Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke. Ida PfeifferЧитать онлайн книгу.
so hoch, daß sie mir wie Kinder erschienen. Mit der einen Hand arbeiten sie, und mit der andern umschlingen sie den Mast. Ich glaube gewiß, daß es nirgends bessere, beweglichere, fleißigere und dabei so mäßige Matrosen geben mag, wie diese hier. Des Morgens erhalten sie Brot oder Schiffszwieback, manchmal rohe Gurken, oder ein Stückchen Käse oder eine Handvoll Datteln dazu, des Mittags dasselbe, und Abends ein warmes Gericht von Bohnen, oder eine Gattung Brei oder Pilav, höchst selten ein gekochtes Hammelfleisch. Ihr Trank ist nichts als Nilwasser.
Der Strom ist in der Zeit der Überschwemmung doppelt belebt, den von einem Dorfe zum andern ist das Schiff oder der Kahn das einzige Kommunikationsmittel.
Der letzte Tag der Fahrt bot mir das schönste Schauspiel — ich sah das Delta! Hier theilt sich der mächtige Nil, der das ganze Land bewässert, von dem hundert und hundert Kanäle in alle Felder und Gegenden geleitet sind, in zwei Hauptströme, deren einer bei Rosette, der andere bei Damiette sich in's Meer ergießt. Glich der Strom schon nach der Theilung einem Meere, um so viel mehr verdient er von nun an diese Benennung.
Wenn ich so hingerissen ward von der Größe und Schönheit der Natur, wenn ich mich in ein so ganz neues, interessantes Leben und Treiben versetzt sah, da schien es mir beinahe unbegreiflich, wie es so viele Menschen geben kann, die Gesundheit, Geld und Zeit im Überflusse besitzen und keinen Sinn für bedeutende Reisen haben. Die armseligen Bequemlichkeiten des Lebens, die Genüsse des Luxus gelten ihnen mehr als die erhabensten Schönheiten der Natur, mehr als die Monumente der Geschichte und die Kenntnisse von Sitten und Gebräuchen fremder Völker. Wenn es mir oft recht schlecht ging und ich, eine Frau, mit noch viel mehr Unannehmlichkeiten und Entbehrungen zu kämpfen hatte als ein Mann — — bei solchen Anblicken war jede Mühseligkeit vergessen, und ich pries Gott, daß er mir einen so festen Willen verliehen hatte, meine Wanderung fortzusetzen. Was sind alle Unterhaltungen in den großen Städten gegen ein Bild, wie hier am Delta und an so vielen andern Orten? Ein so reines seliges Vergnügen, wie mir die Schönheit der Natur bietet, finde ich in keiner Gesellschaft, in keinem Spiele, in keinem Theater, und kein Putz oder Wohlleben ersetzt mir den Nachgenuß einer solchen Reise!
Unweit des Delta erblickt man die libysche Wüste, die man auch nicht mehr aus dem Gesichte verliert, höchstens, daß man ihr einmal näher, dann wieder ferner ist. In weiter Ferne entdeckt man auf ihr einige dunkle Körper, die sich immer mehr und mehr entwickeln, bis man in ihnen die Wuinderbauten der Vorzeit, die Pyramiden erkennt; weit hinter denselben erhebt sich das Gebirge oder eigentlich die Hügelkette des Mokattam.
Mit der Abenddämmerung langten wir endlich in Bulak, dem Hafen von Kairo, an. Hätten wir gleich landen können, so würde ich vielleicht noch denselben Abend nach der Stadt gekommen seyn, so aber braucht der Schiffer, da der Hafen stets mit Barken überladen ist, oft über eine Stunde, bis er einen Platz findet, wo er anlegen kann, und es war, als ich hätte aussteigen können, bereits ganz finster, und daher die Thore der Stadt schon geschlossen. Ich mußte diese Nacht noch auf der Barke zubringen.
Von Atfé bis Kairo waren wir dritthalb Tage gefahren. Ich nenne diese Reise eine der angenehmsten, obwohl die Hitze immer lästiger wurde, und die glühend heißen Winde von der Wüste manchmal zu uns herüber strichen. Die höchste Hitze betrug um die Mittagszeit 36 Grad, und im Schatten 24-25 Grad R. Der Himmel war lange nicht so schon blau und rein, wie in Syrien, und häufig von weißen Wolken durchzogen.
Kairo.
22. August 1842.
Der Anblick dieser großen Hauptstadt Egyptens ist lange nickt so imposant, als ich ihn mir vorgestellt hatte; sie liegt zu flach, und man sieht von ihren ausgedehnten Umgebungen, von der Barke aus, nur immer einzelne Theile. Die am Ufer liegenden Gärten sind üppig und schön.
Bei der Ausschiffung und auf dem Wege zum Konsulate hatte ich ein Abenteuer nach dem andern zu bestehen. Ich übergehe keines davon, so unbedeutend sie auch scheinen mögen, man kann wenigstens daraus entnehmen, wie man hier zu Lande mit den Leuten verfahren muß.
