Das hohe Licht. Max GeißlerЧитать онлайн книгу.
hatte währenddem entgeistert auf die Feindin gestarrt; ihre Knie begannen zu wanken; sie war bleich wie der Mondschein. Ihre Nasenflügel wehten, und doch schien alle Spannung aus ihrem Körper gewichen – noch sann ihr Hirn Pläne, noch spiegelten ihre Augen den Haß ihres Herzens ... aber die Glieder gehorchten nicht mehr.
Da trat Merceda Finotti zu ihr, entwand ihr mit einem Griffe die Heugabel und lehnte sie hinaus in den Winkel neben der Hinterpforte; dann schlug sie den Riegel wieder vor.
»Setz’ dich,« sagte sie.
Aber Beatrice hörte es nicht –
»Du fürchtest dich ja vor mir, Merceda!« lachte sie bitter.
In ihrer klaren Ruhe blickte Merceda sie an – »Glaubst du wirklich, was du redest? ... Warum bist du nun eigentlich zu dieser seltsamen Stunde gekommen?« fragte sie fast mitleidig.
Beatrice taumelte bis an den Tisch und stieß so hart dagegen, daß der Wein über den Rand des Glases floß. »Was hast du Santi Praga angetan?« stieß sie keuchend hervor. Es war, als zerbiß sie jedes ihrer Worte mit den Zähnen.
»Ah!« machte Merceda Finotti, und ihr Antlitz erleuchtete ein Licht von innen ... Nicht traumwandelnd, nicht wahnsinnig war Beatrice Zara zu Berge geeilt – nein, ihre Eifersucht forderte Rechenschaft von Merceda Finotti! Und: »angetan!« sagte sie. Zauberer tun den Menschen etwas an, oder Occhiaten ... Was sollte das heißen?
Einen Augenblick schwieg Merceda.
Die letzte Frage war vor ihr stehengeblieben als eine brennende Kerze – »Was hast du Santi Praga getan?«
Diese Kerze schuf nun allmählich Licht, und Merceda begann, sich zurechtzufinden ... Hatte die Zara nicht zu ihr gesagt »Hexe«?
Der dauerte das Schweigen zu lange, und noch einmal knirschte sie: »Santi Praga! Was hast du ihm angetan? He, warum antwortest du nicht? Und warum schaust du nach der Tür?« Mit einem Sprunge war Beatrice an der Hinterpforte und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Ein Paar Wolfsaugen brannten nun aus der Dunkelheit um die alte Türe, und es war ... »Fliehen?« keuchte sie – »du entkommst nicht, sag’ ich dir, bis ich alles weiß! Was fällt dir ein, Merceda Finotti? Hast du ihm einen Hexentrunk in den Wein gegossen? Und hast du dir den Trunk auch noch von ihm bezahlen lassen? Pfui, pfui!« und sie spie nach Merceda. »Rede! Und wenn du lügst – ich tu’s doch noch!«
Merceda lehnte sich rückwärts gegen die Schmalseite des Tisches, die Beatrice am nächsten war, bog sich ein wenig hintenüber und hatte ihre Hände zu beiden Seiten des Körpers auf den Rand der Tafel gestützt.
»Was willst du denn tun?« fragte sie.
Kein Muskel zuckte an ihrem schlanken Leibe; nicht einmal die Winkel ihres Mundes verrieten eine Erregung.
»Dir die Heugabel in die Augen stoßen!« zischte Beatrice. Das flog ihr über die Lippen wie Wasser über glühendes Eisen.
Mit einem Sprunge war Merceda an ihr. Sie faßte sie mit beiden Händen vor der Brust, daß die Nähte ihres Kleides krachten, und zwang sie nieder auf den Schemel. Ihre Linke wühlte sich in die blauschwarze Nacht ihrer Scheitel und drückte ihr den Kopf – das Gesicht nach oben – gegen den Tisch.
In knirschender Qual wand sich Beatrice unter Mercedas Händen. Aber die größere Kraft nagelte sie an das Holz des Tisches.
»Töte mich!« stöhnte die Zara, »Töte mich! Schleppe mich in der Nacht zu Berge und stürze mich über den Felsen hinunter, du – du Hexe.«
Dann stieß sie einen Schrei aus, der flog Merceda ins Gesicht wie eine Kröte, so daß sie vor ihm zurückwich.
Nun schnellte Beatrice empor. Die Knöpfe ihres Kleides waren vor der Brust aus dem Zeuge gerissen. Das Haar hing ihr gelöst über die Schultern. So stand sie der Feindin gegenüber. Ihre kleine sehnige Gestalt reichte der andern kaum ans Kinn.
