Zurück auf Gestern. Katrin LankersЧитать онлайн книгу.
du auch etwas?«
Wie bitte? Hatte ich mich verhört?
»Äh, ich nehme dasselbe«, stammelte ich perplex über diese überraschende Wendung.
Doch kaum war Lucas zum Getränkestand verschwunden, fuhr Sophie in ihrem Drehbuch fort: »Ist er nicht einfach großartig?«
Ich hätte ihr so gern ihr Gurkengrinsen aus dem Gesicht gewischt. So schrecklich gern. Oder sie einfach stehen lassen. Aber das konnte ich schlecht machen, nachdem ich Lucas gebeten hatte, mir eine Cola mitzubringen. Was würde er von mir denken, wenn ich jetzt einfach abhaute?
Ich schaute auf den Boden, um Sophies Gurkengrinsen nicht länger ertragen zu müssen. Und was entdeckte ich da? Das Sahnetörtchen! Natürlich! Es grenzte wirklich an ein Wunder, dass noch niemand das arme kleine Törtchen zu Matsch getreten hatte. Ich bückte mich und hob es auf, um es dieses Mal wirklich zu entsorgen. Irgendwie hatte ich inzwischen eine gewisse Verbundenheit mit diesem Törtchen entwickelt.
»Bist du so süchtig nach Süßigkeiten, dass du jetzt sogar schon das isst, was auf dem Boden liegt?«, zog Sophie mich erneut auf, kaum stand ich wieder vor ihr. »Wenn du nicht ein bisschen mehr auf deine Figur achtest, wird sich nie ein Junge wie Lucas für dich interessieren.«
Ich atmete tief durch. Leider hatten Sophies Worte auch im zweiten Durchgang noch die gleiche vernichtende Wirkung auf mich. Ich hätte meine Stiefschwester erwürgen können, doch gleichzeitig musste ich den Kloß in meinem Hals hinunterwürgen, weil ich insgeheim befürchtete, dass sie damit recht hatte.
»Wenn Lucas sich tatsächlich bloß für Äußerlichkeiten interessiert, dann ist er bei dir ja genau an der richtigen Adresse«, fuhr ich meine Stiefschwester an. »Denn ein Herz sucht er bei dir vergeblich.« Und damit schob ich mich endgültig an ihr vorbei.
Aber Sophie war offenbar noch nicht mit mir fertig.
»Er mag mich wirklich, weißt du«, rief sie, lief mir hinterher und baute sich erneut vor mir auf. »Lucas, meine ich.«
»Schön. Mir egal.« Wieder drängte ich mich an ihr vorbei. Wieder schob sie sich vor mich.
»Glaubst du wirklich, dass ich dir das abnehme?«, zischte sie. Und mich packte das blanke Entsetzen. Denn genau in diesem Moment tauchte Lucas mit drei Cola-Gläsern hinter ihr auf. Mein Blick flackerte zu ihm, dann zurück zu Sophie, die für ihren nächsten Satz tief Luft zu holen schien. Sie hatte Lucas offensichtlich noch nicht bemerkt.
Laut fuhr sie fort: »Ich weiß genau …«
Auf einmal hatte ich das Gefühl, dass alles in Zeitlupe ablief.
»… dass du …«
Lucas kam einen Schritt näher. Ganz sicher konnte er jetzt deutlich verstehen, was Sophie sagte.
»… bis über beide Ohren …«
Er stand neben ihr. Schaute aber aus irgendeinem Grund mich an. Ich hörte Sophies Stimme und wusste ganz genau, was sie jede Sekunde sagen würde. Und mir wurde klar, dass ich keine Chance mehr hatte, rechtzeitig zu verschwinden. Außer ich schaffte es, mich in Luft aufzulösen.
»… in …«, fuhr Sophie unbarmherzig fort und auf ihrem Gesicht breitete sich wieder das teuflische Gurkengrinsen aus. Ich spürte mein Herz rasen. Mein Wunsch, ihr das Grinsen aus dem Gesicht zu wischen, überwog noch den Wunsch, mich in Luft aufzulösen. Auf jeden Fall musste ich verhindern, dass Sophie mein Geheimnis noch einmal ausplauderte. Und zwar ziemlich schnell. Und plötzlich wusste ich, was ich zu tun hatte. Ich machte einen Schritt nach vorn, hob in der Bewegung meine Hand, in der ich das dreckige Törtchen hielt, und drückte es meiner Stiefschwester mit einer für meine Verhältnisse erstaunlichen Zielsicherheit direkt in den Mund.
»Ups, sorry«, sagte ich. »Ich muss gestolpert sein. Ich habe heute wohl wirklich ein Problem mit der Schwerkraft.« Dann drehte ich mich auf dem Absatz meiner Sneakers um und drängte mich zwischen den Umstehenden hindurch. In meinem Rücken brach Sophie in einen unverständlichen Wutanfall aus.