Gleich Anfangs bekam ich Streit mit meinem Schiffspatron. Ich hatte ihm noch 3½ Thaler zu zahlen, und gab ihm vier Stücke hin, in der Meinung, daß er mir den Rest herausgeben sollte; dieß that er nicht, sondern wollte den halben Thaler behalten, um ihn, wie er sagte, als „Backschisch" unter die Matrosen zu vertheilen, was er aber gewiß nicht gethan hätte. Zum Glücke war er so dumm, das Geld nicht einzustecken, sondern offen in der Hand zu halten. Ich riß ihm schnell ein Stück aus der Hand und schob es in die Tasche, mit der Erklärung, daß er es nicht früher erhalten würde, als bis er mir den Rest in die Hand gegeben hatte; das Trinkgeld würde ich den Leuten schon selbst geben. Er schrie und lärmte, und forderte beständig das Geld. Ich kümmerte mich aber nicht darum, und packte ganz gelassen meine Sachen zusammen. Da er endlich einsah, daß mit mir nichts auszurichten sei, gab er mir den halben Thaler, und wir schieden als gute Freunde. Dieß Geschäft abgethan, mußte ich mich um ein Paar Esel umsehen, nämlich einen für mich, und einen für mein Gepäck. Wäre ich ans Ufer gegangen, so hätten mich die Eseltreiber halb zerrissen, der Eine hätte mich dahin und der Andere dorthin gezogen. Ich hielt mich daher noch ein Weilchen ganz ruhig in meiner Kajüte, bis das ärgste Gedränge vorüber war, und die Treiber Niemand mehr vermutheten. Unterdessen sah ich vom Kajütenfenster ans Ufer, und spekulirte, welcher Thiere ich mich gleich bemächtigen wollte; dann eilte ich rasch hinaus, und ehe sichs die Eigenthümer dieser Langohre versahen, faßte ich schon ein Eselchen am Zaume, und deutete auf das zweite. Nun war ich geborgen, denn die Eigenthümer meiner Auserwählten vertheidigten mich gegen die Übrigen, und gingen dann mit mir in die Barke, um meine Effecten zu holen.
Da kam ein Kerl herbei, und reichte mein Kofferchen auf den Esel. Ich gab ihm für diesen kleinen Dienst einen Piaster; weil er mich aber allein sah, dachte er vermuthlich, mit mir leicht fertig zu werden, und zu bekommen, was er fordere. Er gab mir den Piaster zurück und verlangte vier. Ich nahm das Geld, und sagte ihm (zum Glücke verstand er ein wenig Italienisch), wenn er mit dieser Gabe nicht zufrieden sei, möge er mit mir auf das Konsulat kommen, dort würde ich ihm die vier Piaster geben, sobald man fände, daß er sie verdient habe. Das wollte er nicht, weil er wohl wußte, daß er für dieß unverschämte Begehren einen tüchtigen Verweis bekommen würde. Er schrie und lärmte, wie der Barken-Kapitän; allein ich war taub dafür, und ritt gegen die Douane. Da wollte er sich mit drei Piaster, dann mit zweien und zum Schluß sogar mit dem Einen begnügen, welchen ich ihm auch hinwarf. An der Douane angekommen, streckte man mir die Hände von allen Seiten entgegen; der Hauptperson gab ich Etwas, die andern ließ ich schreien. Nun ging es, nach all diesen Quälereien, der Stadt zu. Da stellte sich mir wieder eine neue Schwierigkeit entgegen. Mein Führer, ein Araber, frug mich, wo er mich hinbringen sollte? Vergebens bemühte ich mich, es ihm zu erklären — er verstand mich nicht. Nun blieb mir nichts anderes übrig, als jeden wohlgekleideten Orientalen, dem ich begegnete, italienisch oder französisch anzureden, bis einer käme der mich verstände. Zum Glücke durfte ich nicht mehr als drei ansprechen; der Letzte verstand italienisch. Ich bat ihn also, meinem Führer zu sagen, er solle mich auf's österr. Konsulat bringen; dieß geschah, und nun hatten alle Unannehmlichkeiten ein Ende.
Nach einem Ritte von drei Viertelstunden auf einer sehr breiten, schönen Straße, die an beiden Seiten mit großen, für mich ganz fremdartigen Akazien bepflanzt war, unter einem Gewühle von Menschen, Kameelen, Eseln u.s.w. gelangte ich in die Stadt, deren Gassen meist enge sind, und wo überall ein solcher Lärm und ein solches Gedränge herrscht, daß man glauben sollte, Alles wäre in Aufruhr. Aber wunderbar theilte sich immer der unendliche Haufe, und unaufgehalten setzte ich meinen Weg nach dem Konsulate fort, das in einem schmalen, kleinen Sackgäßchen verborgen liegt.
Ich ging sogleich in die Kanzlei, und stellte mich dem Herrn Konsul mit der Bitte vor, mir ein solides Gasthaus zweiten Ranges anzuweisen. Herr Konsul Chamgion nahm sich mit wahrer Güte und Herzlichkeit meiner an; er sandte gleich seinen Kavas zu einem ihm bekannten Wirthe, zahlte meinen Führer aus, bot dem Wirthe streng auf, für mich gehörig zu sorgen - kurz, er benahm sich menschenfreundlich, wie ein wahrer Christ. Zu jeder Zeit stand mir sein Haus offen, und mit jedem Anliegen durfte ich mich an ihn wenden. Mit wahrem Vergnügen sage ich diesem würdigen Manne hier nochmals meinen herzlichsten Dank.
Ich hatte einen