Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de MaupassantЧитать онлайн книгу.
Ja, Du! Man vermacht doch nicht einer Frau sein ganzes Vermögen, ohne daß ….
Sie zitterte und brachte es nicht fertig, das durchsichtige Gewebe abzustecken, dann sagte sie nach kurzer Überlegung stammelnd und mit erregter Stimme:
– Hör mal, Du bist .. Du bist .. verrückt! Hast Du .. hast Du .. hast Du .. denn nicht vorher selbst gehofft, daß .. er .. er Dir etwas vermachen würde?
Georg blieb neben ihr stehen und verfolgte ihre erregten Gebärden wie der Richter, der die geringsten Blößen des Angeklagten zu erspähen sucht. Er sagte und betonte jedes einzelne Wort:
– Ja, mir konnte er etwas hinterlassen, mir, Deinem Gatten .. mir, .. seinem Freund, aber nicht Dir, .. Dir, seiner Freundin, .. Dir meiner Frau. Das ist ein sehr wesentlicher, ein sehr bedeutender Unterschied vom Standpunkt des Taktes und der öffentlichen Meinung.
Nun blickte ihm Magdalene fest in die Augen, forschend und eigentümlich, als wollte sie darin etwas lesen, als wollte sie darin das Innerste dieses Wesens entdecken, das man nie durchdringt, das man höchstens einmal eine kurze Sekunde flüchtig sieht, in jenen unbewachten Augenblicken des Sichgehenlassens, der Unaufmerksamkeit, die wie halb geöffnete Thüren sind zu den Geheimnissen der Seele. Und sie sagte langsam:
– Ich denke doch, daß wenn ….. daß man ein so großes Legat an Dich mindestens ebenso seltsam gefunden haben würde.
– Warum?
– Weil …. Sie zögerte, dann fuhr sie fort: – Weil Du mein Mann bist, weil .. Du ihn eigentlich nur wenig kanntest, .. weil ich seit langer Zeit seine Freundin bin, .. weil schon sein erstes Testament noch zu Lebzeiten Forestiers, zu meinen Gunsten war.
Georg lief mit großen Schritten hin und her und erklärte:
– Du kannst es nicht annehmen!
Sie antwortete gleichgiltig:
– Schön, dann brauchen wir nicht bis Sonnabend zu warten, das können wir dem Notar gleich mitteilen.
Er blieb vor ihr stehen, und wieder blickten sie sich einen Augenblick in die Augen, bemüht bis in die tiefsten Geheimnisse ihrer Seele zu dringen und ihre letzten Gedanken zu erraten. Sie versuchten in stummer brennender Frage ihre Seelen bloß zu legen: ein geheimer Kampf von zwei Wesen, die Seite an Seite leben und sich doch immer fremd sind, sich beargwöhnen, sich auflauern und spionieren, aber sich doch nie kennen lernen bis in den schlammigen Grund ihrer Herzen.
Und plötzlich warf er ihr mit leiser Stimme ins Gesicht:
– Jetzt gesteh, daß Du Vaudrecs Geliebte gewesen bist.
Sie zuckte die Achseln:
– Das ist lächerlich! Vaudrec hat immer eine große Zuneigung zu mir gehabt, viel …. aber nie mehr, … nie!
Er stampfte auf den Boden:
– Du lügst, das ist unmöglich.
Sie antwortete ganz ruhig:
– Aber es ist so.
Er begann wieder hin und her zu gehen und blieb dann von neuem stehen:
– Dann bitte erkläre mir, wie er dazu kommt, Dir sein ganzes Vermögen zu hinterlassen. Dir?
Sie gab gleichgiltig und uninteressiert die Erklärung:
– Das ist sehr einfach. Wie Du vorhin gesagt hast, hatte er keine anderen Freunde als uns oder vielmehr mich, denn er kannte mich von Kindheit auf. Meine Mutter war Gesellschafterin bei Verwandten von ihm. Er kam immer hierher, und da er keine bestimmten Erben hatte, dachte er an mich. Vielleicht hat er auch ein wenig Liebe für mich empfunden, das ist wohl möglich, aber welche Frau ist nicht so geliebt worden! Und warum soll nicht diese geheime Zuneigung ihm meinen Namen, als er seinen letzten Willen aussetzte, in die Feder geführt haben? Jeden Montag schenkte er mir Blumen, darüber bist Du nicht weiter erstaunt gewesen. Dir hat er doch keine gebracht. Heute vermacht er mir aus demselben Grunde sein Vermögen und weil er niemand hat, dem er es geben könnte. Es wäre im Gegenteil sehr sonderbar, wenn er es Dir hinterlassen hätte. Warum Dir? Was warst Du ihm denn?
