Maritime E-Bibliothek: Sammelband Abenteuer und Segeln. Hannes LindemannЧитать онлайн книгу.
von Piraten gezwungen worden war, ins Meer zu springen, jedoch von einem Tümmler nach Taenarium zurückgebracht wurde.
Bekannt ist auch ein Fall, in dem Delphine im Aquarium einen ohnmächtigen Artgenossen, der nicht mehr an die Oberfläche kommen konnte, um Luft zu holen, mit ihren Schnauzen an die frische Luft stießen. Im offenen Meer haben Tümmler sogar ein durch eine Explosion bewußtlos gewordenes Tier systematisch über Wasser gehalten, damit sein Atemloch – Tümmler haben es auf der Stirn – an die Luft gelangte.
Delphine und Tümmler sind Wale und somit keine Fische, sondern Säugetiere, die einst vom Land ins Meer stiegen. Sie besitzen Lungen, die sie alle drei bis fünf Minuten mit frischer Luft füllen müssen, und wenn sie das nicht tun können, ertrinken sie so jämmerlich wie wir. Aus diesem Grunde verläuft der Geburtsakt bei diesen Tieren zuweilen höchst dramatisch. Sobald der Kopf des Kalbes – es wird mit dem Schwanz zuerst geboren – frei ist, zerreißt die Mutter mit einer kräftigen Schwimmbewegung die Nabelschnur und drückt mit ihrer Schnauze das Baby an die Luft. Einige andere Tümmlerfrauen stehen in der Nähe bereit, um nötigenfalls als „Hebammen“ fungieren zu können!
Auch ein langwieriger Saugakt würde durch das dauernde Luftschnappen gestört werden, daher hat es die Natur so eingerichtet, daß dem Baby ein Milchstrahl – wie mit einem Syphon geschossen – in den Schlund saust, sobald es an der mütterlichen Zitze zieht.
Wird das Kalb nach rund einem Jahr abgesetzt, kann die Umstellung von Milch auf Fischnahrung Verdauungsschwierigkeiten mit sich bringen. Die Mutterkühe beobachten während dieser Zeit ihre Kälber besonders aufmerksam und massieren nötigenfalls deren Magengegend ein bißchen mit der Schnauze, um den natürlichen Vorgängen nachzuhelfen.
Seitdem ich die Tümmler in mehreren Seeaquarien Floridas beobachtet habe, halte ich sie für die intelligentesten Seetiere, die ich kenne; sie sind komischer als ein Zirkusclown, neugieriger als eine Concierge und spielsüchtiger als ein Kätzchen. Der Dauphin, der französische Kronprinz, wußte wohl, warum er eines dieser klugen Tiere im Wappen führte.
In den Seeaquarien hat man die Tümmler zu Haustieren, besser gesagt: zu Zirkustieren dressiert; sie springen bis zu sechs Metern in die Höhe und schnappen aus dem Mund eines Wärters einen Fisch, ohne Mund und Nase des Mannes zu berühren; sie springen durch Reifen, tanzen und pfeifen, ziehen – angeschirrt – Boote, erbetteln Liebkosungen, spielen Wasserkorbball und werfen den Zuschauern ins Wasser gefallene Gegenstände wieder zu. Ihr Kopf allein schon sieht lustig aus.
Wale sind Leckerbissen; deswegen übersieht man in katholischen Gegenden gern, daß ein Delphin ein Säugetier ist und an Fastentagen eigentlich nicht gegessen werden darf; und selbst ein Zoologe hat meistens nichts dagegen, wenn man den Wal an solchen Tagen zum „Walfisch“ degradiert.
Die Rache des „Pelorus Jack“
In Neuseeland machte jahrzehntelang ein weißer Delphin, ein Albino also, von sich reden, der beinahe ebenso berühmt war wie „Moby Dick“.
„Jackie“, wie die Neuseeländer ihn nannten, lenkte zum ersten Mal 1871 die Aufmerksamkeit auf sich, als er vor der „Brindle“, die durch die gefährlichen und gefürchteten Riffe im Norden von Neuseeland navigierte, einherschwamm und ihr den Weg durch die richtige Fahrrinne wies. Das Schiff folgte dem Tier und erreichte sicher den nächsten Hafen, und der Kapitän riet allen Seeleuten: „Haltet euch nur an den Delphin im Pelorus Sound, der wird seine Sache schon richtig machen.“
Tatsächlich ist seitdem kaum ein Schiff durch diese gefahrvolle Enge gefahren, ohne daß nicht der „Pelorus Jack“ seine Dienste als Lotse angeboten hatte und in kurzem Abstand vor den hölzernen und eisernen Bugs einhergeschwommen wäre. Selbst kleine Yachten geleitete er sicher durch die schwierigen Gewässer.
