Maritime E-Bibliothek: Sammelband Abenteuer und Segeln. Hannes LindemannЧитать онлайн книгу.
war die portugiesische Insel São Tomé, auf der die Portugiesen bereits im 16. Jahrhundert mit der Anlage von Plantagen begonnen haben. Ein hübsches, typisch portugiesisches Städtchen grüßte schon von weitem, als ich mich der Insel näherte. Cafes, Marktplatz, Denkmäler und nicht zuletzt auch die Afrikaner der gebildeten Schicht machten einen kleinstädtischen, portugiesischen Eindruck.
Auf Reede lagen zwei Dampfer, viele Leichter verkehrten zwischen ihnen und der Mole, von den Gebirgshängen schimmerte das Weiß stattlicher Plantagenhäuser – man merkte es São Tomé an, daß hier seit Jahrhunderten Europäer schalteten und walteten.
Nirgendwo in Afrika sah ich so viele Mulatten wie auf São Tomé und Principe. Die Portugiesen sind in der Wahl der schwarzhäutigen Partner am wenigsten zurückhaltend, und die Eingeborenen dieser Inseln sind durch diese Blutmischungen für unsere Begriffe weitaus attraktiver als die meisten anderen Westafrikaner, ausgenommen die Senegalesen.
Alle Guineainseln werden im Vergleich zum übrigen Westafrika von relativ vielen Weißen bewohnt, nicht etwa deshalb, weil das Klima besser wäre, sondern weil Portugiesen und Spanier hier trotz ihres kargen Lohnes immer noch mehr verdienen als auf der heimischen Peninsula.
Der Verwalter einer Musterplantage bat mich zu Gast: die Roça do Ouro ist zwar kaum eine der größten Plantagen in Westafrika, sie ist aber sicher eine der ältesten und dennoch modernsten. überdies ist sie mit ihrem eigenen Elektrizitätswerk, ihrer Mechanikerwerkstatt, Tischlerei, Schmiede, Schule und einem Riesenkrankenhaus autark – eine Stadt inmitten einer bis auf den letzten Quadratmeter wohlgenutzten Plantage. Der besondere Stolz des Verwalters war ein botanischer und zoologischer Garten, in dem man die gesamte Flora und Fauna der Insel bewundern konnte, dazu ein eigenes kleines Museum.
Für die Kakaogärung und die Trocknung der Kakaobohnen waren gerade neue Maschinen aus Deutschland eingetroffen. Erst wenn man die riesigen Kakaoplantagen auf Principe und São Tomé gesehen hat, kann man verstehen, daß die beiden Inseln, die zusammen etwa die Größe Berlins ausmachen, vor dem Ersten Weltkrieg noch ein Drittel der Kakaowelternte lieferten. Diese Guineainseln sind altes Kulturland der Europäer, und sie werden vielleicht in Zukunft die einzigen afrikanischen Gebiete sein, die für immer in europäischem Besitz bleiben – falls von außen keine Revolutionen hineingetragen werden.
Inzwischen war die Tornadozeit hereingebrochen; jeden zweiten Tag zog sich ein drohendes Gewölk zusammen und entlud sich in einem stürmischen, von tropischen Regenschauern begleiteten überfall, bei dem ich sehr auf mein Boot aufpassen mußte. Obwohl solche Tornados bis zu über 12 Windstärken ansteigen können, dauern sie meist nicht länger als eine Stunde und sagen sich auch immer vorher durch eine besondere Wolkenbildung an, so daß man sich darauf vorbereiten kann.
Gabon – Land Albert Schweitzers
Schon kurz bevor ich abfuhr und später noch einmal, ein paar Stunden vor meiner Ankunft im kleinen Hafen Port Gentil in Gabon, sausten Tornados mit Donner, Blitz und Regenschlag über die LIBERIA hin. Auch auf der Reede von Port Genil wurde das Boot von mehreren Tornados heimgesucht; dort waren sie um so gefährlicher, als der Ankergrund ausgesprochen schlecht war – selbst ein Luxusdampfer wurde im Hafen von Port Gentil einmal durch einen Tornado von seinem Ankerplatz vertrieben und wäre fast an Land zerschellt. Zum Glück stellten mir die Franzosen bereitwillig eine ihrer schweren Ankerbojen zur Verfügung.
Port Gentil liegt einige Grade südlich des Äquators; die Sonne stand zu dieser Jahreszeit gerade senkrecht über der „Linie“. So hübsch wie sein Name klingt ist Port Gentil wirklich nicht. Es ist ein teufelsheißer, langausgedehnter Ort, in dem man bei jedem Schritt Schweißtropfen verliert. Schwimmen möchte man am liebsten durch diese drückende Luftfeuchtigkeit, die weder zum Ersticken noch zum Durchatmen reicht.
Gabon ist berühmt durch sein Okoume, eine Holzart, die sich hervorragend für die Herstellung von Sperrholz eignet. Kein Wunder, daß Port Gentil die größte Sperrholzfabrik der Erde besitzt! Weil das Holz so billig und so reichlich vorhanden ist, kann man es sich leisten, dort Sandwege mit Holzplatten zu bedecken, damit die Autos nicht steckenbleiben.
