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Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke. Ida PfeifferЧитать онлайн книгу.

Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke - Ida Pfeiffer


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einem Wege war keine Spur zu entdecken, wir mußten über Stock und Stein setzen, wobei sich unsere Pferde so stark ermüdeten, daß sie nach einer halben Stunde nicht mehr weiter konnten, und wir genöthiget waren, zu Fuß zu gehen. Nach vielen Beschwerden, sowohl des Kletterns als der Hitze wegen, gelangten wir auf den Gipfel des Berges und in der That, nicht nur die geschichtliche Begebenheit, welche sich hier zutrug, lohnt die Mühe des Ersteigens, sondern auch die schöne Aussicht, deren man sich hier erfreut. Diese ist wirklich großartig. Man überblickt das ganze Thal Saphed, bis an den galiläischen See. Der Berg Tabor ist auch unter dem Namen „Berg der Seligkeit" bekannt; hier oben hielt Jesus die berühmte Bergpredigt. Von allen Bergen, die ich bisher in Syrien sah, ist der Tabor allein bis zur Spitze mit Eichen- und Johannisbrot-Bäumen bewachsen. Auch in den Thälern sieht man statt des früheren Gesteins die herrlichste Erde. — Dessen ungeachtet ist die Bevölkerung gering, die wenigen Dörfer sind klein und elend. Die armen Bewohner Syriens werden aber auch zu sehr gedrückt, sie können, da die Steuern für die Erzeugnisse des Landes zu hoch sind, unmöglich mehr bauen, als sie zum nöthigsten Lebensbedarf brauchen. So sind z. B. die Fruchtbäume nicht im Ganzen, sondern stückweise besteuert. Da zahlt ein Olivenbaum 1—1½ Piaster, ein Orangen- oder Citronenbaum eben soviel u.s.w.. Trotz allen dem kann der arme Bauer nie in Sicherheit sagen: dieß oder jenes gehört mir. Der Pascha darf ihn nach Belieben versetzen, oder wohl gar vertreiben, denn er hat in seiner Provinz so große Macht, wie der Sultan in Konstantinopel. — Auf dem Berge Tabor halten sich Stachelschweine auf; wir fanden einige schöne hornene Stacheln derselben.

      Wir stiegen am jenseitigen Abhange des Berges hinab in das schöne, große Thal Saphed, wo Jesus vier tausend Menschen mit wenigen Broten und Fischen speiste, und ritten noch fünfthalb Stunden bis nach Tabarieh.

      Sehr überraschend ist der Anblick, welcher sich auf der Höhe des letzten Berges vor Tabarieh darbietet. Mit einem Male entfaltet sich eine der herrlichsten Landschaften vor unsern Augen. Tief senkt sich das Thal bis zum Spiegel des galiläischen Meeres, um dessen Ufer die schönsten Gebirge sich wahrhaft malerisch mit den verschiedenartigsten Staffagen ziehen. Besonders pittoresk erscheint der kolossale Rücken des Antilibanon, der mit Schnee bedeckt, herrlich im Sonnenglanze schimmernd, sich mit seiner Umgebung getreu in der klaren Fläche des Sees spiegelt. Tief unten liegt das Städtchen Tabarieh, überschattet von einigen Palmen, beschützt von einem etwas höher liegenden Kastelle. — Dieser unerwartet schöne Anblick überraschte uns so sehr, daß wir von den Pferden stiegen und über eine halbe Stunde auf der Spitze des Berges verweilten, um das wundervolle Bild recht nach Lust betrachten zu können. Graf S. entwarf in Eile eine recht wohl gelungene Skizze der Landschaft — die wir alle so schön fanden, obgleich die sie umgebenden Berge alle kahl und öde sind. Dieß ist der eigentümliche Charakter dieser Länder; Matten, Alpen und Wälder in unserm Welttheile — zeigen uns wieder eine ganz andere Fülle von Naturschönheiten. In einem europäischen Gebirgslande würde uns dieser Anblick wohl nicht halb so entzückt haben, aber hier in diesen an Natur und Menschen armen Gegenden ist man mit Wenigem befriedigt, von Wenigem entzückt. Würde uns z. B. auf unserer Reise ein ganz einfach gekochtes Stück Rindfleisch nicht besser geschmeckt haben, als in der Heimath die leckersten Gerichte? So erging es uns auch mit der Natur.

      Als wir das Städtchen betraten, befiel uns eine unbeschreibliche Wehmuth. Es lag noch halb im Schutte nach einem der furchtbarsten Erdbeben, welches im Jahre l839 hier besonders zerstörend gewüthet hatte. Wie mag es damals ausgesehen haben, da es noch jetzt, wo überall nachgeholfen und gebaut wird, einem halben Schutthaufen gleicht. Wir sahen ganz eingestürzte Häuser, viele sehr beschädigt, ganze Risse und Spalten in den Mauern, zusammengefallene Terrassen und Thürme — kurz, wir wandelten allenthalben auf Ruinen. Bei diesem Erdbeben sollen gegen viertausend Menschen, mehr als die halbe Bevölkerung, ihren Tod gefunden haben.

