Big Ideas. Das Geschichts-Buch. Филип УилкинсонЧитать онлайн книгу.
hin zur letzten großen Eiszeit (dem Letzteiszeitlichen Maximum) um 21 000 v. Chr. Als sich die Polarkappen bis nach Südengland ausdehnten, wanderten die Menschen und Tiere aus nördlicheren Regionen nach Süden oder starben aus. Aufgrund des Einfrierens gewaltiger Wassermassen sank der Meeresspiegel und legte so auch Beringia, die tief liegende Landbrücke zwischen den Kontinenten Nordamerika und Asien, trocken; über sie kamen die ersten Menschen nach Amerika.
Ein vollständiges Mammut – das erste Exemplar überhaupt – wurde im Jahr 1900 in Sibirien (Russland) ausgegraben. Ein Abguss ist im Naturkundemuseum in Sankt Petersburg zu sehen
Steigende Temperaturen
Schließlich stiegen die Temperaturen wieder und führten um 7000 v. Chr. zu den warmen und stabilen Klimaverhältnisse von heute. Die Polarkappen schmolzen – und der steigende Meeresspiegel trennte Eurasien von den amerikanischen Kontinenten, verwandelte Südostasien in ein riesiges Inselarchipel und machte aus Halbinseln wie Großbritannien und Japan Inseln. Die Auswirkungen auf Ökosysteme und große Säugetiere waren besonders gravierend, so für Mammuts. In vormals vereisten Steppengebieten, durch die sie gezogen waren, wuchsen nun ausgedehnte Wälder. Klimawandel und die Jagd durch den Menschen führten zum Aussterben zahlreicher Arten. Wälder und Feuchtgebiete in dieser nacheiszeitlichen Welt boten den Menschen neue Möglichkeiten: die Jagd auf Waldtiere wie Rotwild, Wildschweine oder Hasen sowie die Nahrungssuche in Flüssen und Küstengebieten. Wanderfische wie Lachse, Meeressäuger wie Seehunde, Meeresfrüchte, Wildgeflügel sowie saisonbedingte Früchte, Knollen, Nüsse und Samen wurden wichtige Bestandteile ihrer Ernährung.
Veränderte Lebensformen
In besonders fruchtbaren Regionen werden sich Menschen nicht nur an einer Stelle gesammelt haben, sondern in kleinen Gruppen auf Streifzug durch große Gebiete gezogen sein. Die Gemeinschaften im Natufien an der östlichen Mittelmeerküste ernährten sich von zahlreichen wilden Getreidearten des Nahen Ostens. Einige Gruppen begannen, ihre Umwelt zu verändern – Vegetation zu verbrennen, Bäume abzuholzen –, um so die Ausbreitung gewünschter Pflanzen- und Tierarten zu fördern. Sie fingen an, besonders ertragreiche Pflanzenarten einzuhegen und auszusäen und Tiere zu domestizieren. Das führte dazu, dass diese Arten immer stärker auf menschliches Eingreifen angewiesen waren – und damit zur Entwicklung der Landwirtschaft: eine radikale Veränderung in der Lebensform des Menschen, die sich seither immer stärker auf die natürliche Umwelt auswirkt.
»Nur wenige Menschen haben jemals so extreme klimatische und Umweltveränderungen erlebt.«
Brian Fagan Cro-Magnon: Das Ende der Eiszeit und die ersten Menschen (2012)
Eisbohrkerne für die Klimaforschung
Paläoklimatologen erforschen die Gesteinssedimente des Meeresbodens, um zu verstehen, wie sich das Klima in der Vergangenheit veränderte. Winzige Lebewesen (Foraminiferen) nehmen aus dem Meereswasser zwei verschiedene Sauerstoffarten auf: 16O und 18O. Da16O leichter ist als 18O, verdunstet es schneller an der Luft, regnet in wärmeren Perioden jedoch wieder ab; deshalb finden sich im Meereswasser beide und sind in den Muscheln der Foraminiferen nahezu gleichwertig nachweisbar. Bei Kälte kehrt das verdampfte 16O indes nicht ins Meer zurück, sondern gefriert zu Eis; deshalb enthalten die Ozeane mehr 18O als 16O. Wenn Foraminiferen sterben, sinken ihre Muscheln auf den Meeresgrund und bilden dort neue Bodenschichten. Paläoklimatologen bohren diese auf und entnehmen Sedimentkerne, um das jeweilige Verhältnis der Sauerstoffarten zu untersuchen und darauf zu schließen, wie sich das Klima im Lauf der Zeit verändert hat.