Sie sprach so natürlich und ruhig, daß Georg zögerte zu antworten.
Endlich sagte er:
– Das ist ganz gleich, unter diesen Umständen können wir die Erbschaft nicht annehmen. Das würde einen sehr schlechten Eindruck machen. Alle Leute würden sich ihr Teil denken, alle Welt würde davon reden und mich auslachen. Die Kollegen sind so schon sehr eifersüchtig auf mich und warten nur auf den Augenblick mich anzugreifen. Gerade ich muß noch mehr als andere auf meine Ehre und auf meinen Ruf bedacht sein. Ich kann unmöglich zugeben, daß meine Frau ein Legat solcher Art annimmt von seiten eines Mannes, den der allgemeine Klatsch schon längst zu Deinem Liebhaber gemacht hat. Forestier hätte das vielleicht geduldet, aber ich nicht.
Sie sagte ganz leicht hin:
– Aber, lieber Freund, da wollen wir eben nicht annehmen. Eine Million weniger in der Tasche, was macht das?
Er lief immerfort im Zimmer auf und ab und fing an laut zu denken, indem er für seine Frau sprach, ohne sich doch an sie zu wenden: – Nun schön! Eine Million, .. meinetwegen. Er hat nicht daran gedacht als er das Legat machte, wie taktlos er war, wie er den Anstand verletzte, er hat nicht überlegt in welche falsche lächerliche Lage er mich dadurch bringen würde. Im Leben kommt es immer nur darauf an, wie etwas gemacht wird. Hätte er die Hälfte mir hinterlassen, wäre es am Ende gegangen.
Er setzte sich, schlug die Beine übereinander drehte den Schnurrbart, wie er es immer that, wenn ihm etwas Unangenehmes geschah, wenn er in Unruhe war, oder wenn er eine schwere Frage entscheiden mußte.
Magdalene nahm eine Stickerei vor, an der sie ab und zu arbeitete und sagte, indem sie sich die Farben ihrer Wollfäden aussuchte:
– Ich kann nur schweigen. Du mußt Dir die Sache überlegen.
Er antwortete lange Zeit nichts. Dann sagte er zögernd:
– Die Welt wird nie verstehen, wie Vaudrec Dich zur Universalerbin hat einsetzen können und wie ich es habe zugeben können. Das Geld auf diese Art bekommen, heißt einfach soviel als eingestehen, .. eingestehen: von Deiner Seite ein sträfliches Verhältnis, von meiner Seite ein niederträchtiges Augenzudrücken. Verstehst Du nicht, wie man die Annahme unsererseits deuten würde? Man müßte wenigstens ein Mittel finden, etwas vorzuschieben, die Geschichte zu bemänteln, verbreiten, daß er das Geld zwischen uns geteilt hat. Die Hälfte dem Mann, die Hälfte der Frau!
Sie sagte:
– Ich weiß nur nicht, wie man das machen sollte, da das Testament doch vorliegt.
Er antwortete:
– Ach, das ist ganz einfach. Du kannst mir die Hälfte durch Schenkung bei Lebzeiten übertragen. Wir haben keine Kinder, da ist das möglich. So würde den bösen Zungen das Maul gestopft.
Sie antwortete etwas ungeduldig:
– Aber ich sehe noch immer nicht ein, wie man dadurch den bösen Zungen das Maul stopfen kann, denn das Testament ist doch da, von Vaudrec unterzeichnet.
Er antwortete wütend:
– Wir brauchen es doch nicht zu zeigen und nicht gerade an alle Mauern anzuschlagen. Du bist doch zu schwerfällig! Wir sagen einfach, daß Graf Vaudrec sein Vermögen zwischen uns geteilt hat. Na, übrigens kannst Du das Legat ja ohne meine Zustimmung gar nicht annehmen, und ich gebe sie Dir nur unter der Bedingung, daß wir teilen, damit ich nicht zum Gespött der Menschen werde.
Sie blickte ihn wieder durchdringend an:
– Wie Du willst, ich bin einverstanden.
Da erhob er sich und begann wieder seinen Rundgang, es schien, als zögerte er von neuem, und nun vermied er den forschenden Blick seiner Frau. Er sagte:
– Nein, es ist doch vielleicht besser die Geschichte nicht anzunehmen, das ist ehrenhafter, korrekter, und so würde kein Mensch irgend etwas reden dürfen, und die korrektesten