Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke. Ida PfeifferЧитать онлайн книгу.
und den Gehorsam, den letztere zu fordern berechtigt sind, klar machen mußte. Man wollte mir einen feierlichen Eid vor dem Kreuze abnehmen, T... nicht heimlich zu sehen, noch mit ihm Briefe zu wechseln. Den Eid verweigerte ich, aber ich versprach das Verlangte, vorausgesetzt, daß man mir gestattete, T... von allem in Kenntniß zu setzen. Die Mutter gestand dies endlich zu und ich schrieb T... einen langen Brief, in welchem ich ihm alles mittheilte und ihn bat, ja nichts zu glauben, was ihm andere Leute von mir sagen würden. Ich fügte hinzu, daß ich ihn weder sehen noch einen zweiten Brief ihm schreiben könne, daß aber — im Fall ein anderer um meine Hand anhielte und die Mutter mich zu einer Ehe zwingen wolle — T... dies sofort durch mich erfahren werde.“
„T...'s Antwort war kurz und voll tiefen Schmerzes. Er schien es begreiflich zu finden, daß unter solchen Umständen keine Hoffnung für uns war, und daß mir nichts anderes übrig blieb als den Befehlen meiner Mutter zu gehorchen. Doch erklärte er bestimmt, er selbst werde nie sich verehlichen.“
„Hiermit schloß unsere Korrespondenz. Drei lange traurige Jahre vergingen, ohne daß ich ihn sah und ohne daß sich in meinen Gefühlen oder in meiner Lage etwas änderte.“
„Eines Tages ging ich mit einer Freundin meiner Mutter spazieren und begegnete zufällig T... Unwillkürlich blieben wir beide stehen; aber lange vermochten weder er noch ich ein Wort über die Lippen zu bringen. Endlich wurde T... seiner Bewegung Meister und fragte mich, wie es mir ginge. Ich aber war zu tief erschüttert um sprechen zu können. Meine Kniee bebten und es war mir, als müßte ich bewußtlos niedersinken. Dann faßte ich krampfhaft den Arm meiner Begleiterin, zog sie fort mit mir, und ohne zu wissen was ich that, eilte ich nach Hause. — Zwei Tage später lag ich im hitzigen Fieber.“
„Der herbeigerufene Arzt mochte die Ursache meiner Krankheit wohl ahnen und erklärte, wie ich später erfuhr, meiner Mutter, daß mein Uebel nicht im Körper, sondern im Gemüth seinen Ursprung habe, daß Arzneien hier wenig helfen würden und daß vor allem eine Besserung meines Seelenzustandes angestrebt werden müsse. Die Mutter beharrte jedoch auf ihrem Willen und sagte dem Arzte, sie vermöge nichts zu ändern.“
Die Kranke schwebte lange in Lebensgefahr und wünschte in ihrer Exaltation nichts sehnlicher als den Tod. Als sie durch eine Ungeschicklichkeit ihrer Wärterin erfuhr, wie man in der That täglich ihre Auflösung erwartete, beruhigte sie dies so sehr, daß sie in einen tiefen Schlaf verfiel und die Krise glücklich überstand.
Ida's Vater hatte ein bedeutendes Vermögen hinterlassen, es fehlte daher nicht an Bewerbern um ihre Hand. Sie wies indeß jeden Antrag zurück und kam dadurch ihrer Mutter gegenüber in ein immer unangenehmeres Verhältniß, denn der Wunsch der letzteren, Ida möge ihre Wahl treffen, sprach sich stets drängender aus. Durch diese häuslichen Mißhelligkeiten wurde endlich der Wille des Mädchens gebrochen, nachdem ihr jedes Loos erträglicher erschien als in der bisherigen Lage fortzuleben. Sie erklärte, sie werde den nächsten Freier annehmen, nur müsse er ein bejahrter Mann sein. Damit wollte sie T... beweisen, daß nicht Liebe sondern moralischer Zwang sie zum Ehebündniß getrieben habe.
Im Jahre 1819, als Ida 22 Jahre alt war, wurde Dr. Pfeiffer, einer der ausgezeichnetsten Advokaten Lembergs, Witwer und Vater eines schon erwachsenen Sohnes, in dem Reyer'schen Hause eingeführt. Er hielt sich nur einige Tage, verschiedener Geschäfte wegen, in Wien auf, und empfahl bei seinem baldigen Abschied der Reyer'schen Familie seinen Sohn, der an der Wiener Universität die Rechte studirte.
Ungefähr vier Wochen später kam ein Brief von Dr. Pfeiffer, in welchem er um Ida förmlich anhielt. Da er mit Ida nur einige Worte über die gleichgiltigsten Dinge gewechselt, so hatte sie auch nicht im entferntesten an die Möglichkeit einer Werbung von dieser Seite gedacht. Sie wurde nun an ihr Versprechen erinnert, den nächsten Freier anzunehmen.