»Wenn ich dich vor die Tür geworfen hätte, wie du in meinen Händen warst, so wäre dir recht geschehen,« sagte Merceda. »Jetzt, da ich weiß, daß du nicht wahnwitzig bist, reut es mich, daß ich so hart über dich gekommen bin ... Aber du hast mit mir reden wollen – so rede!«
Das war ein Gebot! Unter ihre Schuhe hatte die nachthaarige Zara die aus dem hohen Lichte treten wollen. Nun aber hatte der Klang ihrer Stimme sich gewandelt – wie einer Glocke, die in den Sturm schreien und ihn schlagen wollte und doch nur in den mächtigen wimmert. Sie erhob ihre Hände, sie legte die Hände aneinander und ein erlösender Regen von Tränen rann über das Flehen ihrer Worte:
»Du hast Santi Praga verhext! Laß ihn los, Merceda Finotti, der Santi ist mein! ... drei, drei Jahre ist der Santi mein gewesen – Verrate mir deine Kunst! ... Oh, Merceda Finotti, was hast du ihm getan?«
Sie wankte, sie sank auf den Schemel und warf ihre Arme über die Platte des Tisches. Auf das harte Holz preßte sie ihre Stirn und weinte – und weinte. Dann hob sie ihr tränennasses Gesicht und starrte Merceda in die Augen.
»Ich habe doch kaum ein Wort mit Santi Praga geredet!« sagte die.
»Und doch sieht er an mir vorbei und ruft deinen Namen des Nachts im Traume!«
Merceda zog die Achseln und warf den Mund – »So ist das eine Merkwürdigkeit von deinem Santi, an der ich keine Schuld habe.«
Noch einmal stach die andere der Giftstachel ihres närrischen Hasses. Sie schnellte auf wie eine Geißelschnur –
»Ah, wie fromm du bist, Merceda Finotti! Denkst du, wir haben keine Augen, zu sehen? Und keinen Verstand, zu erkennen? Ah, die Nonna ... in der Kapanne des Roßhirten hat sie gehaust, bis ihr der Teufel das Gesicht auf den Rücken gedreht hat ... die Nonna hat wahrsagen können, und Hexendämpfe sind um ihren Herd geflogen wie die Nebel um den Berg, wenns wittert! Meinst du, wir sollten glauben, du trügest den Namen deiner Großmutter umsonst? Oder – was wär’ an dir, das alle Männer närrisch macht? ... Eines Tages – eines Tages werden die jungen Weiber dir ins Haus fallen ... denn die Männer hast du uns genommen, und wir werden rechnen mit dir! Wehe, wehe dir!«
So lebte die Nonna Finotti immer noch – ein Jahr nachher und trieb sich um in den Herzen der Leute als das Gespenst des Berges.
Merceda hatte während der Rede Beatrices gegen den kleinen wurmstichigen Schrank gelehnt. Darin waren die Teller nebeneinander aufgestellt. An dem Klirren des Geschirrs merkte sie, wie sie zitterte. Einen Augenblick hatte sie Mühe, ihre Fassung zu bewahren; dann kam wieder die klare Ruhe in ihre Augen; sie strich sich einen Strähn dunklen Haares aus der Stirn. Beatrice verwandte keinen Blick von ihrem Gesicht.
»Etwas Dümmeres konnten die Leute vom Berge sich nicht ausdenken,« begann Merceda. »Und um dich und sie vor mir so lächerlich zu machen, hast du den Schlaf einer ganzen Nacht darangewagt – einer ganzen Nacht?«
»Hm,« sagte Beatrice, »was ficht das dich an? Ich habe Nesseln im Bett, seit Santi Praga von dir träumt! Und die Einsamkeit meiner Kammer ist qualvoller als diese Stunde mit dir ... Aber du hast mir noch nicht geantwortet – was hast du Santi Praga angetan?«
Merceda zog die Achseln: »Beatrice, ich hab’ in dieser Zeit anderes zu denken gehabt, als einem Mädel den Liebsten abspenstig zu machen – im Angesichte der Madonna gelobe ich dir das.« Und sie deutete auf das Bild der Muttergottes, das schaute aus künstlichen verblichenen Blumen von dem Eckbrett hernieder und ward ganz vom roten Lichte des Herdfeuers übergossen.
Da trat Beatrice Zara ihr ganz nahe und ihr heißer Odem lief der Feindin über das Gesicht:
»Du hast jetzt einen Schwur getan, Merceda Finotti!« sagte sie. »So schwöre mir auch, daß du Santi Praga gehen heißen willst, wenn sein wahnwitziges Herz ihn eines Tages zu dir drängt!«
Einen Augenblick dachte Merceda über diese Worte nach –
»Nein,« sagte sie dann, »wegweisen ... wegweisen, weil er dich nicht mehr mag?«
»Ah!« Beatrice sprang empor, als hätte sie eine Schlange unter ihren Füßen.
Da