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Mata Hari I. EffesЧитать онлайн книгу.

Mata Hari I - Effes


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verstehen? Ich müßte eigentlich fragen: wird sich der Dolmetsch finden, der geniale Übersetzer, der ihnen meine so genau berechneten Wendungen übersetzen, kommentieren wird? Ach, was wissen diese Pharisäer mit ihrer mehr oder minder zufriedenstellenden Verdauung von meiner Kunst – von meiner Berufung …

      „Mata Hari“! Ist der Name nicht ein Programm? Wie schön und weich sprechen sich doch die Silben aus! Ein wenig eintönig die ersten drei Takte, auf dem matten Olivgrün des gedehnten „A“ ruhend, aber dann kommt das zwitschernde, helle, ganz leise, noch kindlich spitze Jubeln des „I“. M-a-t-a-h-a-r-i … „Augenstern des Morgenrots“! Meine Schwäche für alles Poesievolle hat mich diesen Namen wählen lassen – ach, ich meine, diese liebenswürdige Vorliebe für Zartes hat ihn mich lieben gelehrt … Ich bekam ihn doch, wie ein Geschenk, aus Tausenden auserwählt, von Priestern, die meine Eltern gut berieten. Er vereint zwei Rätsel dieser Welt: das Juwel, den glitzernden Edelstein, den Shiva in die toten Höhlen einsetzte, weil ihn der Mensch dauerte, der die herrliche Bewegung der kriechenden Schlange, die selige Weise der heiligen Elefanten, die mystische Form der Blätter der Lotosblume nicht sehen konnte. Und wie prächtig setzt mein schöner Name diesem Lichte jenes andere, gewaltige gegenüber, das über die Erde und die Welten gebietet, das grausam vernichtet, aber alles wiedergebiert, das die Sterne verdunkelt, aber die Tempel vergoldet! Jedoch, nicht das unerträgliche Gestirn in seiner schrecklichen Größe, sondern nur sein erster Augenaufschlag, trotz seiner Riesenhaftigkeit sanft und lieblich wie die Hirschkuh oder die Milch des Mohns, ‚Morgenröte‘ heiß ich, ein Name, auf den ich so stolz bin. Ihr sanfter Farbenschatz ist wie der leise Hauch, der die Wange der Jungfrau schmückt, himmlisches Rosenblatt, zeigt es die Farbe des Weines dunkler Reben mit Milch vermischt, noch nicht die Rubinglut des Feuers, des rauchenden Opferblutes. Ist es nicht schön, wenn Eltern, aus Frömmigkeit arm, dem Kinde einen Namen mitgeben, besser als Reichtum? Dessen es stolz sein kann in jedem Alter, einen lieblichen Namen, nicht zu kindisch, nicht zu steif? Meine ersten Gedichte – ich sagte sie auf und bewegte mich im Klange der Verse, die mir Musik waren, – enthielten als schönsten Reim immer das indische Wort, das sich mit meinem Namen paart und das im Dialekte der malabarischen Küste „Seligkeit“ bedeutet. Mata Hari – ich werde nicht müde, den Leuten zu erzählen, was dieser Name eigentlich bedeutet, für mich bedeutet; manchmal weise ich auch darauf hin, daß er dem Liebenden große, ganz große Möglichkeiten gäbe, wenn er sich seinerbedienen würde, bedienen wollte … Ich entsinne mich nicht, daß es in Juffuapatam noch ein Mädchen dieses Namens gab, ich hoffe sogar, daß er in keiner einzigen Stadt an den Ufern der heiligen Flüße oder der Küste der Fiebermeere ausgesprochen wird – außer, er wird verwendet, um mir etwas zu sagen, oder, um mich zu rufen, sei es zum Gebet oder zum Tanz. Aber das ist für mich dasselbe.

      Ich habe die Frömmigkeit von meinem Vater geerbt, einem Abkömmling der frömmsten Kaste, der Kaste der Brahmanen. Man nannte ihn nicht ohne Grund Assirvadam, was so viel wie „Gottes Segen“ heißt, er war auch ein Segen für seine kleine Familie, für seine Umgebung überhaupt.

      Er hatte meine arme Mutter sehr geliebt, die ich durch meine frühzeitige Geburt gemordet habe, als sie selbst im zarten Alter von vierzehn Jahren stand. Ich weiß, man wird bei dieser Erwähnung in Europa lächeln, aber es ist Tatsache, daß sie schon mit dreizehn Jahren heiratete, ja, noch mehr, daß sie damals schon eine berühmte Bajadere war, in den Diensten des Tempels der Kanda Swany; und wer diesen Tempel kennt, kann mich verstehen und an meinen Worten nicht länger zweifeln. Auch der blasierte Europäer wird von seinen gleichsam überirdischen Massen ergriffen, von seiner Ehrwürdigkeit gerührt, wenn er nur einmal die grauen Fliesen des seit Jahrhunderten im beschaulichen Dämmer liegenden Vorhofes betreten hat, die schweigenden Steine, die im Schatten der nachbarlichen Baumgiganten grünlich erschimmern, in die feuchte Schwüle des nahen Urwaldes gebettet wie in ein riesiges Aquarium …

      Die unsterbliche Kunst der Khmer hat Bauwerke aufeinandergetürmt, einer einzigen Plastik ähnelnd. Der von tausenden und abertausenden Figuren bedeckte Sandstein zeigt ein buntes Göttervolk, in zeremonieller Geste erstarrt, ein Gewimmel von Leibern, Gliedern und Rümpfen, das wohl verwirrt, aber niemals ermüdet. Unsere Mönche besehen diese Figuren ein Leben lang und ihre kletternden Blicke kommen nur auf der Kolossalstatue Shivas zur Ruhe, auf dessen Fußsohlen sie eifervoll die in Perlmutter eingelegten heiligen Legenden studieren …