Das hatte gutgetan! Aber so was von! Während ich mich über die Tanzfläche kämpfte, um Lulu zu suchen, spürte ich ein Gefühl des Triumphs. Ich hatte Sophie sprachlos gemacht. Und damit das Schlimmste verhindert. Gut, meine Stiefschwester kannte zwar mein Geheimnis. Aber ich hoffte, dass sich so schnell keine Gelegenheit mehr ergeben würde, bei der sie es Lucas verraten könnte.
Jetzt musste ich nur noch Lulu finden und dann würden wir endlich gemeinsam feiern! Es war bloß schade, dass ich Lulu nichts von dem, was gerade passiert war, erzählen konnte.
Es dauerte eine ganze Weile, bis ich meine Freundin schließlich fand. Auf der Tanzfläche war sie nämlich nicht. Stattdessen hatten sie und Samuel sich in die dunkelste Ecke neben dem Buffet verdrückt, und was sie dort taten, sah für mich ganz und gar nicht nach einer tiefgründigen Unterhaltung aus.
Ich räusperte mich so lange lautstark, bis Lulus Lippen sich schließlich von Samuels Mund lösten.
»Hey, Süße«, begrüßte Lulu mich und schaute mich mit einem Blick an, als befände sie sich gar nicht in unserer Welt. »Alles klar?« Es schien ihr schwerzufallen, sich von Samuel zu trennen, und sei es nur für ein paar Sekunden, doch dann kam sie zu mir und zog mich ein Stück zur Seite.
»Du guckst irgendwie komisch«, stellte sie fest. »Ist alles in Ordnung?«
»Ja, alles in Ordnung«, erwiderte ich mit Nachdruck und bemühte mich um einen neutralen Gesichtsausdruck. Meine Freundin kannte mich einfach zu gut, aber ich konnte ihr wirklich nicht erzählen, was gerade passiert war. Leider. »Und bei dir?«
»Siehst du doch.« Lulus Gesichtsausdruck war alles andere als neutral, als sie zu Samuel schaute, der neben dem Buffet auf sie wartete.
»Weißt du was?« Sie senkte ihre Stimme zu einem Flüstern, dabei hätte Samuel sie über die laute Musik hinweg ohnehin kaum verstehen können. »Diese seltsame Murmeltier-Sache ist der Hammer! Es ist alles sogar noch viel besser als beim ersten Mal. Er hat mich sogar geküsst!«
»Ja, das war nicht zu übersehen!« Ich lachte über Lulus grenzdebilen Gesichtsausdruck. »Süße, dich hat’s echt erwischt, oder?«
Lulu nickte bloß vehement.
»Und er hat mich wieder gefragt, ob ich noch mit zu seiner Party komme«, raunte sie mir ins Ohr.
»Läuft.« Ich streckte ihr die Hand zum Abklatschen hin und sie schlug ein. Ich hatte recht gehabt. Diese Murmeltier-Sache gab uns beiden eine zweite Chance.
»Du.« Lulu druckste ein bisschen herum. »Ich würde echt gerne hingehen.«
»Du meinst die Party bei Samuel?«
Wieder nickte Lulu.
»Oookay«, machte ich und schluckte. Ich konnte Lulu gut verstehen. Wirklich. Und ich freute mich auch riesig für sie. Wirklich. Aber ich hatte mich auch darauf gefreut, nach der Schulparty bei ihr zu übernachten und die ganze Nacht mit ihr zu quatschen.
»Du kannst mitkommen. Samuel hat bestimmt nichts dagegen«, schlug Lulu eilig vor, als sie mein Zögern bemerkte. »Und ich fänd’s toll. Ohne dich würde es nur halb so viel Spaß machen!« Sie griff nach meiner Hand und drückte sie.
»Ach, Süße, das geht doch nicht«, wandte ich ein. »Deine Mutter dreht durch, wenn wir nicht pünktlich um zehn zur Abholung bereitstehen.« Dass ich gar nicht so scharf darauf war, zu Samuels Privatparty zu gehen, sondern viel lieber mit meiner Freundin eine Pyjamaparty feiern wollte, erwähnte ich nicht extra.
»Ich weiß.« Lulu seufzte abgrundtief. »Aber es muss doch eine Möglichkeit geben! Er darf auf gar keinen Fall wieder die Doppel-Ds einladen …«
»Das wird er bestimmt nicht machen«, versuchte ich meine Freundin aufzuheitern. »Jetzt, wo ihr euch schon geküsst habt.«
»Trotzdem.« Lulu wirkte nicht überzeugt. »Ich würde soooo gerne hingehen. Aber weißt du was?« Plötzlich war Lulu ganz aufgekratzt. »Ich hab eine Idee. Wir rufen meine Mam an