Maritime E-Bibliothek: Sammelband Abenteuer und Segeln. Hannes LindemannЧитать онлайн книгу.
machten die Hiesigen so wütend, daß sie schließlich losschlugen. Die ‚Ausländer‘ wurden ausgewiesen, erhielten keine Entschädigung und mußten Hals über Kopf das Land verlassen.“
„Glauben Sie, daß diese ‚Ausländer‘ für die höheren Stellungen im Lande geeigneter waren als die Einheimischen?“
„Nein und ja! Durch den Aufschwung der Elfenbeinküste benötigte man in den letzten Jahren so unerhört viele Facharbeiter, daß mehr und mehr Leute aus anderen Gebieten, in denen die Löhne weniger hoch waren, ins Land strömten. Die Hiesigen sind natürlich genauso qualifiziert wie die ‚Ausländer‘, und daß jetzt viele einheimische Fachkräfte, die inzwischen in den letzten zwei, drei Jahren ausgebildet worden sirid, keine Stellung finden konnten, schuf böses Blut. Es wird sicher nicht das letzte Mal sein, daß sich Afrikaner gegenseitig bekämpfen.“
„Ist es nicht gerade typisch für Afrikaner, daß sie sich gegenseitig befehden?“
„In der Vergangenheit sicherlich – ob es in Zukunft besser sein wird, bleibt abzuwarten.“
Ich dachte an die Worte Präsident Tubmans, der – die Streitigkeiten Europas vor Augen – von der Einigkeit der Afrikaner nicht überzeugt war. überdies, wer soll die panafrikanische Bewegung leiten? Früher glaubten die Liberianer, sie seien die Vorkämpfer der afrikanischen Freiheit und Einheit. Dann glaubte Nkrumah, er sei der Auserwählte, sein Volk ist sogar ernstlich empört, wenn man die Leistungen eines anderen Afrikaners mit seinen auch nur vergleicht. Auch Touré wird sich kaum ohne weiteres einem anderen Afrikaner unterordnen.
Westafrika kann gar nicht so schnell zur Ruhe kommen; die Grenzen der einzelnen Länder werden sich noch manches Mal verschieben, Unionen und Föderationen werden kommen und gehen. So hat der starke Mann der Elfenbeinküste, Houphouet-Boigny, die „Union Sahel-Benin“, einen lockeren Staatenbund aus den Republiken Niger, Dahomey, Volta und Elfenbeinküste, als Gegengewicht zu der aus dem Sudan und dem Senegal gebildeten Föderation Mali, geschaffen, die damals gerade ins Leben gerufen worden war, heute jedoch wieder aufgelöst ist.
Bis jetzt machten die Europäer die politischen Fehler in Westafrika, nun sind die Afrikaner in die Lage gekommen, sie zu machen. Werden sie klüger sein? Noch sieht es nicht so aus.
Brandenburger an der Goldküste
Als ich Abidjan verließ, lagen etwa 250 Seemeilen bis Accra, der Haupstadt Ghanas, vor mir. Im Gebiet der früheren britischen Goldküste wechselt die Küstenlandschaft ihr bisheriges Aussehen: Hügel dringen bis zum Meer vor, es gibt keine Lagunen mehr, und alle paar Meilen nesteln sich Eingeborenendörfer an die Hänge, die von Kokospalmen beschattet werden.
In der Nähe des Kaps „Three Points“ hielt ich besonders gut Ausschau, denn ich suchte die Ruinen der Festung Groß-Friedrichsburg, die gegen Ende des 17. Jahrhunderts von brandenburgischen Landsleuten erbaut worden ist. Auf einem kleinen Felsvorsprung entdeckte ich schließlich das Fort Brandenburg, wie die Einheimischen es nennen – es lag halb versteckt hinter einem Palmenhain. Offensichtlich wurde es gerade restauriert.
1651 bereits hatte der Herzog von Kurland Stützpunkte an der Goldküste erworben, dreißig Jahre später beauftragte der Große Kurfürst seinen Kammerjunker Major von der Gröben, nach Westafrika zu segeln und nach günstigen Plätzen für Niederlassungen zu suchen. Von der Gröben gründete in der Nähe von Axim am Cape Three Points die Feste Groß-Friedrichsburg. So wie die Briten ihre Guinee schufen, die gängigste Goldmünze der damaligen Zeit, die heute nur noch Rechnungseinheit für 21 Schillinge ist, prägten die Brandenburger ihren freilich weniger langlebigen Guineagulden, den man in der Heimat auch Schiffsdukaten nannte. Aus jenen Jahren stammt auch das Wort „Kolonialwaren“, ein Sammelbegriff für Lebens- und Genußmittel, sowie für Gewürze aus Afrika und den Tropen im allgemeinen.