      Dieser „Wat“ ist mir der heiligste, denn er war die Bühne der Kunst meiner Mutter. In seinem Dämmerlicht schwang ihr zarter, schmaler und brauner Körper, der dem meinen geglichen haben soll, in den geheiligten rhythmischen Zuckungen, die Wishnus Lieblingssprache durch in die Luft geschriebene Schriftzeichen ausdrücken. Sie wurde von Priestern bewundert, die sich nichts anmerken ließen, aber das „Volk“ murmelte um so beifälliger, all diese bei uns verehrten Idioten, Leprakranken, Händler mit dünnem Blattgold, rosa Betel, süßem Opium, Arekanüssen oder faulen Eiern … Sie tanzte zum Ruhme des „Vollkommenen“, zum Vergnügen des Pöbels, der nicht ohne erhebendes Gefühl die ihm nur halbverständlichen Gesten der kompliziert gebogenen Finger, das Gleiten edler Tradition gemäß gesetzter Fußsohlen verfolgte.

      Wie liebte ich das stumme, aber für mich so beredte Volk der Statuen! Und besonders die Tiere, die listige Schlange, den stets zornigen Löwen mit dem Schnörkel im Schnurrbart und dem muskulösen Hinterteil, so nervig und zierlich gemeißelt, wie die stählernen, schmalen Lenden des heiligen Stieres.

      Wie liebte ich es, mich auf einer der sieben Terrassen, die sieben Paradiese Krishnas verwirklichend, zu verlieren, meinen Träumen nachzuhängen, mich als seine Lieblingstänzerin zu sehen, vor dem siebenstöckigen Goldthrone tanzend, „Ihm“ zum Ruhme … Jede der Terrassen erhebt sich auf steinernen Lotosblumen, die auf steinernem Wasser schwimmen … Statt der Treppen sanfte Hänge aus Stein, in die prachtvoll geballte Wolken gezeichnet sind und über die die „Hocherhabenen“ emporschweben, ohne gemeine, irdische Stufen benützen zu müssen. Oft huschte ich ins Ankleidezimmer, das die köstlichen Toiletten des „Vollkommenen“ beherbergte. Er wird für jede Jahreszeit anders gekleidet, für die Zeit der Dürre liegen Haarnetze und Perlenhalsbänder bereit, Gewänder aus kostbaren Brokaten, so dick wie Elefantenhaut. Herrliche Ringe in Gigantenmaßen, die allein seinem Gigantentum gerecht werden, funkeln wie die Edelsteine seiner Augen. Ach, diese Augen des großen Shiva! Ich betrachtete seine heilige Statue am liebsten von unten, zu seinen Füßen kauernd, ich belauerte die berückend weiche Linie seiner zum Auge zu zurückweichenden Wange und weidete mich an der heiteren Schönheit, die von seiner Schläfe ausstrahlte. Unter dem halbgesenkten Lide leuchtet der glühende Schimmer des Goldblattes über dem weißen Email des Auges, in dessen Mitte der ungeheuer große, funkelnde Edelstein der Iris schwimmt. Wenn die im Abendwinde leise wogenden Feigenbäume das Schattenspiel auf seinen Wangen in ein zartes Schmunzeln verwandelten, dann glaubte ich oft, sein großes Auge ruhe auf mir und sehe mich mit Wohlgefallen. Dann gehorchte ich sofort dem Gebieter über Leben und Tod und entkleidete mich … Soll ich es eingestehen, daß ich schon damals hoffte, schön zu sein? Ich glaubte auch, tanzen zu müssen und in dieser Stunde war es, da ich den Dämon in mir entdeckte, meine Kunst, die mich zwang – kann ich es heute noch begreifen? Unter den Augen der Gottheit! von den geheiligten Rhythmen abzugehen und einige Schritte zu wagen, profane Schritte, die mir nicht die Priester gelehrt hatten … Niemals werde ich vergessen, wie ich dann atemlos im Staube lag, des Blitzstrahles gewärtig, der die Schuldige treffen würde, mit blinder Sicherheit treffen mußte … Aber das alles war viel später.

      Wie oft wurde ich gefragt, wie man diese Tänze erlernt! Ich antwortete, daß man ihrer inne wird, wie einer Religion: man versucht sich die Riten einzuprägen, man beobachtet die strengen, zeremoniellen Übungen und das Übrige muß man sich in der Hingabe an den Gott selbst holen …

      Ja, auch die Traumzustände, in der wir schon als kleine Novizen durch Einatmen betäubender Dämpfe versetzt wurden, halfen, denn sie schufen in uns die Willenlosigkeit, die unser Lehrmeister brauchte, um den Körper der kindlichen Tänzerin zu meistern. Kaum ein paar Jahre alt, wurde ich mit zehn anderen Mädchen in das große unterirdische Gemach der Shivapagode gebracht, um den ersten Unterricht zu empfangen. Wohlgemerkt, es war kein Tanzunterricht im Sinne des Europäers, der es meist nicht erfaßt hat, daß der indische Tanz nichts anderes bedeutet, als eine Kette aneinandergereihter zeremonieller Gebärden, die im streng eingehaltenen Kanon wechseln. Wir wurden allmählich mit


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