„Ich versprach die Sache zu überlegen,“ sagt sie in ihrem Tagebuch. „Dr. Pfeiffer schien mir ein sehr vernünftiger, gebildeter Mann zu sein; was aber in meinen Augen noch weit mehr zu seinem Vortheil sprach, war, daß er hundert Meilen von Wien entfernt lebte und 24 Jahre mehr zählte als ich.“
Nach acht Tagen willigte sie unter der Bedingung ein, Dr. Pfeiffer die wahre Lage ihres Herzens mittheilen zu dürfen. Dieß geschah denn auch in einem ausführlichen Briefe, in welchem sie ihrem Freier nichts verheimlichte, wobei sie die stille Hoffnung nährte, derselbe werde von seiner Werbung abstehen. Dr. Pfeiffer aber antwortete alsbald, er sei durch das Geständniß einer 22jährigen Jungfrau, daß sie schon geliebt habe, gar nicht überrascht. Diese wahrheitsgetreue, offene Darstellung lasse ihm Ida gerade um so achtungswerther erscheinen; er beharre bei seiner Werbung und glaube fest, daß er sie nie zu bereuen haben werde.
Nun lag Ida die schwere Pflicht ob, T... die Wendung ihres Geschickes mitzutheilen. Sie that dieß in einigen Zeilen, wie man sich denken kann, mit den schmerzlichsten Gefühlen. Die Antwort war durchaus in dem würdigsten Tone gehalten, voll Entsagung und Edelsinn. T... sprach wiederholt die Versicherung aus, er werde ihrer nie vergessen und sich nie verehelichen. Er hat sein Wort gehalten.
Die Trauung mit Dr. Pfeiffer fand am 1. Mai 1820 statt, und acht Tage später reiste das neue Ehepaar nach Lemberg ab. Die Fahrt brachte Zerstreuung, indem sie in der jungen Frau die alte Reiselust anfachte und gab dem Paar Gelegenheit sich näher kennen zu lernen. Ida fand in ihrem Mann Redlichkeit, Offenheit und Verstand, und wenn es auch nicht in ihrer Macht lag, ihn zu lieben, so konnte sie ihm doch Achtung und herzliche Zuneigung um so weniger versagen, als er sich ebenso liebevoll als zartsinnig gegen sie zeigte. Sie nahm sich vor, ihre Pflichten redlich zu erfüllen und sah mit einer gewissen Beruhigung der Zukunft entgegen.
Dr. Pfeiffer war ein Mann der geraden und freien Gesinnung, der das Unrecht, wo er es antraf, rücksichtslos aufdeckte und angriff, und aus seiner Ueberzeugung kein Hehl machte. In dem Beamten-Schlendrian in Galizien war damals gar mancherlei faul; es fehlte nicht an bestechlichen und unredlichen Beamten. Namentlich hatte Dr. Pfeiffer Gelegenheit, bei einem großen Prozeß, den er siegreich durchführte, Schwindeleien der stärksten Art zu entdecken, die er furcht- und schonungslos der höchsten Autorität in Wien anzeigte. Es wurde eine Untersuchung eingeleitet, die Angaben Dr. Pfeiffer's erwiesen sich als begründet und mehrere Beamte wurden theils entlassen, theils versetzt.
Indeß blieben für Dr. Pfeiffer die schlimmen Folgen auch nicht aus. Durch seine Anzeige hatte er sich den größten Theil der Beamten zu Feind gemacht, und diese feindselige Gesinnung trat so oft und so entschieden zu Tage, daß Dr. Pfeiffer endlich seine Advokatur niederlegen mußte, denn er wäre für seine Klienten nicht nur von keinem Nutzen gewesen, sondern hätte ihnen geradezu geschadet.
„Mein Mann,“ schreibt Ida Pfeiffer, „hatte das alles wohl vorausgesehen; aber es ging ihm gegen die Natur, über schmachvolle Ungerechtigkeiten ein Auge zuzudrücken. Noch in demselben Jahre legte er seine Stelle nieder und nachdem er seine Privat-Geschäfte geordnet, übersiedelten wir 1821 nach Wien, wo er bei seinen vielseitigen Kenntnissen leicht eine Beschäftigung zu finden hoffte. Sein Ruf jedoch war ihm bereits vorausgeeilt; man kannte in Wien seine Gesinnung und seine Handlungen so gut wie in Lemberg und witterte in ihm einen unruhigen Kopf und einen Feind des Bestehenden. In Folge dessen waren alle seine Bewerbungen um Agenten-Stellen u. dgl. vergeblich. Man gab den unbedeutendsten, talentlosesten Menschen, was man ihm wiederholt verweigerte.“
Alles dieß wirkte natürlich sehr störend auf Pfeiffer's Gemüth ein. Er sah sich überall in seinen Arbeiten und Bestrebungen gehemmt und durchkreuzt und was er sonst mit Eifer und Vergnügen betrieb, verursachte ihm jetzt Mißmuth und Aerger. Seine Thätigkeit verlor sich endlich zum Theil, und was er arbeitete, das brachte ihm entweder sehr geringen oder gar keinen Nutzen. Dadurch wurden die Lebens-Verhältnisse des Pfeiffer'schen Ehepaares alle Tage kritischer. Dr. Pfeiffer hatte wohl früher als tüchtiger Advokat in Lemberg eine bedeutende Einnahme gehabt; aber er liebte es auf großem Fuße zu leben, hielt Wagen und Pferde, führte gute Tafel und dachte nie daran, für die Zukunft zu sorgen. Viele Leute, die seine Großmuth kannten, benutzten ihn, indem sie ihm Geld abborgten. So schwand auch Ida's väterliches Erbe durch einen Freund Pfeiffer's, dem man aus der Klemme helfen wollte. Er fallirte trotz der Hilfe und alles war verloren.
Nachdem Dr. Pfeiffer vergeblich gesucht hatte in Wien Beschäftigung zu erhalten, kehrte er mit seiner Frau nach Lemberg zurück,