Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de MaupassantЧитать онлайн книгу.
Ich glaube wahrhaftig, sie ist eifersüchtig.
– Ach was?
– Ja ganz gewiß! Sie nennt Dich nicht mehr Liebling, sie nennt Dich: Herr Forestier.
Du Roy ward rot, dann näherte er sich der jungen Frau:
– Laß mich Deinen Mund küssen!
Sie beugte sich zu ihm.
– Wo können wir uns wiedersehen? fragte er.
– Nun… Rue de Constantinople.
– Ach .. ist denn die Wohnung nicht vermietet?
– Nein, ich habe sie behalten?
– Du hast sie behalten?
– Ja, ich dachte mir, Du würdest wiederkommen.
Eine stolze Freude schwellte ihm die Brust. Diese da liebte ihn also, mit echter, standhafter, tiefer Liebe. Er flüsterte:
– Ich habe Dich so lieb!
Dann fragte er:
– Wie geht es Deinem Mann?
– Sehr gut! Er ist eben vier Wochen hier gewesen, und seit vorgestern fort.
Du Roy mußte lachen:
– Wie das gut klappt.
Sie antwortete naiv:
– Ja es trifft sich gut, aber er stört auch nicht, wenn er hier ist. Das weißt Du doch!
– Das ist wahr! Übrigens ein reizender Mann.
– Und wie hast Du Dich denn eingelebt? fragte sie.
– Es geht! Meine Frau ist ein Kamerad und ein Verbündeter!
– Mehr nicht?
– Mehr nicht. Ihr Herz…..
– Ich versteh schon, aber sie ist doch hübsch!
– Ja, aber sie regt mich nicht auf.
Er näherte sich Clotilde und flüsterte:
– Wann sehen wir uns wieder?
– Nun … wann Du willst … morgen!
– Ja, morgen, um zwei Uhr.
– Um zwei!
Er stand auf, um zu gehen, und dann stammelte er etwas verlegen:
– Weißt Du, ich will die Wohnung Rue de Constantinople auf meine Rechnung nehmen. Ich will es. Das geht nicht, daß Du das zahlst.
Mit einem plötzlichen Gefühl, als betete sie ihn an, küßte sie ihm die Hand und flüsterte:
– Thue was Du willst, ich habe sie wenigstens behalten, bis wir uns wiedersahen.
Und Du Roy ging befriedigt davon.
Als er bei einem Photographen vorüber kam, sah er im Schaufenster das Bild einer stattlichen Frau mit großen Augen, das ihn an Frau Walter erinnerte. »Na, jedenfalls,« dachte er, »ist die gar nicht so übel. Wie kommt es nur, daß ich noch nicht auf sie geachtet habe. Ich bin doch neugierig, wie sie Donnerstag gegen mich sein wird.«
Er rieb sich die Hände, während er dahin ging mit tiefinnerster Freude, der Freude über seine Erfolge auf der ganzen Linie, der egoistischen Freude des geschickten Mannes der seinen Weg macht, der delikaten Freude, die Frauenliebe in uns erregt, die Folge geschmeichelter Eitelkeit und befriedigter Sinnlichkeit.
Als der Donnerstag gekommen war, fragte er Magdalene:
– Gehst Du nicht zur Fecht-Vorstellung bei Rival?
Sie antwortete:
– Ach nein, das macht mir keine Freude. Ich gehe in’s Abgeordnetenhaus.
Im offenen Landauer, denn es war wunderschönes Wetter, holte er Frau Walter ab. Er war ganz erstaunt als er sie sah, so schön und jung fand er sie. Sie trug ein helles Kleid, dessen halber Ausschnitt unter gelben Spitzen die Rundung der Brust verriet. Noch nie war sie ihm so frisch erschienen, er fand sie wirklich begehrenswert. Sie hatte ihre gewöhnliche, vornehme Gelassenheit. Das sichere ruhige Benehmen der »Mama«, über die achtlos die galanten Blicke der Männer hinweggleiten. Wenn sie sprach, sagte sie nur Dinge die man wußte, die Gemeingut waren, sehr vernünftig, methodisch, geordnet, ohne irgend etwas Außergewöhnliches.
