Wahre Verbrechen: Morde am Fließband - Die bekanntesten Kriminalgeschichten aller Länder. Alexis WillibaldЧитать онлайн книгу.
sie ins Verderben gebracht haben, ja sogar von ihrer allzu großen Religiosität, welche von jeher die größte Quelle ihres traurigen Schicksals gewesen sei. Im Lügen vor dem Richter log sie auch vor sich selbst und fiel selbst mit dem Tode nicht aus der Rolle, die sie sich aufgegeben hatte, immer, wenigstens in ihren eigenen Augen, interessant zu sein.
Sie ward verurteilt, mit dem Schwerte vom Leben zum Tode gebracht zu werden. Selbst die Verschärfung des Urteils, daß ihr Körper auf das Rad gelegt werden sollte, ward noch durch die königliche Gnade beseitigt.
Die Zwanziger zeigte keine Spur von Reue oder Gemütsbewegung, als ihr das Urteil eröffnet wurde. Mit fester Hand unterzeichnete sie das Protokoll und verlebte in vollkommenster Ruhe die drei Tage bis zur Vollstreckung des Urteils; ja sie gestand, ihr Tod sei für die Menschen ein Glück, denn es würde ihr nicht möglich gewesen sein, ihre Giftmischereien zu unterlassen.
Ihr Inquirent hatte durch sein mildes und ernstes Wesen ihre ganze Zuneigung gewonnen, wie es bekanntlich nicht selten der Fall ist. Sie wollte sich ihm erkenntlich beweisen und tat dies in einer eigenen Art.
Sie bat ihn, ihr zu erlauben, daß sie ihm, wenn dieses möglich sei, als Geist erscheinen dürfe, um ihm einen handgreiflichen Beweis von der Unsterblichkeit der Seele zu liefern. Aber zugleich beharrte sie standhaft bei einer entsetzlichen Lüge. Wie ihr auch der Untersuchungsrichter auf ihr Gewissen zugeredet hatte, wenigstens darin die volle Wahrheit zu sagen, daß der Justizamtmann Glaser an der Vergiftung seiner Frau unschuldig sei, blieb sie bei ihrer früheren verleumderischen Beschuldigung und beugte mit dieser letzten Lüge ihr Haupt unter das Scharfrichterschwert.
Auch auf dem Schafott hörte sie mit größter Gelassenheit ohne Tränen das Urteil an. Nur aus Schamgefühl vor der großen Volksmenge hielt sie das Tuch vor das Gesicht. Als der Stab über sie gebrochen war, nahm sie von Richter und Schöffen wie von einer gewöhnlichen Gesellschaft mit zierlicher Verbeugung höflich Abschied.
Am 17. September wurde sie hingerichtet.
Das verratene Beichtgeheimnis
Im Jahre 1700 lebte in Croix Daurada, einem Dörfchen in der Nähe von Toulouse, ein Pfarrer namens Peter Cölestin Chaubard. Der Mann besaß weder außergewöhnliche Energie noch hervorragende geistige Fähigkeiten, aber er war gewissenhaft und unermüdlich in der Erfüllung seiner Pflichten, einfach in seinen Gewohnheiten, tadellos in seinem Wandel, liebenswürdig im Umgang und wurde wegen dieser Eigenschaften von allen seinen Pfarrkindern geehrt und geliebt.
Eine der angesehensten und wohlhabendsten Familien in der Gemeinde war die des Herrn Siadoux. Sie bestand aus dem Herrn Saturnin Siadoux selbst, einem Witwer von sechzig Jahren, aus drei erwachsenen Söhnen, die dem Vater in dem Betrieb einer ziemlich bedeutenden Ölsiederei zur Hand gingen, und aus zwei blühenden Töchtern.
Eine Schwester des Herrn Siadoux, Frau Mirailhe, war vor kurzem Witwe geworden. Ihr verstorbener Mann hatte ihr ein beträchtliches Vermögen hinterlassen, sie wohnte noch in Toulouse, um zunächst die Nachlaßangelegenheiten zu ordnen, wollte aber später nach Croix Daurada übersiedeln und den Rest ihres Lebens im Hause ihres Bruders verbringen. Sie liebte ihre Neffen und Nichten von ganzem Herzen, und da sie keine eigenen Kinder hatte, sollten jene einst ihre Erben werden. Frau Mirailhe war freilich über die Jahre, in denen sich eine Frau vorkommendenfalls entschließt, eine zweite Ehe einzugehen, noch nicht hinaus. Mancher angesehene Bürger von Toulouse hatte ein Auge auf die hübsche und wohlhabende Witwe geworfen, aber nur einem einzigen gestattete sie, sie zu besuchen und mit ihr in ein freundschaftliches Verhältnis zu treten. Dieser Bevorzugte, der Fleischermeister Contegrel, war einer ihrer Nachbarn, er hatte ihr beim Ordnen der Bücher ihres Gatten wesentliche Dienste geleistet, und deshalb hieß sie ihn, sooft er ihr Haus betrat, gern willkommen und zog ihn auch bei allen wichtigen Angelegenheiten zu Rate.