EINE GROSSE ZIVILISATION ENTSTAND AUF DER HOCHEBENE ANATOLIENS
DIE SIEDLUNG VON ÇATALHÖYÜK (VOR 10 000 JAHREN)
IM KONTEXT
FOKUS
Neolithische Revolution
FRÜHER
11 000–10 000 v. Chr. Im Nahen Osten lassen sich der Anbau von Getreide und die Domestizierung von Tieren nachweisen
um 9000 v. Chr. In Mittelamerika beginnt der Maisanbau
um 8800 v. Chr. Im gesamten Nahen Osten wird Ackerbau betrieben
SPÄTER
8000 v. Chr. Im Fernen Osten setzen Ackerbau und Tierhaltung ein
7000–6500 v. Chr. Über Zypern, Griechenland und den Balkan verbreitet sich der Ackerbau bis nach Westeuropa
3500 v. Chr. In Mesopotamien werden die ersten Städte errichtet
Die neolithische Siedlung Çatalhöyük (Türkei) wurde in den 1960er-Jahren durch James Mellaart entdeckt und ist eine der berühmtesten Fundstätten der Welt – wegen der Größe und Siedlungsdichte, ihrer atemberaubenden Wandmalereien und der Zeugnisse komplexer religiöser Rituale. Seither wurden im Nahen Osten weitere Großsiedlungen gefunden, die das Wachsen menschlicher Gemeinschaften in der Zeit des Übergangs von einer nomadischen zu einer sesshaften Lebensweise im Zuge der Neolithischen Revolution belegen. Diese ereignete sich zwischen 10 000 und 7000 v. Chr. Ob nun ein Anwachsen der Bevölkerung die Menschen zwang, dauerhafte Ernährungsweisen zu sichern, oder, umgekehrt, der Ackerbau es möglich machte, mehr Kinder zu haben: Viele Siedlungen wuchsen beträchtlich. Nun mussten soziale Spannungen, wie Streit zwischen Nachbarn, gelöst werden.
Das Bild zeigt, wie eng die Menschen in Çatalhöyük beieinander lebten und arbeiteten, zusammen mit den domestizierten Tieren
Die frühen Dorfbewohner lernten Getreide anzubauen und ihre Ernte für das ganze Jahr zu lagern – und zogen daher nicht mehr, wie einst zur Nahrungssuche, umher.
Gemeinschaftlicher Zusammenhalt
Die Entwicklung religiöser Praktiken und die formelle Organisation von Gemeinschaftsritualen förderten wahrscheinlich den Zusammenhalt der Menschen. An vielen Orten wurden eigens für diesen Zweck Bauten geschaffen, die größer waren als übliche Behausungen und besondere Elemente wie Bänke aus Kalkputz aufwiesen sowie symbolische und gegenständliche Kunstwerke besaßen. In Çatalhöyük finden sich Wandbilder und Figurinen von wilden Tieren (Stiere, Leoparden, Geier). An vielen Orten blieben Bewohner auch nach ihrem Tod in der Gemeinschaft und wurden unter den Häusern begraben. Manchmal wurden sie später ausgegraben und ihre Schädel mit Gesichtszügen aus Putz und Ockerfarben verziert.
So fanden sich in Ain Ghazal (Jordanien) große Statuen aus Kalksteinputz und zahlreiche Beispiele von Tier- und (meist weiblichen) Menschenfiguren aus Ton. Man weiß nicht genau, ob diese verzierten Schädel, Statuen und Figuren bestimmte Individuen repräsentierten – Ahnen oder Götter; gewiss werden sie bestimmten Ritualen und Praktiken gedient haben, um Spannungen zwischen Individuen und größeren regionalen Gruppen auszugleichen; diese etablierten zwecks Güteraustausch und Handel formellere Beziehungen untereinander, auch über große Entfernungen hinweg.