Maritime E-Bibliothek: Sammelband Abenteuer und Segeln. Hannes LindemannЧитать онлайн книгу.
am Kap Bojador. Die Einheimischen, die man Mauren nennt, eine Mischung aus Berbern, Arabern, Semiten und Negern, sammeln bei Ebbe Algen, die, getrocknet und zu Bündeln gepreßt, nach Las Palmas verschifft werden.
Seetang wird an vielen Küsten der Welt geerntet, leider jedoch immer noch nicht in genügender Menge. Die Fabriken könnten ihn bei der Herstellung von unzähligen Produkten nutzbringend verwenden: Zahnpasta, falsche Zähne, Speiseeis, Würstchen, Puddingpulver, Schlankheitspillen und kosmetische Artikel. Aus Flugzeugen ließe sich flüssiger Seetang-Extrakt als Düngemittel absprühen, und der Erde könnten auf diese Weise Stoffe zurückgegeben werden, die der Regen ausgewaschen hat: Kalisalze, Stickstoff verbindungen, Phosphate und andere. Erst in jüngster Zeit haben Textilfabriken mit bestem Erfolg Alginsäure zum Appretieren und Imprägnieren von Geweben und Kleidungsstücken verwandt.
Daß ausgerechnet die Wüstenbewohner Meerestang ernten, überraschte mich. Sie tun es aber auch erst, nachdem sie von den Spaniern dazu angehalten wurden, diese ungeheuren Rohstoffreserven für den Menschen zu nützen. 71 v. H. der Erdoberfläche sind Wasser: welch ungenutzte Möglichkeiten! So wie vor der kalifornischen Küste schon Tangbarken und Tangmäher zur Ernte dieser riesigen Seetangwälder eingesetzt werden, so wird man über kurz oder lang auch systematisch die Tangwälder ausbeuten, die den Küsten anderer Länder vorgelagert sind.
Wichtiger noch als der Tang werden eines Tages die einzelligen Algen für die Ernährung der Menschheit sein. Eines der beinahe 20.000 Mitglieder zählenden Algenfamilie, die Chlorella, ist bereits in Laboratorien untersucht worden. Mit ihr hat man in der Kohlenstoffbiologischen Forschungsstation in Essen Versuche unternommen, bei denen man von der Vorstellung ausging, daß Algen zu den besten Sonnenverwertern gehören: fast zehnmal bessere als der allerbeste Sonnenverwerter unter unseren Kulturpflanzen, die Zuckerrübe.
Bei diesen Versuchen findet sogar der störende Rauch der vielen Fabrikschlote des Ruhrgebietes Verwendung: man leitet die Kohlensäure, die im Rauch enthalten ist, in Algenbecken, und die Süßwasseralgen bauen unter Lichteinwirkung aus Kohlensäure und Wasser Zucker und Stärke aus und können sich bei günstiger Temperatur, etwa bei plus 24 Grad Celsius, auf diese Weise einmal pro Tag vermehren. Das bedeutet, daß jeden Tag einmal geerntet werden kann, indem das Wasser zentrifugiert wird.
Das Sediment sieht wie feinste Spinatpaste aus und besteht aus Proteinen, Fetten, Stärke, Vitaminen und Spurenelementen. Man kann sich sogar aussuchen, was für Algen man erzeugen will, vorwiegend fetthaltige, stärke- oder eiweißhaltige. Die einzellige Chlorella hat kaum Abfallprodukte, da sie kein Stützgerüst wie andere Pflanzen besitzt – ein nicht zu unterschätzender Vorzug für die Nahrungsmittelfabriken.
Theoretisch ließen sich auf einem Hektar Wasseroberfläche jährlich 50 Tonnen Chlorella ernten, das ist 25 mal so viel wie der entsprechende Ertrag Weizen auf der gleichen Landfläche. Und dabei steht man erst am Beginn der Forschungen!
Aber zurück in die Wüste, zum Kap Bojador!
Von den Tangballen, die wie ein Haufen trockener Tabakblätter aussahen, schlenderten wir zum Leuchtturm, der von Stacheldrahtverhauen und Laufgräben umgeben ist, vor denen nachts die Schakale umherschleichen. Sobald wir im weiträumigen Hof des Turmes angekommen waren, klopfte man den Leutnant aus dem Bett. Er erschien im Schlafanzug und rieb sich verwundert ein paarmal die Augen, denn seit dem Bestehen des Leuchtturms war ich der erste Besucher. Freudestrahlend bot er mir eine Dusche an und lud mich zur Paella mit frischem Brot, Wein und Bier ein.
Auch die beiden Leuchtturmwärter waren inzwischen aufgestanden und baten mich flehentlich, doch ein paar Tage zu bleiben, sie kämen um vor Langeweile. Ich hätte es gern getan, jedoch die LIBERIA IV eine Nacht lang unbeaufsichtigt zu lassen, das kam mir nicht in den Sinn.
Beim Mittagessen saßen wir mit Mauren zusammen, und alle verhielten sich so, als hätte es nie Spannungen zwischen Spaniern und Mauren gegeben.
„Können Sie sich denn auf die Mauren verlassen?“ fragte ich später den Leutnant.
