Wahre Verbrechen: Morde am Fließband - Die bekanntesten Kriminalgeschichten aller Länder. Alexis WillibaldЧитать онлайн книгу.
den Flügeln jener Henne verborgen sein könnte. Durch mein Glück war ich dreist geworden, ich glaubte, es würde mich niemals verlassen. In Frankfurt wich es indes von mir: in trunkenem Zustande bekam ich Händel mit der Polizei und wurde festgenommen.
Ich habe nichts Erhebliches verschwiegen und sehe dem Tode getrost entgegen, ausgesöhnt mit mir werde ich den letzten Gang gehen. Ich versichere, den Frieden gefunden zu haben; ich besaß ihn nicht, als mein Gewissen noch belastet war. Wenn ich mordete, so tat ich es nicht aus Blutdurst und weil das Morden mir Freude machte, sondern teils aus Sinnenlust, teils um mir meinen Lebensunterhalt zu erwerben. Ich wollte meine Freiheit nicht aufgeben, und deshalb mußte ich zum Mörder werden.
Eisenbahn-und Posträuber in Nordamerika
Am 25. Oktober 1886 dampfte in später Abendstunde der fahrplanmäßige Eilzug der Saint Louis und San Francisco verbindenden Eisenbahn von Saint Louis nach dem Westen ab. Zum erstenmal wurde an der Station Pazifik-Kreuzung, sechsunddreißig englische Meilen, also etwa achtundfünfzig Kilometer von Saint Louis entfernt, gehalten. Die Stationsbeamten bemerkten, daß die Tür des Postwagens, der der Adams-Erpreß-Company gehörte, offenstand. Sie begaben sich hinein in den Wagen und fanden darin die eisernen Kassenschränke geöffnet und ihres kostbaren Inhalts beraubt. Die Wertpapiere, eine Anzahl von Diamanten und zweiundachtzigtausend Dollar in barem Gelde waren verschwunden.
Der diensttuende Postbeamte David S. Fotheringham lag in einer Ecke des Wagens am Boden, an Händen und Fußen gebunden und einen Knebel im Munde, so daß er sich nicht rühren und keinen Laut von sich geben konnte. Als man die Stricke zerschnitten und ihn befreit hatte, erzählte er, unmittelbar vor der Abfahrt des Zuges von Saint Louis habe sich ein ihm völlig unbekannter Mensch eingefunden und ihm eine schriftliche Weisung seines unmittelbaren Vorgesetzten, des Streckenaufsehers Mr. Barnett, übergeben, die dahin lautete, der Überbringer sei ein neuer Beamter der Adams-Expreß-Company, der lU den Manipulationsdienst lernen solle, und Mr. Fotheringham habe ihm den Zutritt in den Postwagen zu gestatten und ihn mit den dienstlichen Einrichtungen und den geschäftlichen Verrichtungen bekannt zu machen.
Das plötzliche Erscheinen eines neuen Kollegen sei ihm allerdings merkwürdig vorgekommen, aber er habe sich für verpflichtet gehalten, dem ganz bestimmten schriftlichen Befehle nachzukommen, und er habe dem Unbekannten sogar noch beim Einsteigen geholfen. Der Mann habe dann, bald nachdem der Zug die Bahnhofshalle in Saint Louis verlassen hätte, einen Revolver gezogen und ihn mit dem Tode bedroht. Er sei in höchstem Grade erschrocken gewesen, von dem sehr kräftigen Manne zu Boden geworfen, gebunden und geknebelt worden. Der Räuber habe dann seine Taschen durchsucht, Sie Schlüssel herausgenommen und die Kassenschränke geöffnet und beraubt. Als der Lokomotivführer dann gebremst habe und der Zug langsam gefahren sei, sei der Mensch noch vor der Einfahrt in die Station abgesprungen und vermutlich sehr rasch in der Dunkelheit verschwunden.
Der mit so großer Unverschämtheit und Verwegenheit verübte Raubanfall erregte selbst unter der an derartige Verbrechen ziemlich gewöhnten Bevölkerung von Saint Louis allgemeines Aufsehen.
Die Adams-Expreß-Company, die in den Vereinigten Staaten von Nordamerika den postalischen Verkehr von Wertsendungen vermittelte, war den Absendern gegenüber verantwortlich für den entstandenen Schaden und leistete vollen Ersatz. Sie hatte wegen des großen Verlustes, den sie erlitt, ein starkes Interesse daran, den oder die Verbrecher zu entdecken und ihnen womöglich die Beute wieder abzunehmen, und beschloß deshalb, auf ihre Kosten eine Untersuchung einleiten zu lassen.
Verschiedene Detektivgesellschaften bewarben sich um die Ehre, mit der Entdeckung und Verhaftung der Räuber beauftragt zu werden. Die Wahl fiel auf die Pinkerton -National-Detektiv-Agentur in Chikago. Diese vorzüglich organisierte Agentur sollte das in sie gesetzte Vertrauen vollkommen rechtfertigen. In der Zeit von ungefähr zwei Monaten hatte sie die fünf Teilnehmer an dem Eisenbahnraub ermittelt, die zu ihrer Überführung erforderlichen Beweise gesammelt, sie alle miteinander festgenommen und sogar den größten Teil des Raubes wieder herbeigeschafft.
