Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de MaupassantЧитать онлайн книгу.
Aber der Vater des Kindes wird schon dafür sorgen, und wenn er Rosalie heiratet, sind doch keine Schwierigkeiten weiter.
Julius, dessen Geduld zu Ende zu sein schien, rief wütend:
– Der Vater? . . Der Vater? . . Ja weißt Du denn, wer es ist? Nein! Nicht wahr? Nicht wahr, Du weißt es nicht? Na also!
Johanna ward lebhafter:
– Ja er wird doch aber das Mädchen nicht in diesem Zustande verlassen. Das wäre doch eine Feigheit geradezu! Wir werden fragen, wer es ist und ihn dann aufsuchen. Da wird er sich schon drüber äußern.
Julius hatte sich beruhigt und fing wieder an, hin und her zu gehen:
– Liebes Kind, sie will es nicht sagen, sie will den Mann nicht nennen, Dir eben so wenig wie mir. Und .. wenn er sie nun nicht haben will? Wir können doch unter unserm Dach nicht ein Mädchen mit ihrem unehelichen Kind behalten. Das mußt Du doch einsehen!
Johanna blieb aber dabei:
– Dann ist der Mann eben ein Schuft! Aber wir müssen doch herauskriegen, wer es ist, und dann soll er es mit uns zu thun bekommen.
Julius war purpurrot geworden und wurde immer wütender:
– Aber . . bis dahin kann sie nicht hier bleiben.
Johanna wußte nicht, was sie sagen sollte und fragte: – Ja, was schlägst Du denn vor?
Da sagte er seine Ansicht: – Sehr einfach, ich würde ihr etwas Geld geben und sie rausschmeißen mit ihrem Wurm.
Darüber war die junge Frau empört:
– Nein, das geschieht nicht. Das Mädchen ist meine Milchschwester, wir sind zusammen groß geworden. Sie hat einen Fehltritt gethan, das ist zwar sehr schlimm, aber dafür setze ich sie nicht vor die Thür, und wenn es sein muß, werde ich selbst das Kind groß ziehen.
Da brach Julius los:
– Na, das ist ja sehr nett für uns, bei unsrem Namen und unsren Verbindungen. Da wird es überall heißen, daß wir das Laster beschützen und solchem Frauenzimmer Unterschlupf gewähren, und anständige Menschen werden keinen Fuß mehr über unsere Schwelle setzen wollen. Nein, wie kannst Du nur daran denken, überhaupt, Du bist ja ganz verrückt.
Sie war ganz ruhig geblieben:
– Ich lasse Rosalie nicht vor die Thür setzen, und wenn Du sie nicht nehmen willst, nimmt sie meine Mutter. Schließlich müssen wir doch den Namen des Vaters ihres Kindes erfahren.
Da lief er, indem er wütend die Thür ins Schloß warf, davon und rief:
– Die Weiber sind zu dumm mit ihren Ideen!
Am Nachmittag ging Johanna hinauf zu der Wöchnerin. Das Mädchen, das von der Witwe Dentu gepflegt ward, lag im Bett unbeweglich mit offnen Augen, während ihre Wärterin das neugeborene Kind in den Armen wiegte. Sobald Rosalie ihrer Herrin ansichtig ward, begann sie zu schluchzen und versteckte in größter Verzweiflung sich unter der Decke.
Johanna wollte sie umarmen, aber sie wehrte sich. Da trat die Wärterin hinzu und zog ihr die Decke vom Gesicht. Nun ließ sie es geschehen, indem sie noch immer, aber jetzt leiser weinte.
Im Kamin brannte ein schwaches Feuer. Es war kalt, das Kind weinte. Johanna wagte es nicht, von dem Kleinen zu sprechen in der Befürchtung, einen neuen Verzweiflungsausbruch herbei zu führen. Sie hatte die Hand ihres Mädchens genommen und sagte mechanisch:
– Es ist nichts! Es ist nichts! Du brauchst Dich nicht aufzuregen.
Das arme Ding blickte verstohlen zur Wärterin, zitterte beim Wimmern des Kindes, und ein Rest des Kummers packte sie abermals, sodaß sie noch ab und zu in krampfhaftes Schluchzen ausbrach, während es in ihrer Kehle rasselte.
Johanna küßte sie wiederum und flüsterte ihr ganz leise ins Ohr:
– Hab keine Angst, Rosalie, wir werden für das Kleine schon sorgen!