Ihre Tochter Susanne sah in ihrem rosa Kleid wie ein frischgefirnißtes Gemälde von Watteau aus, und die ältere Schwester machte den Eindruck, als wäre sie die Erzieherin, die diesem reizenden kleinen Mädchen Gesellschaft leisten sollte.
Vor der Thür Rivals stand schon eine lange Reihe Wagen.
Du Roy bot Frau Walter den Arm, und sie traten ein. Die Fechtvorführung sollte zu Gunsten der Waisen des sechsten Pariser Armenbezirks stattfinden, unter dem Patronat der Gattinnen aller Senatoren und Abgeordneten, die zur ‘Vie française’ Beziehungen unterhielten.
Frau Walter hatte versprochen mit ihren Töchtern zu kommen, es jedoch abgelehnt Patronatsdame zu sein, weil sie ihren Namen nur von der Kirche veranstalteten Wohlthätigkeitsvorstellungen zur Verfügung stellte, nicht etwa weil sie sehr fromm gewesen wäre, sondern weil sie glaubte, daß ihre Ehe mit einem Juden sie zu einer gewissen religiösen Haltung zwänge. Das Fest, das der Journalist veranstaltete, hatte mehr einen republikanischen Anstrich, den man für antiklerikal hätte deuten können.
Seit drei Wochen stand in den Blättern aller Richtungen zu lesen:
»Unser berühmter Kollege Jacques Rival hat den ebenso geistreichen, wie edelmütigen Gedanken gehabt, zu Gunsten der Waisen des sechsten Armenbezirks eine große Fechtaufführung in seinem reizenden Fechtsaale, der zu seiner Junggesellenwohnung gehört, abzuhalten.
Die Einladungen sind unterzeichnet von den Damen Laloigue, Remoutel, Rissolin, den Gattinnen der gleichnamigen Senatoren und von den Damen Laroche-Mathieu, Percerol, Firmin, den Gattinnen der bekannten Abgeordneten. Während der Pausen zwischen den Übungen wird eine einfache Kollekte veranstaltet und die eingegangene Summe sofort dem Vorsteher des sechsten Bezirkes oder seinem Stellvertreter übergeben werden.«
Das war eine Riesenreklame, die der geschickte Journalist für sich ausgedacht hatte.
Jacques Rival empfing die Angekommenen an der Thür, wo ein Büffet errichtet worden war, dessen Kosten von der Einnahme abgezogen werden sollten.
Dann deutete er mit liebenswürdiger Handbewegung auf die kleine Treppe, die in den Keller führte, wo Fechtsaal und Schießstand eingerichtet waren, und sagte dabei:
– Unten meine Damen, unten. Die Vorstellung findet in den unten gelegenen Räumen statt.
Der Frau seines Chefs lief er entgegen und du Roy drückte er die Hand:
– Guten Tag, Liebling.
Jener war erstaunt:
– Wer hat Ihnen denn gesagt, daß ….
Rival schnitt ihm das Wort ab:
– Bitte, hier Frau Walter, die diesen Spitznamen reizend findet.
Frau Walter wurde rot:
– Ja, ich gestehe, daß wenn ich Sie genauer kennte, ich es wagen würde, wie die kleine Laura, Sie auch Liebling zu nennen, das paßt so gut für Sie.
Du Roy lachte:
– Aber bitte, gnädige Frau, thun Sie es doch.
Sie schlug die Augen nieder:
– Nein, wir kennen uns nicht genau genug.
Er murmelte:
– Darf ich hoffen, daß wir uns naher kennen lernen?
– Nun wir werden sehen, sagte sie.
Er wandte sich dem Eingang der engen Treppe zu, die durch eine Gasflamme erleuchtet ward; der plötzliche Übergang der Tageshelle zum gelben Licht dort, hatte etwas Unheimliches.