Weitaus berühmter noch ist Gabon jedoch durch eine „Attraktion“ geworden, die auf der ganzen Welt nicht ihresgleichen hat: durch Lambarene oder, genauer gesagt, durch Albert Schweitzer.
Ein Besuch in Lambarene steht heute auf dem Programm der meisten Afrikareisenden; für mich war er der Höhepunkt meiner ganzen Fahrt.
Pirogenfahrt durch den Dschungel
In Abidjan, der Hauptstadt der westafrikanischen Elfenbeinküste, hatte ein Franzose mir ein Buch geschenkt: „L’Afrique, les Africains“. Es war von einem französischen Journalistenehepaar geschrieben worden, das alle zwei bis drei Monate ein neues Buch auf den Markt wirft.
Diese beiden jungen Franzosen hatten sich einige Tage in Gabon aufgehalten und allen Klatsch niedergeschrieben, dessen sie habhaft werden konnten. Ihre Reportage gipfelt in dem Satz: „Man fragt sich, ob er hierher gekommen ist, weil er die Menschen liebte, oder weil er sie verabscheute.“ Das Ehepaar wollte offensichtlich den „Rummel“ um Albert Schweitzer nicht mitmachen und ging deswegen in Opposition.
Wer Schweitzer ist, weiß heute beinahe jedes Kind. Was er geleistet hat, worin seine einmalige Größe besteht, wissen viele Menschen. Über seine Persönlichkeit aber können nur wenige Auskunft geben, und noch wenigere wahrscheinlich werden ihn ganz verstehen.
Lambarene ist ein afrikanisches Dorf wie viele andere auch. Und doch ist sein Name in aller Welt bekannt geworden. Wem hat es eigentlich seinen Ruhm zu verdanken? Dr. phil. Schweitzer? Dr. theol. Schweitzer? Oder dem Tropenarzt Dr. med. Schweitzer?
Lambarene ist ein Wallfahrtsort geworden: „Keine Afrikatour ohne Lambarene!“ heißt es beinahe schon. Von New York aus kann man es regelmäßig besuchen. Neugierige aus allen Ländern und Erdteilen überschwemmen den sonst so stillen Ort. Idealisten aus allen Gegenden der Welt, aller Religionen und Rassen, bieten sich Schweitzer an, um ihm seine Arbeitslast tragen zu helfen.
Lambarene ist auf dem Luftwege ebenso leicht von den Vereinigten Staaten aus zu erreichen, wie auf dem Wasserweg von Port Gentil, das an einem der Mündungsarme des Ogowe liegt, des gleichen Ogowe, der das Albert-Schweitzer-Hospital von der Ortschaft Lambarene trennt. Am leichtesten, am schnellsten und am bequemsten gelangt man nach Lambarene jedenfalls mit dem Flugzeug, sei es von Port Gentil aus, von Libreville, der Hauptstadt Gabons, oder von Brazzaville, dem Hauptort des früher französischen Kongogebiets. Von Libreville kann man überdies noch mit einem Auto dorthin gelangen und danach seine Fahrt nach Brazzaville fortsetzen.
Der Ogowe mit seinen Nebenflüssen schlängelt sich um einen unsichtbaren Äquator wie die Schlange um den Äskulapstab. Mit der LIBERIA IV konnte ich freilich nicht nach Lambarene gelangen; ihr Motor war zu schwach, um gegen die reißende Strömung des Ogowe anzukämpfen. Mein Freund Andre Lantz, Apotheker, Brillenmacher und Erbauer von kühn konstruierten Segelbooten, stellte mir deshalb sofort eine lange Piroge zur Verfügung, dazu zwei Außenbordmotoren, Benzin, Wasser in Dosen und – Bier.
Die „Chargeurs Réunis“ gaben mir den afrikanischen Lotsen Benoir mit auf den Weg, denn es sind über 260 Kilometer flußaufwärts nach Lambarene, durch ein Flußnetz von toten Armen, über Nebenflüsse und Seen, durch moskitoverseuchte Sümpfe, über Sandbänke und reißende Wirbel.
Als Albert Schweitzer 1913 nach Lambarene kam, mußte er nahezu eine Woche für diesen Weg rechnen. Damals gab es noch riesige Herden von Flußpferden, die sich ohne Furcht den Einbäumen näherten, wie er mir später erzählte. Krokodile sonnten sich auf den Sandbänken, zuweilen auch Elefanten. In den Baumwipfeln kreischten Affen, Scharen von Reihern jeglicher Größe äugten aus Schilf und Gesträuch, Wasserhühner gackerten in ihren Verstecken, und Eisvögel strichen flach über den Strom.
Zur Mittagszeit brausten mein Lotse und ich auf die weite Bucht von Port Gentil zu und nahmen Kurs auf den Mündungsarm des Ogowe, der uns nach Lambarene führen sollte. Nach einigen Meilen bog unser Boot in den Flußarm ein, der bald immer enger wurde. Mangroven und Palmen wechselten am Ufer ab. Aus einem kleinen