Als aber dann ein neuer Thränenausbruch erfolgte, ging, sie schnell davon.
Täglich kam sie wieder, und täglich brach Rosalie in Thränen aus, wenn sie ihre Herrin sah.
Das Kind wurde bei einer Nachbarin in Pflege gegeben.
Aber Julius sprach kaum mit seiner Frau, als ob er ihr böse sei, weil sie das Mädchen nicht hatte fortschicken wollen.
Eines Tages kam er auf den Gegenstand zurück. Da zog Johanna einen Brief ihrer Mutter aus der Tasche, worin die Baronin bat, ihr das Mädchen sofort zu schicken, wenn man sie nicht im Schloß behalten wolle.
Julius war wütend und rief:
– Deine Mutter ist genau so verrückt wie Du!
Aber dann ließ er die Sache auf sich beruhen. Vierzehn Tage später konnte die Wöchnerin wieder aufstehen und ihre Arbeit verrichten.
Da nahm sie Johanna eines Morgens vor, ließ sie hinsetzen, ergriff ihre Hände und blickte ihr in die Augen:
– Nun Rosalie, nun sag mir alles!
Rosalie fing an zu zittern und stammelte: – Was denn, gnädige Frau?
– Von wem ist das Kind?
Da wurde das Mädchen wiederum von Verzweiflung gepackt und suchte ihre Hände zu befreien, um das Gesicht darin zu verstecken.
Und Johanna küßte sie, so sehr sie sich auch wehrte und tröstete sie:
– Ach Rosalie, das ist eben ein Unglück, Du bist eben schwach gewesen, aber das passiert andern auch, und wenn der Vater des Kindes Dich heiratet, soll alles vergessen sein, und er kann bei uns in Dienst treten, mit Dir zusammen.
Rosalie stöhnte, als ob man sie gefoltert hätte, und von Zeit zu Zeit versuchte sie, sich los zu machen, um zu entfliehen.
Johanna fuhr fort:
– Ich verstehe schon, daß Du Dich schämst, aber Du siehst doch, daß ich Dir nicht böse bin. Ich frage Dich bloß zu Deinem Besten nach dem Namen des Vaters. Ich sehe doch aus Deinem Kummer, daß er Dich sitzen läßt, und das will ich eben verhindern. Julius wird mit ihm reden, und wir werden ihn schon zwingen, daß er Dich heiratet, und da wir euch dann alle beide in Dienst nehmen, wird er Dich schon glücklich machen.
Diesmal machte Rosalie einen so verzweifelten Versuch, sich los zu machen, daß sie ihre Hände aus denen ihrer Herrin riß und wie verrückt davon lief.
Abends bei Tisch sagte Johanna zu Julius:
– Ich wollte Rosalie dazu bringen, mir den Namen ihres Verführers zu nennen, aber es ist mir nicht gelungen. Nun versuche Du es doch mal Deinerseits, damit wir den Schuft zwingen können, sie zu heiraten.
Aber Julius ward sofort wütend:
– Hör’ mal, Du weißt doch, daß ich von der Geschichte nichts hören will. Du hast das Mädchen behalten wollen, also behalte sie, aber laß mich mit der Geschichte in Frieden.
Seit Rosaliens Niederkunft schien er noch schlechterer Laune als sonst. Er hatte sich angewöhnt, nie mehr ruhig mit seiner Frau zu sprechen, sondem immer zu schreien, als wäre er wütend, während sie im Gegenteil die Stimme senkte, weich ward und nachgiebig, um alle Auseinandersetzungen zu vermeiden. Und oft weinte sie abends.
Trotz seiner wütenden Stimmung hatte ihr Mann seine Liebesgewohnheiten, die er seit ihrer Rückkehr eingestellt, wieder aufgenommen, und es vergingen selten drei Tage ohne daß er die eheliche Schwelle überschritt.
Rosalie war bald ganz wieder hergestellt und nun weniger traurig, obgleich sie etwas Verstörtes behielt, als ob ein Schreckgespenst sie verfolge.
Und noch zweimal lief sie davon, als Johanna versuchte, sie zum Geständnis zu bringen.
Plötzlich ward auch Julius liebenswürdiger, und die junge Frau begann neue Hoffnung zu schöpfen, ward wieder heiter, obgleich sie manchmal ein wunderliches Unwohlsein überkam, von dem sie aber niemandem