Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de MaupassantЧитать онлайн книгу.
entsprungen. Bei diesen Auseinandersetzungen fingen auch die Damen Feuer und da wurden andere kürzlich stattgehabte Ereignisse untersucht, besprochen, von allen Seiten betrachtet, auf ihren Wert abgeschätzt mit jenem praktischen Blick und jener ganz besonderen Manier der Neuigkeitskrämer, wie man beim Kaufmann die Gegenstände, die verkauft werden sollen, betrachtet, umdreht und bewertet.
Dann war die Rede von einem Duell und Jacques Rival nahm das Wort. Das war sein Fach, kein anderer hätte darüber sprechen können.
Duroy wagte es nicht, ein Wort zu sagen. Ab und zu blickte er seine Nachbarin an, deren runde Büste ihn anzog. Am Ohr hing ihr ein Diamant, der nur durch einen kleinen Goldfaden gehalten wurde, wie ein Wassertropfen, der auf die Haut hinabgeglitten. Ab und zu machte sie eine Bemerkung, die stets die andern zum Lachen brachte. Sie hatte eine nette, komische Art, ganz unerwartete Wendungen anzubringen, einen schelmischen Geist, der die Dinge sorglos betrachtet und sie mit wohlwollendem, leichtem Skepticismus beurteilt.
Duroy suchte vergebens, ihr irgend eine Artigkeit zu sagen. Er fand nichts und beschäftigte sich mit ihrer Tochter, der er zu trinken einschenkte, die Schüsseln reichte und vorlegte. Das Kind, das ernster war wie die Mutter, dankte mit gemessener Stimme und kurzem Kopfnicken:
– Sie sind sehr liebenswürdig.
Dann hörte sie mit nachdenklicher Miene den Erwachsenen zu.
Das Diner war ausgezeichnet und alle gerieten in Entzückung. Herr Walter fraß wie ein Wolf, sprach fast nichts und betrachtete nur von der Seite mit einem Blick unter den Brillengläsern die Schüsseln, die man ihm präsentierte. Norbert von Varenne half ihm dabei und ließ ab und zu einen Tropfen Sauce auf seine Hemdenbrust fallen.
Forestier überwachte lächelnd und ernsthaft das Diner, tauschte ab und zu mit seiner Frau einen Blick des Einverständnisses, wie zwei Genossen, die eine schwierige Arbeit miteinander abzuwickeln haben und froh sind, daß alles klappt.
Die Wangen röteten sich, die Stimmen wurden lauter. Ab und zu flüsterte der Diener den Gästen zu:
– Corton – Chateau-Larose?
Duroy hatte der Corton geschmeckt und er ließ sich jedesmal das Glas wieder füllen. Eine köstliche Lustigkeit durchströmte ihn, eine warme Fröhlichkeit, die ihm vom Leib zu Kopfe stieg, ihm über die Glieder lief und ihn völlig durchdrang. Er fühlte sich unendlich wohl, körperlich wie geistig, an Leib und Seele.
Und nun überkam ihn die Lust zu sprechen, sich bemerkbar zu machen, angehört zu werden und beachtet von diesen Männern, deren geringste Äußerung man wie eine Offenbarung entgegennahm.
Aber das Gespräch, das immer hin und her flog, einmal hier und einmal dort hängen blieb, sprang von einem Gegenstand zum andern, kam auf irgend einen Ausdruck, ein Nichts. Nachdem die Tagesereignisse durchgehechelt waren und dabei tausend Fragen gestreift worden, kehrte man zur Interpellation Morel über die Kolonisation zurück.
Herr Walter machte zwischen zwei Gängen ein Paar Witze, denn er nahm nichts ohne Zweifel hin. Forestier erzählte seinen Artikel für morgen, Jacques Nival verlangte Militärgewalt und daß allen Offizieren, nach dreißig Jahren Kolonialdienst, Land überwiesen werden sollte.
Er sagte:
– Auf diese Art würde man eine thatkräftige Kolonie schaffen, die seit langer Zeit das Land kennen und lieben gelernt hat, die die dortige Sprache spricht und über alle jene wichtigen Lokalfragen unterrichtet ist, bei denen Neuangekommene zweifellos Schiffbruch leiden.
Norbert von Varenne unterbrach ihn:
– Jawohl, sie werden alles verstehen, nur nicht das Land zu bebauen. Sie werden arabisch reden, aber keine Ahnung davon haben, wie man Zuckerrüben pflanzt und Getreide sät. Sie werden vorzüglich mit den Waffen umgehen können, aber wenig Ahnung vom Dung haben. Im Gegenteil, man müßte das neue Land jedermann im weitesten Umfange öffnen, dann werden die intelligenten Leute ihr Fortkommen finden und die übrigen zu Grunde gehen. Das ist einmal soziales Gesetz.
