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Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de MaupassantЧитать онлайн книгу.

Gesammelte Werke von Guy de Maupassant - Guy de Maupassant


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      Dort saßen würdig aussehende Männer, mit Ordensband im Knopfloch, und daneben etwas vernachlässigte Existenzen, bei denen man keine Wäsche sah, deren Rock, bis zum Kragen zugeknöpft, auf der Brust voller Flecken war, die aussahen wie die Umrisse der Kontinente und Meere auf einer Landkarte. In der Menge befanden sich auch drei Frauen, die eine war hübsch, lächelte, hatte sich hergerichtet und sah etwas nach Halbwelt aus. Ihre Nachbarin zog ein tragisches Gesicht, sie war runzelig, auch etwas zurechtgemacht, aber mehr ernst und hatte etwas Abgetakeltes, Unnatürliches, Gekünsteltes, wie gewöhnlich ehemalige Schauspielerinnen, so ein Duft von künstlich aufgefrischter Jugend, wie ranzig gewordenes Liebesparfüm.

      Die dritte Frau, in Trauer, drückte sich in eine Ecke. Man sah ihr die Verzweiflung der Witwe an. Duroy dachte: die wird wohl um ein Almosen bitten.

      Aber man ließ niemand eintreten und über zwanzig Minuten waren schon verstrichen.

      Da kam Duroy auf einen Gedanken und trat wieder an den Diener heran:

      – Herr Walter hat mich um drei Uhr bestellt. Sehen Sie doch mal nach, ob mein Freund Forestier nicht da ist.

      Sogleich führte man ihn durch einen langen Korridor, der auf einen großen Saal mündete, wo an einem grünen Tisch vier Herren arbeiteten.

      Forestier stand am Kamin, rauchte eine Zigarette und spielte Fangball. Er war sehr geschickt dabei und fing mit großer Sicherheit die Kugel aus gelbem Buchsbaum in dem kleinen Holzbecher.

      Er zählte:

      – 22 – 23 – 24 – 25 –

      Duroy sagte:

      – 26 – und sein Freund blickte auf, ohne in der regelmäßigen Bewegung seines Armes inne zu halten:

      – Gott da bist Du ja! Gestern bin ich auf 57 hinter einander gekommen. Von uns hier spielt nur Saint-Potin besser. Hast Du den Chef gesehen? Ist das Ulkigste, was man sehen kann, wenn die alte Kracke, der Norbert, Fangball spielt. Er macht immer dabei ‘s Maul auf, als ob er die Kugel ‘runterschlucken wollte.

      Einer der Redakteure wandte sich zu ihm:

      – Hör mal Forestier, ich weiß ein Fangballspiel, das zu verkaufen ist, es hat, so behauptet man wenigstens, der Königin von Spanien gehört. Sechzig Franken soll es kosten! Gar nicht teuer.

      Forestier fragte:

      – Wo ist’s denn zu haben?

      Und da er den siebenunddreißigsten Wurf verfehlt hatte, öffnete er einen Schrank, wo Duroy etwa zwanzig wundervolle Fangballspiele sah, die der Reihe nach standen und Nummern trugen wie Kostbarkeiten in einer Sammlung. Dann stellte er sein Spielzeug an den gewöhnlichen Platz und fragte noch einmal:

      – Wo soll denn dies Juwel zu haben sein?

      Der Journalist antwortete:

      – Bei einem Billethändler vom Vaudeville. Wenn Du willst, kann ich’s Dir ja morgen mitbringen.

      – Schön, einverstanden. Wenn es wirklich schön ist, nehme ich’s. Man kann nie genug Fangbälle haben.

      Dann wandte er sich zu Duroy:

      – Komm mal jetzt mit, ich werde Dich zum Chef bringen, sonst kannst Du hier vermodern bis heute abend.

      Sie gingen durch den Wartesaal, wo immer noch dieselben Leute in derselben Reihenfolge warteten. Sobald Forestier erschien, standen die junge Frau und die alte Schauspielerin schnell auf und näherten sich ihm. Er trat mit einer nach der andern in die Fensternische und, obgleich sie möglichst leise sprachen, merkte Duroy, daß er sie beide duzte.

      Nachdem sie dann zwei gepolsterte Thüren aufgestoßen, traten sie beim Chef ein.

      Die Sitzung, die bereits seit ein Uhr dauerte, bestand in einer Partie Ecarté mit einigen jener Herren, die Duroy tags vorher gesehen hatte.

