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Effi Briest - ein Klassiker der Weltliteratur. Theodor FontaneЧитать онлайн книгу.

Effi Briest - ein Klassiker der Weltliteratur - Theodor Fontane


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Morgen erwachte. Sie hatte Mühe, sich zurechtzufinden. Wo war sie? Richtig, in Kessin, im Hause des Landrats von Innstetten, und sie war seine Frau, Baronin Innstetten. Und sich aufrichtend, sah sie sich neugierig um; am Abend vorher war sie zu müde gewesen, um alles, was sie da halb fremdartig, halb altmodisch umgab, genauer in Augenschein zu nehmen. Zwei Säulen stützten den Deckenbalten, und grüne Vorhänge schlossen den alkovenartigen Schlafraum, in welchem die Betten standen, von dem Rest des Zimmers ab; nur in der Mitte fehlte der Vorhang oder war zurückgeschlagen, was ihr von ihrem Bette aus eine bequeme Orientierung gestattete. Da, zwischen den zwei Fenstern, stand der schmale, bis hoch hinaufreichende Trumeau, während rechts daneben, und schon an der Flurwand hin, der grosse schwarze Kachelofen aufragte, der noch (soviel hatte sie schon am Abend vorher bemerkt) nach alter Sitte von aussen her geheizt wurde. Sie fühlte jetzt, wie seine Wärme herüberströmte. Wie schön, es doch war, im eigenen Hause zu sein; soviel Behagen hatte sie während der ganzen Reise nicht empfunden, nicht einmal in Sorrent.

      Aber wo war Innstetten? Alles still um sie her, niemand da. Sie hörte nur den Ticktackschlag einer kleinen Pendule und dann und wann einen dumpfen Ton im Ofen, woraus sie schloss, dass vom Flur her ein paar neue Scheite nachgeschoben würden. Allmählich entsann sie sich auch, dass Geert am Abend vorher von einer elektrischen Klingel gesprochen hatte, nach der sie denn auch nicht lange mehr zu suchen brauchte; dicht neben ihrem Kissen war der kleine weisse Eisenbeinknopf, auf den sie nun leise drückte.

      Gleich danach erschien Johanna. „Gnädige Frau haben befohlen.“

      „Ach, Johanna, ich glaube, ich habe mich verschlafen. Es muss schon spät sein.“

      „Eben neun.“

      „Und der Herr . . .“ es wollt ihr nicht glücken, so ohne weiteres von ihrem „Manne“ zu sprechen . . . „der Herr, er muss sehr leise gemacht haben; ich habe nichts gehört.“

      „Das hat er gewiss. Und gnädge Frau werden fest geschlafen haben. Nach der langen Reise . . .“

      „Ja, das hab ich. Und der Herr, ist er immer so früh auf?“

      „Immer, gnädge Frau. Darin ist er streng; er kann das lange Schlafen nicht leiden, und wenn et drüben in sein Zimmer tritt, da muss der Ofen warm sein, und der Kaffee darf auch nicht auf sich warten lassen.“

      „Da hat er also schon gefrühstückt?“

      „O, nicht doch, gnädge Frau . . . der gnädge Herr. . .“

      Effi fühlte, dass sie die Frage nicht hätte tun und die Vermutung, Innstetten könne nicht auf sie gewartet haben, lieber nicht hätte aussprechen sollen. Es lag ihr denn auch daran, diesen ihren Fehler so gut es ging wieder auszugleichen, und als sie sich erhoben und vor dem Trumeau Platz genommen hatte, nahm sie das Gespräch wieder auf und sagte: „Der Herr hat übrigens ganz recht. Immer früh auf, das war auch Regel in meiner Eltern Hause. Wo die Leute den Morgen verschlafen, da gibt es den ganzen Lag keine Ordnung mehr. Aber der Herr wird es so streng mit mir nicht nehmen; eine ganze Weile hab ich diese Nacht nicht schlafen können und habe mich sogar ein wenig geängstigt.“

      „Was ich hören muss, gnädge Frau! Was war es denn?“

      „Es war über mir ein ganz sonderbarer Ton, nicht laut, aber doch sehr eindringlich. Erst klang es, wie wenn lange Schleppenkleider über die Diele hinschleiften, und in meiner Erregung war es mir ein paarmal, als ob ich kleine weisse Atlasschuhe sähe. Es war, als tanze man oben, aber gang leise.“

      Johanna, während das Gespräch so ging, sah über die Schulter der jungen Frau fort in den hohen schmalen Spiegel hinein, um die Mienen Effis besser beobachten zu können. Dann ragte sie: „Ja, das ist oben im Saal. Früher hörten wir es in der Küche auch. Aber jetzt hören wir es nicht mehr; wir haben uns daran gewöhnt.“