Man schwieg einen Augenblick und lächelte.
Georg Duroy öffnete den Mund und sagte, selbst erstaunt über den Ton seiner Stimme, als ob er sich noch nie hätte sprechen hören:
– Was da drüben am meisten fehlt, ist guter Boden. Wirklich fruchtbarer Grund und Boden kostet genau soviel wie in Frankreich und wird als Geldanlage von reichen Parisern gekauft; die wirklichen Kolonisten, die Armen, die in die Kolonien gehen, weil sie nichts zu essen haben, sind dadurch auf die Wüste angewiesen, wo nichts wächst, weil das Wasser fehlt.
Alles blickte ihn an und er fühlte, wie er errötete. Herr Walter fragte:
– Sie kennen Algerien, wie es scheint? Er antwortete:
– Gewiß, ich bin über zweieinviertel Jahr dort gewesen und habe mich in allen drei Provinzen aufgehalten.
Da befragte ihn plötzlich Norbert von Varenne, indem er ganz das Gesprächsthema Morel beiseite ließ, über Einzelheiten der Gebräuche, die er von einem Offizier hatte. Es handelte sich um Mzab, diese eigentümliche, kleine arabische Republik mitten in der Sahara in dem ödesten Teil dieser glühenden Gegenden.
Duroy war zweimal in Mzab gewesen und erzählte nun von Sitten und Gebräuchen in diesem eigentümlichen Lande, wo ein Tropfen Wasser mit Gold aufgewogen und jeder Bewohner zu allen öffentlichen Diensten herangezogen wird und wo Rechtschaffenheit in Handel und Wandel stärker entwickelt ist als bei den civilisiertesten Völkern.
Er redete mit einer gewissen großsprecherischen Art: der Wein war ihm zu Kopf gestiegen und er wollte gefallen. Er erzählte Soldatengeschichten, Züge aus dem arabischen Volksleben und Kriegserlebnisse. Ihm standen sogar einige beschreibende Worte zu Gebot über diese gelben, öden Sandflächen, die trostlos unablässig in der glühenden Sonnenhitze liegen.
Alle Damen blickten ihn an. Frau Walter sagte in ihrer langsamen Sprechweise:
– Sie könnten eigentlich aus Ihren Erinnerungen eine Reihe reizender Artikel machen.
Da sah Walter den jungen Mann über die Brillengläser an, wie er es immer that, wenn er Gesichter genau betrachten wollte.
Forestier benützte den Augenblick:
– Verehrter Chef, ich habe Ihnen schon einmal von Herrn Georg Duroy gesprochen und Sie gebeten, ihn mir zur Verfügung zu stellen als Adlatus für die Politischen Nachrichten. Seitdem uns Marambot verlassen hat, habe ich niemanden, um dringende und vertrauliche Erkundigungen einzuziehen! Unser Blatt leidet darunter.
Der alte Walter wurde ernst und schob seine Brille hinauf, um Duroy zu mustern. Dann sagte er:
– Herr Duroy hat unbedingt eine sehr originelle Anschauungsweise, er soll doch mal morgen um drei Uhr zu mir kommen. Wir können uns dann darüber unterhalten und werden die Sache schon in’s Reine bringen.
Dann sagte er nach einem Augenblick Pause, indem er sich zu dem jungen Mann wandte:
– Aber schreiben Sie uns doch jedenfalls gleich einmal eine Reihe von kleinen phantastischen Artikeln über Algerien. Erzählen Sie Ihre Erlebnisse und bringen Sie doch die Kolonisationsfrage hinein, so wie wir eben davon gesprochen haben! Das ist aktuell, sehr aktuell und ich glaube bestimmt, daß das unseren Lesern gefallen wird. Aber beeilen Sie sich, ich muß den ersten Artikel morgen oder übermorgen haben, während man noch in der Kammer über das Thema debattiert. Das zieht Publikum an.
Frau Walter fügte mit jener ernsten Liebenswürdigkeit hinzu, die sie allen Dingen entgegenbrachte und die ihren Worten den Stempel einer Gunsterteilung aufdrückte:
– Ich wüßte einen famosen Titel: Erinnerungen eines Chasseur d’Afrique. Nicht wahr Herr Norbert?
Der alte Dichter, der spät zu Ruhm gelangt war, haßte und fürchtete alle neu Auftauchenden. Er antwortete in trockenem Ton:
– Gewiß, ausgezeichnet, vorausgesetzt daß der Schluß in der richtigen Stimmung bleibt, denn darin liegt die große Schwierigkeit. Das ist genau wie in der Musik der Ton, die richtige Note.
Frau