Dem Herrn Saturnin Siadoux wurde die Sache nach und nach bedenklich. Da er recht gut merkte, daß Contegrel anfing, seiner Schwester den Hof zu machen, und daß diese ihm täglichen Zutritt gestattete, so fürchtete er, sie würde sich doch am Ende entschließen, die Bewerbungen Contegrels anzunehmen, und dann war das reiche Erbe für seine Kinder verloren. Herr Siadoux erkundigte sich nach dem Rufe und dem Vorleben des Metzgermeisters Contegrel und hörte darüber so seltsame Gerüchte, daß er sich veranlaßt sah, nach Toulouse und von da nach Narbonne zu fahren; dabei hoffte er im stillen, daß er über das, was er Ungünstiges vernommen hatte, in Narbonne, dem früheren Wohnort Contegrels, Genaueres erfahren und Frau Mirailhe den Freier abweisen würde, wenn sie die Wahrheit über ihn erführe.
Siadoux sagte keinem Menschen etwas von dem Zweck seiner Reise. Von Narbonne aus schrieb er an seine Kinder, daß er den Rückweg über Castnaudry zu nehmen beabsichtige und dort bei einem alten Freunde zwei Tage verweilen werde. Ferner setzte er sie davon in Kenntnis, daß er Dienstag, den 26. April, wieder in Croix Daurada eintreffen werde, und ordnete an, sie sollten ihn gegen Abend zur Zeit des Nachtessens erwarten und zur Feier seiner Rückkehr ein reichliches Mahl herrichten. Außer seiner Schwester sollten zwei Nachbarn, Geschäftsmänner, die mit Siadoux befreundet waren, und der Herr Pfarrer Chaubard, ein in jeder Familie gern gesehener Gast, zu dem Abendessen eingeladen werden.
Die Befehle des Vaters wurden befolgt. Die Einladungen waren abgeschickt und bereitwillig angenommen worden, und die Töchter hatten in Küche und Keller zu tun, um für den Abend die nötigen Vorbereitungen zu treffen.
Herr Chaubard nun war nicht bloß mit den amtlichen Verpflichtungen eines Dorfpfarrers betraut, es lag ihm auch ob, in der Kathedrale von St. Stephan zu Toulouse Messe zu lesen. Am frühen Morgen des 26. April ging er in die eine kleine Stunde entfernte Stadt. Nach Beendigung des Gottesdienstes begab er sich in die Sakristei, in die unmittelbar nach ihm der Mesner eintrat und nach dem Abbé Mariotte, der ebenfalls diensttuender Priester an der Kathedrale war, fragte.
»Der Abbé ist eben weggegangen«, antwortete Herr Chaubard. »Wer fragt nach ihm?«
»Ein anständig gekleideter Mann, dessen Aussehen aber sehr verstört war, als er mit mir sprach«, erwiderte der Mesner.
»Sagte er, was er bei dem Abbé wollte?«
»Ja, Herr Pfarrer, er wünschte dringend, sofort zu beichten.«
»Wenn es das ist, so kann ich ihm ja in Abwesenheit des Abbé Mariotte dienlich sein. Gehen wir in die Kirche zurück, und sagen Sie dem Manne, daß ich auf ihn warte.«
Der Fremde ging unruhig im Schiff der Kirche auf und ab, seine Blicke waren scheu und verwirrt, er machte den Eindruck eines Geisteskranken. Herr Chaubard redete ihn an:
»Ich bedaure, daß der Abbé Mariotte nicht mehr hier ist und Sie nicht empfangen kann.«
Der Unbekannte schien die Worte gar nicht gehört zu haben, sah den Priester ängstlich an und sagte: »Ich will beichten.«
»Das können Sie sofort, wenn Sie wollen«, entgegnete Herr Chaubard. »Ich gehöre zu dieser Kirche und bin berechtigt, hier Beichte zu hören. Oder sind Sie mit dem Abbé Mariotte persönlich bekannt? Dann warten Sie vielleicht lieber?«
»Nein! Ich möchte so bald als möglich beichten, wäre es auch einem Fremden.«
»Dann haben Sie die Güte und folgen Sie mir.«
Der Priester ging auf den Beichtstuhl zu, das Beichtkind folgte ihm. Der Mesner, dessen Neugierde rege geworden war, blieb stehen und wartete, was nun weiter geschehen würde. Nach einigen Minuten sah er, daß der Vorhang, der dazu diente, das Gesicht des diensttuenden Geistlichen zu verbergen, rasch zugezogen wurde. Der Büßende kniete, den Rücken gegen das Innere der Kirche gewendet, nieder. Es verfloß mehr als eine Stunde, endlich wurde der Vorhang wieder zurückgezogen, Priester und Büßender verließen den Beichtstuhl.
Der Mesner erschrak, als er die Veränderung wahrnahm, die mit Herrn Chaubard vorgegangen war. Das gesunde, rote Gesicht des Pfarrers hatte alle Farbe verloren, es war so weiß geworden, als wenn Chaubard eben von einer langen Krankheit aufgestanden wäre. Er starrte ganz