergesunken, als suche und finde sein Blick Etwas, das über den Häuptern der Menschen um ihn her schwebte. Eine Weile herrschte Todtenstille, man hörte das Picken der Thurmuhr, es war wie der laute Herzschlag der ganzen Kirche.

      Jetzt rief der Pfarrer: „Wer hat es gewagt, das Wort des Herrn hier zu schänden?“

      „Ich!“ rief Luzian, und legte die zitternden Hände fest auf das Herz, das ihm zu springen drohte.

      „Sind eure Hände lahm? vom Satan gebunden?“ rief der Pfarrer, ,,dass sie sich nicht erheben, um das Heiligthum von dem gottesleugnerischen Aase zu säubern?“

      Ein Tumult entstand in der Gemeinde; es liess sich nicht ahnen und bestimmen, was daraus werden sollte.

      „Kommt her!“ tief Luzian, und streckte seine Arme weit aus, aber seine Hände waren nicht zum Segnen ausgebreitet, seine Fäuste ballten sich, „kommt her! Glaubt nicht, dass ich mich binden lasse, wie ein geduldig Lamm. Gott ist in mir, ich zerbreche die Hand, die sich nach mir ausstreckt.“

      ,,Soll der Gotteslästerer noch länger das Heiligthum entweihen?“ schrie der Pfarrer schäumend vor Wuth.

      Die Gemeinde war wie erstarrt; und Luzian sprach mit ruhiger, weithin vernehmlicher Stimme:

      „Ja, ich muss reden, und wenn man mich jetzt auf den Scheiterhaufen legt, ich muss. Du Gesalbter da oben, du schmähest Gott und die Menschen, ich will nicht Theil haben an deiner Sünde. Hört auf mich, Brüder und Schwestern! Ich bin kein Weiser, aber ich weiss: Gott ist die Liebe, Gott lebt in uns, und schickt er Wetter und Unheil, so thun wir uns zusammen und theilen mit einander, und Keiner hat sich zu schämen, die Gaben zu empfangen, und keiner darf hart sein, sie zu weigern. Du da oben, du willst wissen, warum Gott durch das Wetter unsere Felder verhagelt hat! Weil wir schlecht sind? Sind wir schlechter als alle unsere Nachbardörfer? Gott ist die Liebe, Gott ist in mir und die Liebe ist in mir, für euch, und ich will jetzt sterben. Die Hölle ist nur in dir da oben und in Allen wie du . . .“

      „Du bist verdammt und verflucht in Ewigkeit!“ schrie der Pfarrer und stieg die Kanzel herab.

      Der Gottesdienst war zu Ende, die ganze Gemeinde schwirrte durcheinander. Luzian ging festen Schrittes der Thüre zu, Alles wich vor ihm zurück, aber wie mit wunderbarer Kraft erhob sich die Ahne, fasste seine Hand und schritt so kräftig neben ihm her wie seit Jahren nicht. Sie gingen still heimwärts und dort sah sie den Luzian zum Erstenmale in seinem Leben weinen und laut schluchzen wie ein Kind.

      Die Ahne wusste gar nicht was sie beginnen sollte, sie lief kopfschüttelnd im Zimmer umher; drückte an allen Fenstern ob sie auch fest zu seien, und jagte zuletzt die Katze, die hinter’m Ofen sass, zur Thür hinaus; auch sie sollte nicht hören, dass der starke Mann weinte.

      Luzian sass da, er hatte die Hand auf den Tisch gelegt und das Antlitz darauf verborgen.

      ,,Meinst du nicht auch?“ tröstete die Ahne, „wenn der Kaiser Joseph nicht vergiftet wär’ und er hätt’ das Leben noch, der thät’ den jungen Pfarrer da ins Zuchthaus schicken? Nicht wahr?

      „Freilich,“ sagte Luzian, und schaute lächelnd auf.

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