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Sherlock Holmes: Ein Skandal in Böhmen und andere Krimis (Zweisprachige Ausgabe: Deutsch-Englisch). Arthur Conan DoyleЧитать онлайн книгу.

Sherlock Holmes: Ein Skandal in Böhmen und andere Krimis (Zweisprachige Ausgabe: Deutsch-Englisch) - Arthur Conan Doyle


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mit dem Junggesellen Godfroy Norton. Im Augenblick war alles vorüber, und dann dankte mir ein Herr rechts und eine Dame links, während mir der Prediger von vorn seine Zufriedenheit ausdrückte. Ich sage dir, ich habe mich nie in einer alberneren Lage befunden, und es war die Erinnerung daran, die mich vorhin so zum Lachen brachte. Mit dem Trauschein hatte es sicher einen Haken, und der Geistliche weigerte sich außerdem ganz entschieden, die Zeremonie ohne Zeugen vorzunehmen. Wäre ich nicht zufällig dort gewesen, so hätte sich der Bräutigam seinen Trauzeugen von der Straße holen müssen. Die Braut schenkte mir einen Sovereign, den ich zum Andenken an meiner Uhrkette tragen werde.«

      »Das ist ja eine sehr unerwartete Wendung«, sagte ich. »Was nun?«

      »Ja, mein Vorhaben wurde jetzt ernstlich bedroht. Es hatte den Anschein, als wollte das Paar sofort abreisen, und da galt es meinerseits die schnellsten und energischsten Maßregeln zu treffen. Doch an der Kirchentür trennten sie sich, er fuhr nach dem ›Temple‹ und sie nach ihrer Wohnung. ›Um fünf Uhr fahre ich wie gewöhnlich in den Park‹, rief sie ihm zu. Mehr hörte ich nicht. Sie entfernten sich nach verschiedenen Richtungen, und ich machte mich auf den Weg, um mich meinen eigenen Angelegenheiten zu widmen.«

      »Und die sind?«

      »Etwas kaltes Roastbeef und ein Glas Bier dazu«, antwortete er, indem er klingelte. »Ich habe bis jetzt keine Zeit gehabt, an Essen und Trinken zu denken, und der Abend wird mir wahrscheinlich noch mehr Arbeit bringen. Ich möchte übrigens um deine Unterstützung bitten, Doktor.«

      »Mit Vergnügen.«

      »Du hast doch keine Angst, einen Verstoß gegen das Gesetz zu begehen?«

      »Nicht im geringsten.«

      »Ebensowenig fürchtest du dich, gegebenen Falls eingesteckt zu werden?«

      »Für eine gute Sache nie.«

      »Oh, die Sache ist vortrefflich.«

      »Also bestimme über mich.«

      »Ich wußte, daß ich mich auf dich verlassen könnte.«

      »Was hast du denn vor?«

      »Wenn Frau Turner alles hereingebracht hat, will ich dir’s erzählen. Verzeih«, sagte er, sich hungrig dem einfachen Mahl zuwendend, das unsere Wirtin bereit gehalten hatte, »ich muß schon während des Essens meinen Vortrag halten, mir bleibt nur wenig Zeit übrig. In zwei Stunden müssen wir uns auf dem Schauplatz unserer Tätigkeit befinden, denn Fräulein, oder vielmehr Frau Irene kehrt um sieben von ihrem Ausflug zurück. Wenn wir sie treffen wollen, müssen wir deshalb nach Briony Lodge.«

      »Und dann?«

      »Alles weitere überlaß mir. Ich habe schon alle Vorkehrungen getroffen. Doch auf etwas muß ich bestehen, was auch immer kommen mag, du darfst dich in keiner Weise einmischen. Verstanden?«

      »Ich soll also neutral bleiben?«

      »Vollständig. Wahrscheinlich wird es zu einigen Mißhelligkeiten kommen; kümmere dich nicht darum. Wenn ich, was die Hauptsache ist, ins Haus geschafft werde, hört jeder Streit auf. Vier bis fünf Minuten später wird das Fenster des Wohnzimmers geöffnet werden. Du mußt dich in der Nähe dieses offenen Fensters halten.«

      »Ja.«

      »Du kannst mich von draußen erblicken und darfst mich nicht aus den Augen lassen.«

      »Sobald ich nun meine Hand erhebe, wirfst du den Gegenstand ins Zimmer, den ich dir geben werde, und schreist zur selben Zeit: Feuer! Merkst du dir auch alles?«

      »Aufs genaueste.«

      »Es ist nichts Gefährliches«, sagte er und zog eine lange, zigarrenförmige Rolle aus der Tasche. »Es ist nur eine gewöhnliche Rauchrakete, wie sie die Bleiarbeiter bei uns gebrauchen, an beiden Enden mit Zündhütchen versehen, welche die Selbstentzündung verursachen. Darauf beschränkt sich deine ganze Aufgabe. Dein Feuerruf wird rasch verbreitet werden. Du gehst dann ruhig die Straße hinunter, und in ungefähr zehn Minuten bin ich wahrscheinlich bei dir. Hoffentlich habe ich mich deutlich ausgedrückt?«

