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Revolutionen auf dem Rasen. Jonathan WilsonЧитать онлайн книгу.

Revolutionen auf dem Rasen - Jonathan Wilson


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des 2-3-5. Der Verein war ursprünglich ein Kricket- und Rugbyklub gewesen und spielte im Jahr 1878 ein „einmaliges“ Spiel nach den Regeln der FA gegen den FC Eagley. Für dieses Spiel ist zwar keine Formation überliefert, doch traf man im November des darauffolgenden Jahres mit einer im klassischen 2-2-6 aufgestellten Mannschaft auf die Halliwell Rovers, spielte demzufolge mit zwei Verteidigern, zwei Läufern, zwei Rechtsaußen, zwei Linksaußen und zwei Mittelstürmern. In der Saison 1880/81 trat Preston dem Fußballverband von Lancashire bei. Zwar hatte man zunächst mit Problemen zu kämpfen, doch der Zugang einer Reihe schottischer Spieler – de facto allesamt Profis – gab dem Verein neue Impulse. 1883 zeigte Prestons Mannschaftsaufstellung erstmals ein 2-3-5-System. Es ist zwar ungeklärt, auf wessen Eingebung dies beruhte. Bekannt ist jedoch, dass der Lehrer und Arzt James Gledhill aus Glasgow in einer Reihe von Vorlesungen „an der Tafel aufzeigte, zu was eine Mannschaft aus ausgewählten Spezialisten in der Lage sein könnte“, wie David Hunt in seiner Geschichte des Klubs festhielt. Mit genau diesem System machte sich Preston auf, die beiden ersten Meisterschaften in der Football League zu gewinnen – die erste davon 1887/88 ohne eine einzige Niederlage.

      Die englische Nationalmannschaft spielte das 2-3-5 erstmals 1884 in einem Match gegen Schottland. Im Oktober desselben Jahrs war das System so allgemein verbreitet, dass der Umpireohne weitere Erläuterung die 2-3-5-Formation von Notts County abdruckte, als die Mannschaft zu einem Freundschaftsspiel gegen die damalige Grafschaft Renfrewshire gen Norden reiste. Die schottische Nationalmannschaft trat erstmals im Jahr 1887 mit der „Furche“ an und löste damit ein vielstimmiges Murren darüber aus, dass man eine ursprünglich englische Taktik nachäffte. Der Tonfall eines 1889 im Scottish Referee veröffentlichten Porträts des Celtic-Glasgow-Spielers James Kelly macht jedoch deutlich, dass die Debatte zu Ende des Jahrzehnts abgeschlossen war: „Eine Reihe von Leute glaubt, dass man in Schottland viel von den eigenen Stärken im Spiel opferte, als man die Mittelläuferposition übernahm“, war dort zu lesen. „Wir teilen diese Auffassung ganz und gar nicht, und wenn von den Spielern in unseren Klubs, die diese Position bekleiden, mehr Männer das Kaliber von Mr. Kelly hätten, gäbe es weder eine Meinungsverschiedenheit in dieser Angelegenheit, noch bestünde irgendein Grund zu bedauern, in dieser Sache dem englischen Beispiel gefolgt zu sein.“

      In den dreieinhalb Jahrzehnten danach blieb das 2-3-5 zumindest in Großbritannien die Standardformation. Das bedeutet allerdings nicht, dass es keine Unterschiede im Detail gegeben hätte. Zwar wurden in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg noch keine komplexen Taktikdebatten geführt. Allerdings beschäftigte man sich nun zunehmend mit der Frage, wie Fußball eigentlich gespielt werden sollte. Auch zu König Eduards Zeiten spielten die Mannschaften sicher nicht Woche um Woche den gleichen Stiefel herunter.

      So erschienen im Sheffield Telegraph and Star Sports Special beispielsweise zwischen 1907 und 1914 insgesamt 64 Lehrbeiträge. Zugleich listet Peter J. Seddons Football Compendium zwölf zwischen 1898 und 1912 erschienene Bücher oder Handbücher über das korrekte Fußballspiel auf. Davon waren neun ganz oder zumindest unter inhaltlicher Beteiligung von Profispielern geschrieben worden. Hinzu kam eine ganze Reihe an Kolumnen eines sogenannten Looker-On (gewöhnlich der schottische Journalist Bruce Campbell) mit dem Titel „Blätter aus meinem Notizbuch“. Darin wurden Aspekte von Taktik und Spielweise erörtert, außerdem fand häufig ein Austausch mit den Lesern statt. Alex Jackson vom National Football Museum, Experte für den Fußball in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg, hat darauf hingewiesen, dass beinahe jede Debatte auf dem elementaren Unterschied zwischen schottischem Kurzpassfußball und dem vertikaleren Passspiel, das man in England praktizierte, fußte.

      Doch es ging nicht nur um Schotten und Engländer oder Kurzpässe versus lange Bälle. Der dritte Lehrbeitrag im Sheffield Telegraph and Star Sports Special von Percy Sands, dem Mittelläufer von Woolwich Arsenal, fragte: „Wird der Fußball wissenschaftlicher?“ Sands legte dar, dass man in der Diskussion über die korrekte Spielweise bereits „von der Einführung der verschiedensten Mischungen hört, wie etwa dem freien Spiel, dem Kurzpassspiel, den Spielzügen in Dreiecken, der Kick-and-rush-Methode, der individuellen Methode und so weiter“.

