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Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de MaupassantЧитать онлайн книгу.

Gesammelte Werke von Guy de Maupassant - Guy de Maupassant


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fuhr fort:

      »Sagen Sie doch, mein Lieber, Sie gehen doch öfters zum Chef; ist es wahr, daß Frau Walter und Du Roy nie ein Wort mehr miteinander sprechen?«

      »Niemals. Sie wollte ihm die Kleine nicht geben. Aber er hatte den Vater scheinbar in der Hand; er drohte mit Enthüllungen über die Leichen, die in Marokko begraben sind. Es war eine furchtbare Drohung. Walter hat an das Beispiel von Laroche-Mathieu gedacht und hat sofort nachgegeben. Doch die Mutter, hartnäckig und eigensinnig wie alle Frauen, hat geschworen, nie ein Wort mit ihrem Schwiegersohn zu reden. Es ist sehr komisch, zu sehen, wenn sie einander gegenüber stehen. Sie sieht wie eine Bildsäule, wie eine Statue der Rache aus, und er ist offenbar verlegen, trotzdem er äußerlich seine Haltung nicht verliert; der Junge versteht sich schon zu beherrschen.«

      Die Kollegen kamen heran und drückten ihnen die Hände; man hörte abgerissene Sätze aus politischen Gesprächen. Und formlos wie das entfernte Rauschen des Meeres drang mit dem Sonnenlicht das Wogen der Volksmassen, die sich vor der Kirche angesammelt hatten, durch das offene Portal und erfüllte die Wölbungen und übertönte das leise Murmeln des auserwählten Publikums, das auf den Gottesdienst wartete.

      Plötzlich klopfte der Schweizer mit der hölzernen Spitze der Hellebarde dreimal auf die steinernen Fliesen. Die ganze Versammlung wandte sich nun mit lautem Kleiderrauschen und Rücken der Stühle dem Eingange zu. Die junge Frau erschien am Arm ihres Vaters in dem hellen Licht am Portal.

      Sie sah immer noch wie eine Puppe aus, wie eine prächtige weiße Puppe, deren Haar mit Orangeblüten geschmückt war. Sie blieb einige Augenblicke an der Schwelle stehen und tat dann ihren ersten Schritt in das mittlere Kirchenschiff. In dem Moment verkündete die Orgel mit ihrem mächtigen metallenen Klang den Eintritt der Vermählten.

      Sie schritt mit gesenktem Kopf, doch ohne Scheu, etwas aufgeregt, zierlich, reizend wie eine Miniaturbraut. Die Frauen lächelten und murmelten, als sie an ihnen vorüberging. Die Männer flüsterten sich zu: »Entzückend, bezaubernd!« Herr Walter schritt etwas übertrieben würdevoll mit dem Kneifer auf der Nase.

      Ihnen folgten vier Brautjungfrauen, alle vier hübsch und in Rosa gekleidet und bildeten den Hof dieser reizenden Königin. Die Brautführer waren auch gut ausgewählt und gingen in einem gleichförmigen Schritt, scheinbar von einem Ballettmeister eingeübt.

      Dann erschien Frau Walter am Arm des Vaters ihres anderen Schwiegersohnes, des zweiundsiebzigjährigen Marquis de Latour-Yvelin. Sie ging nicht, sondern sie schleppte sich vorwärts, sie schien bei jedem Schritt in Ohnmacht zu fallen. Man sah, daß sie ihre Beine mit großer Mühe bewegte, daß ihr Herz in ihrer Brust so heftig klopfte, wie ein gefangenes wildes Tier, das entfliehen will.

      Sie war mager geworden. Ihre weißen Haare ließen ihr Gesicht noch blasser und eingefallener erscheinen. Sie sah vor sich hin, um niemanden zu sehen und vielleicht auch um nicht über das nachzudenken, was sie so sehr quälte.

      Dann erschien Georges Du Roy mit einer unbekannten alten Dame.

      Er trug den Kopf hoch und sah gleichfalls mit hartem Blick unter seinen etwas zusammengezogenen Brauen starr vor sich hin. Sein Schnurrbart schien sich über seiner Lippe zu sträuben, Alle fanden ihn sehr schön. Er hatte eine stolze Haltung, eine schlanke Figur und einen geraden Gang. Der Frack saß gut und das rote Bändchen der Ehrenlegion glänzte daran wie ein Blutstropfen.

      Dann kamen die Verwandten, Rose mit dem Senator Rissolin. Sie war seit sechs Wochen verheiratet. Der Graf de Latour-Yvelin begleitete die Vicomtesse de Percemur. Endlich kam ein seltsamer bunter Zug von Bundesgenossen und Freunden Du Roys, die er in seiner neuen Familie eingeführt hatte, bekannte Leute aus der Pariser Halbgesellschaft, die sofort zu intimsten Freunden und sogar zu entfernten Verwandten der reichen Emporkömmlinge werden; heruntergekommene, ruinierte und verkrachte Edelleute, die bisweilen noch verheiratet sind, was das Allerschlimmste ist. Es waren: Herr de Belvigne, der Marquis de Banjolin, der Graf und die Gräfin de Revenel, der Herzog de Ramorano, der Fürst Kravalow, der Ritter Valréali, dann noch die Gäste des Walterschen Hauses; der Prinz de Guerche, der Herzog und die Herzogin de Ferracine und die schöne Marquise des Dunes. Einige Verwandte von Frau Walter zeigten in diesem eleganten großstädtischen Zuge ein vornehmes Provinzaussehen.