      „Ist es denn etwas Besonderes damit?“

      „O, Gott bewahre, nicht im geringsten. Eine Weile wusste man nicht recht, woher es käme, und der Herr Prediger machte ein verlegenes Gesicht, trotzdem Doktor Gieshübler immer nur darüber lachte. Nun aber wissen wir, dass es die Gardinen sind. Der Saal ist etwas multrig und stockig und deshalb stehen immer die Fenster auf, wenn nicht gerade Sturm ist. Und da ist denn fast immer ein starker Zug oben und fegt die alten, weissen Gardinen, die ausserdem viel zu lang sind, über die Dielen hin und her. Das klingt dann so wie seidne Kleider, oder auch wie Atlasschuhe, wie die gnädge Frau eben bemerkten.“

      „Natürlich ist es das. Aber ich begreife nur nicht, warum dann die Gardinen nicht abgenommen werden. Oder man könnte sie ja kürzer machen. Es ist ein so sonderbares Geräusch, das einem auf die Nerven fällt. Und nun, Johanna, bitte, geben Sie mir noch das kleine Tuch und tupfen Sie mir die Stirn. Oder nehmen Sie lieber den Rafraichisseur aus meiner Reisetasche. . . Ach, das ist schön und erfrischt mich. Nun werde ich hinübergehen. Er ist doch noch da, oder war er schon aus?“

      „Der gnädge Herr war schon aus, ich glaube drüben auf dem Amt. Aber seit einer Viertelstunde ist er zurück. Ich werde Friedrich sagen, dass er das Frühstück bringt.“

      Und damit verliess Johanna das Zimmer, während Effi noch einen Blick in den Spiegel tat und dann über den Flur fort, der bei der Tagesbeleuchtung viel von seinem Zauber vom Abend vorher eingebüsst hatte, bei Geert eintrat.

      Dieser sass an seinem Schreibtisch, einem etwas schwerfälligen Zylinderbureau, das er aber, als Erbstück aus dem elterlichen Hause, nicht missen mochte. Effi stand hinter ihm und umarmte und küsste ihn, noch eh er sich von seinem Platz erheben konnte.

      „Schon?“

      „Schon, sagst du. Natürlich um mich zu verspotten.“

      Innstetten schüttelte den Kopf. „Wie werd ich das?“ Effi fand aber ein Gefallen daran, sich anzuklagen, und wollte von den Versicherungen ihres Mannes, dass sein „schon“ gang aufrichtig gemeint gewesen sei, nichts hören. „Du musst noch von der Reise her wissen, dass ich morgens nie habe warten lassen. Im Laufe des Tages, nun ja, da ist es etwas anderes. Es ist wahr, ich bin nicht sehr pünktlich, aber ich bin keine Langschläferin. Darin, denk ich, haben mich die Eltern gut erzogen.“

      „Darin? In allem, meine süsse Effi.“

      „Das sagst du so, weil wir noch in den Flitterwochen sind, . . . aber nein, wir sind ja schon heraus. Ums Himmels willen, Geert, daran habe ich noch gar nicht gedacht, wir sind ja schon über sechs Wochen verheiratet, sechs Wochen und einen Tag. Ja, das ist etwas anderes; da nehme ich es nicht mehr als Schmeichelei, da nehme ich es als Wahrheit.“

      In diesem Augenblicke trat Friedrich ein und brachte den Kaffee. Der Frühstückstisch stand in Schräglinie vor einem kleinen rechtwinkligen Sofa, das gerade die eine Ecke des Wohnzimmers ausfüllte. Hier setzten sich beide.

      „Der Kaffee ist ja vorzüglich,“ sagte Effi, während sie zugleich das Zimmer und seine Einrichtung musterte. „Das ist noch Hotelkaffee oder wie der bei Bottegone . . . erinnerst du dich noch, in Florenz, mit dem Blick auf den Dom. Davon muss ich der Mama schreiben, solchen Kaffee haben wir in Hohen-Cremmen nicht. Überhaupt, Geert, ich sehe nun erst, wie vornehm ich mich verheiratet habe. Bei uns konnte alles nur so gerade passieren.“

      „Torheit, Effi. Ich habe nie eine bessere Hausführung gesehen als bei euch.“

      „Und dann, wie du wohnst. Als Papa sich den neuen Gewehrschrank angeschafft und über seinem Schreibtisch einen Büffelkopf und dicht darunter den alten Wrangel angebracht hatte (er war nämlich mal Adjutant bei dem Alten), da dacht er Wunder, was er getan; aber wenn ich mich hier umsehe, daneben ist unsere ganze Roben-Cremmener Herrlichkeit ja bloss dürftig und alltäglich. Ich weiss gar nicht, womit ich das alles vergleichen soll; schon gestern abend, als ich nur so flüchtig darüber hinsah, kamen mir allerhand Gedanken.“

      „Und welche, wenn ich fragen darf?“

      „Ja, welche. Du darfst aber nicht drüber lachen. Ich habe mal ein Bilderbuch gehabt, wo ein persischer oder indischer Fürst (denn er trug einen Turban) mit untergeschlagenen Beinen auf einem roten Seidenkissen sass, und in seinem Rücken war, ausserdem noch eine grosse rote Seidenrolle, die links und rechts ganz bauschig zum Vorschein


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