Aber des Großen Kurfürsten Weitblick – der vielleicht eine Folge seiner Erziehung in den Niederlanden war – wurde von seinem Enkel schon nicht mehr geteilt; der sparsame Soldatenkönig interessierte sich wenig für Kolonialwaren und verkaufte das Fort Groß-Friedrichsburg schon im Jahre 1717 an die Holländische Compagnie – für 7200 Dukaten.
Als die Niederländer dann ihr teuer erkauftes Fort in Besitz nehmen wollten, verwehrte der mit den Brandenburgern verbündete Eingeborenenhäuptling John Conny ihnen den Zugang; er war von dieser Transaktion nicht benachrichtigt worden. Die Treue wurde nicht nur in Brandenburg-Preußen großgeschrieben. Die Niederländer mußten ihre eigene Festung im Sturm nehmen!
An der Goldküste sieht man beinahe auf jedem zweiten Felsvorsprung Ruinen oder bisweilen auch gut erhaltene Forts von Europäern, die dort einst Reichtümer zu erwerben suchten. Selbst die Schweden und die Dänen ließen es sich nicht nehmen, sich am lukrativen Sklavenhandel zu beteiligen.
Wie kommt es, daß gerade in diesem Küstengebiet so viele Europäer ihre Spuren hinterlassen haben? Sklaven hatte man doch überall auftreiben können, nicht nur an der früheren „Sklavenküste“ zwischen Volta- und Nigermündung!
Der Grund ist darin zu suchen, daß die Küste hier häufiger als in anderen Gegenden von felsigen Kaps und Buchten unterbrochen wird, in denen die Europäer landen konnten. überdies sind diese Gebiete weniger stark von Krankheiten verseucht als die westlichen Nachbarküsten, und vor allem wird das Gold, das es hier im Innern des Landes gibt, die Europäer angelockt haben.
Die Basler Mission als Pionier
Den Händlern folgten die Missionen, die in den ersten Jahren der Besiedlung weit mehr geleistet haben als die Kolonialmächte, wenn auch viele Leute bedauern, daß sie die gut gewachsenen Eingeborenenmädchen in Kleider steckten.
Schon 1827 begann die „Basler Mission“, die vorwiegend aus Deutschen bestand, ihre Arbeit in der Goldküste. Sie hat sich nicht auf bloße Hilfsaktionen beschränkt. Helfen ist viel leichter als unterrichten und erziehen. Sie hat vielmehr Schulen, Ausbildungsstätten für Facharbeiter und Krankenhäuser gebaut.
Die britischen Gouverneure der früheren Goldküste haben mehrfach nachdrücklich darauf hingewiesen, daß der britische Erfolg ohne die Vorarbeit der Basler Mission nicht denkbar gewesen wäre. So sagte Sir John Maxwell 1929: „Basler Missionare haben die erste gute Straße von der Küste landeinwärts gebaut. Als noch niemand daran dachte, war es die Basler Mission, die den Mangel an Handwerkern in diesem Lande sah und sich mit Erfolg bemühte, ihm abzuhelfen. Sie hat sich schon vor vier Jahrzehnten die größte Mühe gegeben, junge Leute des Volkes zu Schreinern, Zimmerleuten, Schmieden, Schustern auszubilden. Und nicht nur zum Segen des Landes selbst: an der ganzen Westküste Afrikas waren diese Handwerker der Basler Mission bekannt und gesucht, von Sierra Leone bis hinunter zum Kongo. So ist die Goldküste in ganz Westafrika bereits ein berühmtes Land gewesen, als man von den anderen Kolonien noch kaum sprach. Das hat sie der Basler Mission zu verdanken.
Ghana wäre niemals so schnell selbständig geworden, wenn nicht die Missionare still und demütig so viel für dieses Land getan hätten. Um die Jahrhundertwende waren nahezu alle Beamten und Angestellten der Kolonialverwaltung in den Ausbildungsstätten der Basler Mission erzogen worden, und es ist gut, diese Fakten in Erinnerung zu bringen, denn es wird die Zeit kommen, da die Missionsarbeit in den jungen Staaten vergessen ist.
Selbst heute ist es noch so, daß Facharbeiter der Goldküste den Nachbarländern ihre Hilfe anbieten. Als ich, zum Beispiel, in Liberia arbeitete, beobachtete ich, daß dort nahezu alle Facharbeiter aus Ghana stammten. Auch die Afrikanische Fruchtcompagnie Laeisz & Co. in Sinoe mußte Goldküstenleute anheuern, als sie vor wenigen Jahren mit dem Aufbau ihrer Plantage begann; fähige Liberianer schien es einfach nicht zu geben.
Rund ein Fünftel der fünf Millionen Ghanesen sind heute Christen, darunter die führenden Schwarzen des Landes. Auch in allen anderen westafrikanischen Ländern sind die meisten führenden Afrikaner in Missionsschulen erzogen worden.
Wenn hier und da darauf hingewiesen wird, daß die christliche Missionierung in Westafrika trotzdem weniger Erfolg habe als die mohammedanische, so kann man einen Hauptgrund dafür vielleicht in dem Verzicht sehen, den