      Und immerfort spielte die Orgel und erfüllte die weiten Hallen mit dem mächtigen melodischen und rhythmischen Gesang ihrer ehernen Kehlen, die alles Menschenglück und -leid zum Himmel emporsandten.

      Man schloß die schweren Flügel des Portals, und auf einmal wurde es dunkel, als hätte man der Sonne den Eintritt verriegelt.

      Georges kniete im Chor neben seiner Frau vor dem erleuchteten Altar. Der neue Bischof von Tanger mit dem Krummstab in der Hand und der Mitra auf dem Kopf, kam aus der Sakristei, um sie im Namen des Allmächtigen zu vereinigen.

      Er stellte die üblichen Fragen, wechselte die Ringe, sprach die Worte, die wie Fesseln binden, und richtete an die Neuvermählten eine christliche Ansprache. Er sprach lange von der Treue in pathetischen Ausdrücken. Es war ein dicker, hochgewachsener Mann, einer jener schönen Prälaten mit einem majestätischen Bäuchlein. Man hörte plötzlich ein heftiges Schluchzen und einige Köpfe drehten sich um. Frau Walter weinte, das Gesicht m die Hände vergraben.

      Sie mußte nachgeben. Was konnte sie denn tun? Doch seit dem Tage, da sie ihre Tochter, die zurückgekehrt war, aus ihrem Zimmer gewiesen hatte, und sich geweigert hatte, sie zu umarmen, seit dem Tage, da sie Du Roy, der sie respektvoll begrüßt hatte, mit leiser Stimme sagte: »Sie sind das gemeinste Wesen, das ich je gekannt habe, reden Sie mich nie mehr an, denn ich werde Ihnen doch nicht antworten.« — Seit jenem Tag litt sie die furchtbarsten und unerträglichsten Qualen. Sie haßte Suzanne mit scharfem, bitterstem Haß, mit einer verzweifelten Leidenschaft und einer verzehrenden Eifersucht, der seltsamen Eifersucht einer Mutter und zugleich einer Geliebten, einem Gefühl, das sie nicht eingestehen konnte und das wie eine klaffende Wunde brannte.

      Und nun wurden sie von einem Bischof getraut, ihre Tochter und ihr Geliebter, in der Kirche in Gegenwart von 2000 Menschen und vor ihren Augen! Sie konnte nichts sagen! Sie konnte es nicht verhindern! Sie konnte nicht laut aufschreien: »Er gehört mir, dieser Mann, er ist mein Geliebter! Dieser Bund, den ihr segnet, ist eine Niedertracht!«

      Einige Damen waren gerührt und flüsterten:

      »Wie ist die arme Mutter aufgeregt.«

      Der Bischof sagte:

      »Sie gehören zu den Glücklichen der Erde, zu den Reichsten und Angesehensten. Sie, mein Herr, dessen Talent Sie über die anderen erhoben, die Sie schreiben, belehren, beraten und das Volk leiten, Sie haben einen herrlichen Beruf zu erfüllen, ein schönes Beispiel zu geben …«

      Du Roy hörte diesen Worten zu und war von Stolz berauscht. Ein Prälat der römischen Kirche, der so zu ihm sprach. Und er fühlte hinter seinem Rücken die Menge, eine vornehme, erlauchte Menge, die seinetwegen gekommen war. Und es war ihm, als trüge und erhöbe ihn eine geheimnisvolle Kraft.

      Er wurde nun einer der Herren dieser Erde. Er, der Sohn zweier armer Bauern aus Canteleu. Und er sah sie plötzlich in ihrer niedrigen Wirtsstube, hoch oben auf dem Bergkamm über dem Tal von Rouen; er sah seinen Vater und seine Mutter, wie sie den Bauern der Umgegend zu trinken gaben.

      Er hatte ihnen 5000 Francs geschickt, als er den Grafen de Vaudrec beerbte. Nun würde er ihnen 50000 Francs schicken, sie würden sich ein kleines Landgut kaufen. Sie würden zufrieden und glücklich sein.

      Der Bischof hatte seine Ansprache beendet. Ein Priester in goldbestickter Stola stieg die Stufen zum Altar hinauf. Und die Orgel verkündete wieder die Herrlichkeit der Neuvermählten.

      Es waren langgezogene, gewaltige, schwellende Klänge wie Meereswogen; sie schallten so mächtig, als müßten sie das Gewölbe hochheben und sprengen, um gegen den blauen Himmel emporzusteigen. Ihre bebenden Klänge erfüllten die ganze Kirche und ließen die Herzen erzittern. Auf einmal wurden sie stiller, und leichte, flüchtige Klänge schwebten in der Luft und berührten das Ohr wie ein leiser Hauch. Es waren graziöse, leichte, sprudelnde Gesänge, die wie Vogelgezwitscher klangen; und wieder schwoll diese anmutige Musik, breitete sich aus, gewaltig, voll und


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