„Jackie“ tat seinen Dienst wie jeder andere Lotse auch. Im Gegensatz zu ihnen jedoch kannte er keinen Urlaub, keine Gehaltserhöhung und keine Gewerkschaft; trotzdem erfreute er sich stets bester Gesundheit. Während seiner Dienstzeit gab es keinen Seeunfall im Pelorus Sound. Jackie wurde zu einer Symbolgestalt, und man plante sogar, ihn im neuseeländischen Staatswappen an Stelle eines der Boote auftreten zu lassen.
Als Jackie im 33. Jahr seines merkwürdigen Lotsendienstes die „Penguin“ durch die Riffe führte, schoß ein betrunkener Passagier mit dem Revolver nach ihm. Jackie wurde anscheinend in den Kopf getroffen und verschwand auf der Stelle. Die empörten Matrosen versuchten, den Trunkenbold kurzerhand über Bord zu werfen, und der Kapitän konnte sie nur mit Mühe daran hindern.
Alle Welt glaubte, Pelorus Jack sei diesem heimtückischen Anschlag erlegen. Jedes Boot, das die Enge passierte, stellte einen Ausguck ab, um nach dem Delphin zu fahnden. Doch rund ein Jahr lang war jegliche Suche vergeblich.
Dann aber flitzte der alte Jackie unerwartet mit elegantem Sprung vor dem Bug der „Pacific Dawn“ aus dem Wasser und geleitete das Schiff wieder durch die Enge. Sofort erließ die Regierung Neuseelands ein Gesetz, um das Tier in Zukunft zu schützen.
Eines Tages dann fuhr die „Penguin“ wieder durch den gefährlichen Sund. Jackie war zwar zur Stelle, doch plötzlich verschwand er – als habe er das Schiff erkannt, von dem ihm seinerzeit der böse Streich gespielt worden war. Dichter Nebel kam auf, jede Navigation wurde unmöglich, die „Penguin“ lief auf ein verborgenes Riff und sank. Die beiden Rettungsboote, die man zu Wasser lassen konnte, kenterten. Nur drei Seeleute wurden gerettet.
„Der Pelorus Jack“, tuschelte man.
Bis 1912 versah Jackie seinen Dienst. 40 Jahre lang half er den Seeleuten, dann verschwand er für immer. Das erste Schiff, das von Jackie nicht mehr gelotst wurde, war eine schwimmende Schlachterei, ein Walfangschiff.
Omar und die Afrikaner
Nach gut vier Tagen meist heftiger achterlicher Winde traf ich spät in der Nacht vor dem Kap Verde ein und wartete bis zum Morgengrauen mit der Einfahrt in den Hafen von Dakar.
Jeden Tag hatte ich rund 100 Seemeilen geschafft, vier Tage war ich bei achterlichen Winden gerollt, als ob ich auf einem Baumstamm und nicht auf einer Yacht segelte. Aber ich war zufrieden wie einer, dem das Leben erneut geschenkt wurde; ich hatte meinen Hafen erreicht, und das löste etwas von der Genugtuung aus, die nur der kennt, der je zur See gefahren ist.
Der moderne Hafen von Dakar ist so weiträumig, daß es geraume Zeit dauerte, bis ich einen günstigen Ankerplatz gefunden hatte. Im allgemeinen ziehen Seeleute die ehemals französischen Häfen den britischen vor, und das nicht etwa des Weines und der Frauen wegen: die Erledigung der nötigen Formalitäten wird von den Eingeborenen früherer französischer Gebiete großzügiger gehandhabt; die Hafenanlagen sind oft moderner.
Man kann einem gebildeten Afrikaner – südlich der Sahara nennt man die Schwarzen und Farbigen „Afrikaner“ – auf den ersten Blick ansehen, ob er unter englischer, französischer, spanischer oder portugiesischer Herrschaft aufgewachsen ist.
Afrikaner sind genauso intelligent wie Europäer, allein ihr Bildungsniveau ist meist erschreckend niedrig. Nachdem ich drei Jahre lang als Arzt Afrikaner behandelt habe, glaube ich nicht daran, daß sie bestimmte rassisch gebundene Talente besitzen oder nicht besitzen, also etwa musikalischer sind als wir oder technisch weniger begabt. Unterschiede dieser Art – und das gilt meiner Meinung nach für alle Völker und Rassen – lassen sich meist durch Umwelteinflüsse und Erziehung erklären. Daß gesunde Afrikaner nicht faul sind, hat sich inzwischen auch bei uns herumgesprochen. Daß ihre Gewissenhaftigkeit und Zuverlässigkeit häufig zu wünschen übrig lassen, erklärt sich daraus, daß diese Begriffe für sie neu sind und sie sich erst langsam mit ihnen vertraut machen müssen.
Beim Anlegen an der Mole half mir ein junger Afrikaner die Leinen belegen2. Dann ließ er sich häuslich an Bord nieder und zeigte mit dem Finger auf das Deck: „Ich hier, ich Ihnen helfen.“
“Aber Monsieur, ich brauche Sie nicht!“
„Dann ich bleibe, bis Sie mich brauchen!“
Tatsächlich blieb