      »Ich muß neutral bleiben, mich dem Fenster nähern, dich beobachten, auf dein Zeichen dies hineinwerfen, dann Feuer schreien und dich an der Straßenecke erwarten?«

      »Ganz richtig.«

      »Du kannst dich völlig auf mich verlassen.«

      »Vortrefflich. Doch nun ist’s wohl Zeit, mich auf meine Rolle vorzubereiten.«

      Er begab sich in sein Schlafzimmer und kehrte nach wenigen Minuten als ein liebenswürdiger, schlicht aussehender Methodisten-Prediger zurück. Sein breiter, schwarzer Hut, seine weiten Beinkleider, die weiße Perücke, das milde Lächeln und der eigentümliche, stets damit verbundene Ausdruck im Verein mit wohlwollender Neugier konnten kaum treffender dargestellt werden. Aber Holmes wechselte nicht nur seinen Anzug. Seine Züge, sein Benehmen, ja sein ganzes Wesen schien ebenfalls mit jeder neuen Rolle zu wechseln.

      Zehn Minuten vor sieben waren wir in der Serpentine Avenue. Es war schon dämmrig, und die Laternen wurden eben erleuchtet; wir wanderten vor der Villa auf und ab, um ihre Bewohnerin zu erwarten. Das Haus war genau so, wie ich es mir nach Holmes’ kurzer Beschreibung vorgestellt hatte, doch die Gegend hatte ich mir viel einsamer gedacht. Sie erschien mir für eine kleine Straße in ruhiger Nachbarschaft sogar sehr belebt. In einer Ecke plauderte eine Gruppe fröhlicher, rauchender Müßiggänger, drüben hielt ein Scherenschleifer mit seinem Rade, und in der Nähe schäkerten zwei Soldaten mit einem Kindermädchen. Mehrere gut gekleidete junge Leute schlenderten, die Zigarre im Munde, langsam auf und ab.

      »Siehst du«, bemerkte Holmes, »diese Heirat vereinfacht die Sache außerordentlich. Jetzt ist die Photographie ein zweischneidiges Schwert geworden. Ich glaube nicht, daß ihr viel daran liegt, sie Herrn Norton zu zeigen, ebensowenig wie unser Klient sie von seiner Prinzessin bewundert sehen möchte. Die Frage ist nur, wo finden wir das Bild?«

      »Ja, wo?«

      »Es ist höchst unwahrscheinlich, daß sie es stets mit sich herumträgt. Ein Bild in Kabinettformat ist viel zu groß, um es leicht in einem Frauenkleide zu verbergen. Vermutlich hat sie es daher nicht bei sich.«

      »Wo mag es dann stecken?«

      »Vielleicht bei ihrem Bankier oder ihrem Rechtsanwalt. Beide Möglichkeiten sind nicht ausgeschlossen, aber unwahrscheinlich. Warum sollte sie es einem anderen übergeben? Auf sich selbst konnte sie sich verlassen, aber sie wußte nicht, ob auch ein Geschäftsmann jedem politischen oder indirekten Einfluß widerstehen würde. Bedenke außerdem, daß sie entschlossen ist, es in den nächsten Tagen zu gebrauchen, es muß deshalb stets zur Hand sein. Folglich kann sie es nur in ihrer eigenen Wohnung haben.«

      »Hat man dort nicht schon zweimal eingebrochen?«

      »Pah! sie verstanden eben nicht zu suchen.«

      »Und wie willst du das anfangen?«

      »Ich werde gar nicht suchen.«

      »Was denn?«

      »Sie soll es mir selbst zeigen.«

      »Sie wird sich sicher weigern.«

      »Dazu gebe ich ihr keine Möglichkeit. Horch der Wagen kommt! Nun befolge ganz genau meine Vorschrift!«

      Der Schein der Wagenlampen wurde sichtbar, und ein eleganter, kleiner Viersitzer rollte auf die Villa zu. Er hielt kaum, als schon einer der herumlungernden Leute herbeistürzte, um für das Öffnen der Türe ein Trinkgeld zu erlangen. Ein anderer hegte dieselbe Absicht und stieß ihn beiseite. Ein heftiger Streit brach aus, die beiden Soldaten mischten sich hinein und nahmen für den ersten Partei, während der Scherenschleifer sich auf die Seite des andern schlug. Es kam zu einer förmlichen Schlägerei, und im Augenblick war die aus dem Wagen gestiegene Dame der Mittelpunkt einer Gruppe aufgeregter, zankender Menschen, die mit Fäusten und Stöcken aufeinander losgingen. Holmes stürzte sich zum Schutze der Dame mitten ins Gewühl, aber er hatte sie noch nicht erreicht, als er einen


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