Er zuckte die Achseln: „Wir hoffen’s – seit dem Überfall auf diesen Turm haben wir hier nie wieder Ärger gehabt.“
„Und wann werden die entführten Leuchtturmwärter nach Ihrer Meinung wieder von den ‚Muros‘ entlassen?“
„Keine Ahnung! Das kann sich noch Jahre hinziehen!“
Ist ein Kamelhöcker ein Wassertank?
Einer der Mauren lud mich ein, seine Jaima, sein Zelt, zu besuchen. Der Leutnant fuhr mich in seinem Jeep über eine kaum erkennbare Piste und später querfeldein zu dem versteckt liegenden Zelt, in dem noch die letzten Spuren eines frisch geschlachteten Schafes zu sehen und zu riechen waren. Kleine Fleisthstücke dörrten, auf eine Schnur gereiht, in der Sonne. Der Maure zeigte mir mit berechtigtem Stolz seinen Besitz: vier verschleierte Frauen, eine Unmenge von schmutzigen Kindern, 50 Dromedare und ödes Land, soweit das Auge reichte. Zuweilen verkaufte er seine Dromedare als Braten auf die Kanarischen Inseln – zum Preise von rund 270 DM das Stück.
Kamele und Dromedare sind erst in historischer Zeit aus Kleinasien nach Afrika eingewandert, als die Pferde sich in der unfruchtbar gewordenen Sahara nicht mehr halten konnten. Diesen Tieren sagte man früher nach, sie könnten bis zu drei Wochen in der Wüste marschieren, ohne trinken zu müssen; man glaubte, sie besäßen einen Wassertank im Magen oder gar im Höcker.
In Wirklichkeit sind Kamele und Dromedare ebensowenig wie der Mensch in der Lage, Wasser zu tanken; wie er können sie nur ein Flüssigkeitsdefizit auffüllen. Ein Dromedar ist einmal dabei beobachtet worden, wie es in zehn Minuten 120 Liter Wasser trank und sein vorher vollkommen „abgemagerter“, weil eingetrocknet gewesener Körper die Flüssigkeit so schnell aufnahm, daß er zusehends beleibter wurde.
Kamele und Dromedare haben im Gegensatz zum Menschen verschiedene physiologische Eigenschaften, die sie für das Leben in der Wüste besonders geeignet machen: so können sie Harnstoff konzentrierter ausscheiden – vielleicht sogar auch Kochsalz, denn sie fressen mit Wonne Seetang. Während die Temperatur des Menschen auch in der Hitze ungefähr gleich bleibt, wechselt sie bei den Kamelen und Dromedaren ganz erheblich; morgens kann sie plus 34 Grad Celsius betragen und in der Mittagshitze 41 Grad, höher steigt sie allerdings nicht mehr. Der Vorteil liegt auf der Hand: die Wüstenschiffe schwitzen auf diese Weise weniger und sparen Flüssigkeit. Zusätzlich beziehen sie indirekt Wasser aus ihren Höckern, die vorwiegend aus Fett bestehen: beim Abbau des Fettes wird ja Wasser frei. Das gilt für Menschen wie für Tiere; aus 1000 Gramm Fett können beide etwa 1070 Gramm Wasser gewinnen. Ein weiterer Vorteil der Wüstentiere: ihre Haare isolieren besonders gut gegen Hitze. Die Araber und die Nomaden der Wüste wissen das genau und stellen daher ihre Wollkleidung meist aus Kamelhaar her.
Der Mensch hat sich physiologisch der Wüste nicht anpassen können. Verliert er dort mehr als 12 v. H. seines Körpergewichts durch Transpiration – in trockener, heißer Luft kann er theoretisch in 24 Stunden bis zu 28 Liter Körperflüssigkeit abgeben –, so muß er einen dramatischen, qualvollen Tod erleiden: seine innere Hitze steigt, sein Blut wird zähflüssig und klebrig, sein peripherer Kreislauf wird verstopft. In feuchtem, gemäßigtem Klima wird ihm hingegen ein mehr als 15%iger vorübergehender Verlust des Körpergewichtes nicht unbedingt ernstlich schaden.
Bei Dromedar und Kamel ist es anders: selbst wenn sie durch Hunger und Durst bis zu 25 v. H. leichter werden, verdickt sich ihr Blut nicht. Auch Tiere, die sich zum Winterschlaf verkriechen, können ein Drittel ihres Gewichtes durch Wasserverlust einbüßen, ohne dabei richtig krank zu werden.
Die Dromedare, diese Fernlaster der Wüste, wissen genau, wo Wasser zu finden ist. Haben sich die Nomaden in der Wüste verirrt, so überlassen sie ihnen daher vertrauensvoll die Führung und die Suche nach der nächsten Wasserstelle, und die Tiere gehen selbst dann unbeirrt ihren Weg, wenn eine trügerische Fata Morgana sie auf falsche Fährte locken will.
Stehen Dromedaren gute Weideplätze zur Verfügung, so brauchen sie nicht zu trinken: im Gras ist genügend Wasser enthalten. In heißester Wüste müssen auch sie alle drei bis vier Tage etwas zu trinken bekommen.
Wahre