      Ganz allmählich verbreitete sich die theoretische Auseinandersetzung mit dem Fußball. Zwar sollte die Taktikdebatte erst im Folgejahrzehnt in den Kaffeehäusern an der Donau Einzug in den intellektuellen Mainstream halten. In gewissem Umfang fand sie aber bereits im England unter Eduard VII. statt. 1913 äußerte George Utley von Sheffield United in einem Beitrag über „Das Spiel des linken Läufers“ einige Gedanken zum FA-Cup-Triumph seines damaligen Vereins FC Barnsley im Jahr zuvor. „Barnsley errang seinen Erfolg keineswegs durch gedankenlosen Fußball“, schrieb er. „Nicht selten – und in jedem Fall vor einer Partie gegen eine große Mannschaft – haben wir im Umkleideraum und anderswo in aller Ausführlichkeit unsere Taktik besprochen und uns auf bestimmte Vorgehensweisen verständigt. Nachdem wir in Lytham angekommen waren, bereiteten wir uns auf das Pokalendspiel vor und begannen nach dem Abendessen solcherart Gespräche. Mit einem Male trat der Trainer auf den Plan. Er holte sich 22 Zuckerstücke und arrangierte sie allesamt auf dem Tisch, in den Positionen zweier Fußballmannschaften. Mit Zügen in die eine und die andere Richtung arbeitend, zeigte er uns, wie [George] Lillycrop das erste Tor schießen sollte und wie wir mit 2:0 gewinnen konnten.“ Tatsächlich spielte Barnsley zunächst 0:0 gegen West Bromwich Albion und konnte erst im Wiederholungsspiel durch ein Tor von Harry Tufnell zwei Minuten vor Ende der Verlängerung mit 1:0 gewinnen. Am entscheidenden Punkt ändert das jedoch nichts: Obwohl Barnsley als Musterbeispiel der traditionellen englischen Spielweise betrachtet wurde, richtete das Team seine Herangehensweise am Gegner aus.

      Tom Boyle, Mannschaftskapitän sowohl beim FC Burnley als auch beim FC Barnsley, war felsenfest davon überzeugt, dass „die Mannschaft, welche sich der besten Taktik bedient, am Ende siegreich sein wird, und dass in erster Linie der Kapitän der Mannschaft die Taktik wählt, mit der seine Truppe spielen soll. Die strategischen Möglichkeiten einer Fußballmannschaft sind unbegrenzt. Der Kapitän muss Ausschau halten nach den Schwachpunkten des Gegners und das Möglichste aus diesen Schwächen machen, indem er das Spiel in den entsprechenden Teil des Feldes dirigiert. Erscheint ihm der Gegner auf einer Flanke zu stark für die Männer, über die er auf jener Seite des Feldes verfügt, wird er die Order ausgeben, das Spiel auf die schwache Seite des Gegners zu konzentrieren. Die Partien der Zukunft werden mehr durch Taktik als durch irgendetwas anderes gewonnen, und glücklich kann sich die Mannschaft schätzen, die ein Genie von einem Kapitän ihr Eigen nennt – einen Mann, der die Sorgen auf seine Schultern zu nehmen vermag.“

      Boyles Worte weisen auf zwei wichtige Dinge hin. Erstens war es der Kapitän und nicht der Trainer, der über die Taktik zu befinden hatte. Darin ähnelte er sehr viel stärker einem heutigen Kapitän beim Kricket als beim Fußball. Zweitens wandelte Boyle das 2-3-5 ein wenig ab. Er verlagerte das Spiel auf den linken oder rechten Flügel, anstatt die Positionen komplett zu tauschen. Gleichzeitig wirkt seine Denkweise sehr modern, da er bereits akzeptierte, dass es in der Taktik kaum allgemeingültige Wahrheiten gibt: „Beim Fußball muss die gewählte Taktik stets in einem Verhältnis zu den Fähigkeiten der Männer in der Mannschaft stehen, wenn man sie erfolgreich umsetzen möchte. Daher ist es schwierig, allgemeingültige Regeln zu formulieren“, sagte er.

      Preston North End als Sieger der ersten beiden englischen Meisterschaften, der AFC Sunderland und Aston Villa als dominierende Kräfte in den 1890er Jahren sowie Newcastle United im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts waren allesamt extrem abhängig von Importen aus Schottland. Da war es nur logisch, dass sie auch ein Kurzpassspiel nach schottischer Art aufzogen. „Die Stürmer tippen den Ball hin und her und gewinnen mit kurzen, scharfen Übergaben von einem Mann zum nächsten an Raum“, erklärte Frank Buckley, Verteidiger beim FC Birmingham (heute Birmingham City) und Derby County und später innovationsfreudiger Trainer der Wolverhampton Wanderers.

      Für Newcastles Kapitänslegende Colin Veitch war die Einführung dieser Spielweise die Folge der Verpflichtung von Stürmer R.S. Coll von Queen’s Park (genannt „Toffee Bob“, zu Deutsch „Karamell-Bob“, weil er gemeinsam mit seinem Bruder einen Kiosk eröffnet hatte). Zudem befand sich der linke Läufer Peter McWilliam, der bereits ein Jahr zuvor von Inverness Thistle gekommen war und später als Trainer noch entscheidenden Einfluss auf Tottenham Hotspur nehmen sollte, in der Mannschaft. Von McWilliam stammt eine Beschreibung


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