Der erste Verdacht hatte sich gegen den Postbeamten Fotheringham selbst gerichtet, dessen Bericht über den Vorgang mit begreiflichem Mißtrauen aufgenommen worden war. Man hatte ihn des Einverständnisses mit dem Räuber bezichtigt, und er war unmittelbar nach der Tat verhaftet worden.
Nun setzte die Aufgabe der Detektivs ein. Sie begannen ihre Tätigkeit damit, daß sie alle Eisenbahnlinien, die in die Pazifik-Kreuzung einmünden, begingen und Nachfrage hielten, ob ein Mensch gesehen worden wäre, der nach der übrigens sehr unbestimmten Personalbeschreibung, die Fotheringham gegeben hatte, mit dem Räuber identisch sein könnte. Diese Nachforschungen führten zu keinem Resultat, es mußte ein anderer Weg eingeschlagen werden, um zum Ziel zu gelangen.
Nach der Art und Weise, wie der Raub ausgeführt worden war, mußte man annehmen, daß der oder die Räuber genaue Kenntnis von dem Postdienst auf dieser Eisenbahnstrecke hatten. Die Detektivs fragten daher zunächst bei der Expreß-Company an, ob einer von den Postbeamten in der letzten Zeit aus dem Dienst entlassen worden sei. Sie erfuhren, daß die Company den Vorgänger Fotheringhams auf der betreffenden Strecke, einen gewissen William Haight, neun Monate vor dem räuberischen Überfall wegen des Verdachtes einer Veruntreuung Knall und Fall weggeschickt habe.
Fotheringham und Haight waren persönlich miteinander bekannt gewesen, hatten aber nicht in einem näheren oder gar freundschaftlichen Verhältnis zueinander gestanden. Man schloß daraus, daß William Haight vielleicht den Raub geplant, aber, weil Fotheringham ihn sofort hätte erkennen müssen, nicht selbst ausgeführt habe.
Niemand wußte, was aus William Haight geworden war und wohin er sich gewendet hatte. Aber die Detektivs fanden seine Spur und brachten heraus, daß er in Chikago wohne. Haight diente dort als Kutscher bei einem Landsmann mit Namen Friedrich Witrock, der wie er aus Leavenworth in Kansas stammte und in Chikago einen Kohlenhandel betrieb.
Dann wurde festgestellt, daß William Haight zur Zeit des Raubanfalles in Chikago gewesen war. Damit war also erwiesen, daß er selbst das Verbrechen nicht verübt haben konnte.
Während dieses Beweismaterial mit großer Mühe zusammengebracht wurde, trat ein Zwischenfall ein, der Zeugnis ablegte von der höhnischen Dreistigkeit des Räubers.
Die Zeitungen brachten täglich Berichte über den Raubanfall und die mutmaßlichen Räuber, für deren Entdeckung sich jedermann interessierte. Da fand sich auch einer von den Verbrechern selbst, der literarische Neigungen besaß, veranlaßt, in den Tagesblättern als Mitarbeiter aufzutreten. An mehrere hervorragende Journale von Saint Louis gelangten in kurzen Zwischenräumen mehr oder minder ausführliche mit »Jim-Cummings« unterzeichnete Briefe, in denen versichert wurde, daß der Postbeamte Fotheringham ganz unschuldig und der wirkliche Dieb an einem sicheren Orte geborgen sei, wo er die Früchte seines Raubes ungestört genieße. »Jim-Cummings« war der typisch gewordene Name eines Freibeuters, der durch seine Verbrechen etliche Jahre vorher eine bekannte volkstümliche Persönlichkeit gewesen war, sich aber später gebessert und zur Ruhe gesetzt hatte.
Diese literarische Tätigkeit wurde für den Räuber verhängnisvoll. Es gelang den Detektivs, den ungenannten Schriftsteller zu entlarven.
Am 31. Oktober, sechs Tage nach dem Raube, gelangte der erste »Jim-Cummings-Brief« an den »Globe Democrat« in Saint Louis. Der Brief trug den Poststempel von Saint Joseph, einer kleinen Stadt an der westlichen Grenze des Staates Missouri, unweit Kansas-City. Der Brief versicherte, Fotheringham sei nicht beteiligt an dem Verbrechen, der Briefschreiber sei der Dieb und rühme sich der Tat nicht etwa bloß aus Großmannssucht. Zu seiner Legitimation führte er an, er habe im Wartesaal der Station der Union-Eisenbahngesellschaft in Saint Louis ein Paket mit Effekten zurückgelassen, das man in einem genau angegebenen Verstecke finden werde. Das Paket lag wirklich an dem bezeichneten Orte, es enthielt Hemden und andere Wäschestücke, einige Lieder im Manuskript, aber von anderer Hand geschrieben als der Brief, und eine gedruckte Ballade. Auf der Rückseite der Ballade waren in der Ecke mit Bleistift geschriebene Schriftzüge bemerkbar, die jedoch mit freiem Auge nicht entziffert werden konnten. Mit