      Herr Walter hielt die Karten und spielte mit schärfster Aufmerksamkeit und vorsichtigen Bewegungen, während sein Gegner die bunten Kartenblätter auf den Tisch warf, aufhob und mischte mit der Geschicklichkeit und Schnelligkeit eines alten Spielers. Norbert von Varenne schrieb einen Artikel. Er saß im Schreibstuhl des Chefs. Jacques Rival lag der Länge nach auf einem Sofa und rauchte mit geschlossenen Augen eine Zigarre.

      Das Zimmer roch, als wäre es nie gelüftet worden, nach den Lederstühlen, nach altem Tabak, nach Druckerschwärze. Es schlug einem sofort jener besondere Geruch der Redaktionszimmer entgegen, den alle Journalisten kennen.

      Auf dem Tische aus schwarzem Holz, der mit Messing eingelegt war, lagen ganze Stöße Papiere herum, Briefe, Karten, Zeitungen, Monatsschriften, Rechnungen von den Lieferanten, Drucksachen aller Art.

      Forestier drückte den Herren die Hand, die hinter den beiden Spielern standen, um zu wetten und sah, ohne ein Wort zu sagen der Partie zu. Sobald dann der alte Walter gewonnen hatte, sagte er:

      – Hier ist mein Freund Duroy.

      Der Chef musterte schnell über die Brillengläser den jungen Mann und fragte:

      – Bringen Sie mir den Artikel? Heute würde er sehr gut passen. Gerade zur Debatte Morel.

      Duroy zog die Blätter des Manuskriptes, die zweimal gefaltet waren, aus der Tasche:

      – Zu Diensten.

      Der Chef schien sehr erfreut zu sein und meinte lächelnd:

      – Gut, sehr schön, Sie halten Wort. Muß ich’s erst durchsehen, Forestier?

      Aber Forestier antwortete schnell:

      – ‘s ist nicht nötig, Herr Walter. Ich habe die Sache mit ihm zusammengestellt, um ihm beizubringen wie man’s machen muß. Der Artikel ist gut.

      Und der Chef, der eben die Karten bekam, die ein großer magerer Herr, ein Abgeordneter vom linken Zentrum gab, fügte gleichgiltig hinzu:

      – Schön, das ist also in Ordnung.

      Forestier ließ ihn die neue Partie nicht beginnen, sondern beugte sich zu seinem Ohr:

      – Wissen Sie, Sie haben mir doch versprochen, Duroy an Stelle von Marambot zu verpflichten! Kann er unter denselben Bedingungen eintreten?

      – Gewiß.

      Dann nahm der Journalist den Arm seines Freundes und zog ihn fort, während Herr Walter wieder anfing zu spielen.

      Norbert von Varenne hatte den Kopf nicht erhoben. Er schien Duroy entweder nicht gesehen oder nicht erkannt zu haben. Jacques Rival dagegen schüttelte ihm mit demonstrativer Kraft die Hand wie ein guter Kamerad, auf den man sich wenn’s nötig ist, verlassen kann.

      Sie kamen wieder durch den Wartesaal, und da alles aufblickte, sagte Forestier zu der jüngeren der Frauen laut genug, daß die anderen Leidensgefährten es hören konnten:

      – Der Chef wird Sie sofort empfangen. Er hat eben eine Konferenz mit zwei Mitgliedern der Budget-Kommission.

      Dann ging er eilig mit wichtiger Miene weiter, als ob er sofort eine Depesche von allergrößter Wichtigkeit zu erledigen hätte.

      Sobald sie wieder im Redaktionszimmer standen, nahm Forestier augenblicklich seinen Fangbecher wieder vor, und indem er das Spiel von neuem begann und ab und zu sich unterbrach, um zu zählen, sagte er zu Duroy:

      – So, jetzt mußt Du also täglich um drei Uhr hierher kommen, und ich sage Dir dann, welche Wege und Besuche Du zu machen hast, sei’s nachmittags, sei’s abends oder am nächsten Morgen – 1 – zuerst gebe ich Dir ein Empfehlungsschreiben mit für den Chef der Abteilung I des Polizeipräsidiums – 2 – der wird Dich an einen seiner Beamten weisen und mit ihm mußt Du Dich dann ins Einvernehmen setzen wegen aller wichtigen Nachrichten – 3 – die von der Präfektur kommen, offizielle Neuigkeiten wie halboffizielle. Weißt Du, dann mußt Du Dich wegen aller Einzelheiten an Saint-Potin wenden, der alles schon weiß – 4 – Du wirst ihn nachher treffen oder morgen. Vor allen Dingen mußt Du lernen, aus den Leuten, zu denen ich Dich schicke, alles herauszupressen, was wir brauchen


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