      Wir stiegen bei einem jüdischen Arzte ab, welcher hier in Ermanglung eines Gasthofes die Fremden aufnimmt. Ich war ganz erstaunt, bei diesem Manne alles sehr nett und rein zu finden. Die Zimmerchen waren einfach aber bequem eingerichtet, der kleine Vorhof mit großen Steinplatten gepflastert und in der Vorhalle standen rings an den Wänden weich gepolsterte, sehr schmale Bänke. So sehr wir durch diese schöne Ordnung und Reinlichkeit überrascht waren, so stieg unsere Verwunderung noch mehr, als wir die Juden, deren es so viele in Tabarieh gibt, weder türkisch noch griechisch, sondern ganz so gekleidet fanden wie bei uns in Pohlen und Galizien. Auch sprachen die meisten unter ihnen deutsch. Ich erkundigte mich gleich nach der Ursache dieser Eigentümlichkeit und erfuhr, daß alle hier ansäßigen Judenfamilien aus Rußland und Polen gekommen seien, um im gelobten Lande wenigstens zu sterben. Überhaupt nähren alle Juden eine große Sehnsucht, die letzten Tage ihres Lebens in der Heimath ihrer Vorältern zuzubringen, um da wenigstens begraben zu werden.

      Wir ersuchten die junge Hausfrau, (ihr Mann war abwesend) uns eine tüchtige Portion Pilav nebst einigen Hühnern recht bald zu bereiten, während dessen würden wir die Stadt und die nahen Bäder am See Genesareth besuchen, und längstens in anderthalb Stunde zurückkehren.

      Wir gingen an den See Genesareth, der süßes Wasser enthält, setzten uns in eine Fischerbarke, um auch dazu schiffen, wo Jesus einst den Sturm beschwichtigt hatte, und ließen uns bis an die warmen Quellen führen, welche einige hundert Schritte außerhalb der Stadt, ganz nahe am Gestade entspringen. Auf den See hatten wir, Gott sei Dank, keinen Sturm, allein kaum an das Land getreten, ging es mit den Fischern stürmisch her. Wenn man hier zu Lande mit den Führern, Trägern u.s.w. nicht jeden Schritt und Tritt in vorhinein genau aushandelt, so sind sie hintendrein mit ihren Forderungen über alle Maßen überspannt. So geschah es auch bei dieser kleinen Parthie, welche höchstens eine halbe Stunde dauerte. Wir setzten uns in die Barke, ohne den Fahrpreis zu besprechen, beim Aussteigen aber wurde ihnen eine sehr gute Belohnung gereicht. Allein sie warfen das Geld hin und begehrten dreißig Piaster, während sie bei einer Unterhandlung gewiß nicht zehn verlangt hätten. Man gab ihnen fünfzehn, um sie los zu werden; es war ihnen noch nicht genug, sie schrien und lärmten vielmehr dergestalt, daß die Diener der Grafen schon mit den Stöcken Ruhe und Ordnung herzustellen drohten. Dieß brachte sie endlich in so weit zur Vernunft, daß sie wenigstens gingen, jedoch beständig zankend und schreiend.

      Wir fanden bei den warmen Quellen ein Badehaus in runder Form erbaut und mit einer Kuppel gedeckt, und trafen da eine ziemlich bedeutende Pilgerschaar, meistens Griechen und Armenier aus der nahen Umgebung, die nach Nazareth und Jerusalem wallten. Sie hatten an dem Badehause ihr Lager aufgeschlagen. Die Hälfte dieser Leute befand sich im Vollbade, worin es höchst lebhaft zuging. Wir wollten auch hinein, nicht um zu baden, sondern nur, um die innere Schönheit und Einrichtung, worüber so Manches in Büchern geschrieben steht, in Augenschein zunehmen; allein ein solcher Dunst und Qualm strömte uns entgegen, daß wir nicht ganz hineinzudringen vermochten. Doch sah ich genug, um mich auch hier wieder zu überzeugen, daß Übertreibung oder Poesie so manche Feder weit über die Wahrheit hinausleitet. Sowohl das Äußere dieses Bades als das Vorgemach und der Blick in das Innere erregte nicht sehr mein Erstaunen, oder meine Neugierde. Von außen gleicht es einem sehr mittelmäßigen kleinen Gebäude, an dem wir durchaus nichts Schönes entdecken konnten. Im Innern war viel Marmor angebracht, z. B. die Täfelung des Bodens, die Einfassung des Bades u.s.w. Marmor ist hierzu Lande nichts so Seltenes, um seinetwegen ein Wunder aus diesem Badekiosk zu machen, — und desselben mehr als vorübergehend zu erwähnen. Ich sehe alles, wie es wirklich ist, und gebe es wieder ungeschmückt und naturgetreu in dem einfachen Tagebuche meiner Reisen.

      Abends um 8 Uhr kehrten wir ganz müde und voll Eßlust in unsere freundliche Wohnung zurück und schmeichelten uns, das einfache Mahl, das wir vor mehreren Stunden bestellt hatten, rauchend und dampfend auf dem gedeckten Tische zu finden. Ach, wir fanden weder in der Vorhalle noch in einem der Zimmerchen einen ungedeckten Tisch, viel weniger etwas Anderes. Halb erschöpft lagerten wir uns auf Stühle oder Bänke und sahen mit ungestillter Sehnsucht dem Mahle und der darauf folgenden Ruhe entgehen. Ein Bote nach dem andern wurde in die Küche gesendet, um zu forschen, ob die gekochten Hühner noch immer nicht im eßbaren Zustande seien. Wir wurden von einer Viertelstunde auf die andere vertröstet — und es kam nichts. Endlich um 10 Uhr ward ein Tisch gebracht, dann ein Stuhl, dann wieder einer, und endlich ein reines Tischtuch, und so ging es fort bis 11 Uhr. Da erschien der Herr des Hauses, welcher eben erst von einer kleinen Landreise heimgekommen war, und mit ihm ein gekochtes Hühnchen.


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