Apokalypse Pallantau. Arno EndlerЧитать онлайн книгу.
verlauten lassen, damit sich niemand über einen eventuellen Totalverlust des Tauschers beunruhigte. Der Strom würde fließen. Das war schließlich sein Job. Und er machte ihn gut.
„Zentrale hier“, meldete sich der Errki unbekannte Mann von der Antipoden-Seite Rannuiemmis. „Ingenieur Errki. Wir erhalten hier Daten von der Automatik, die auf steigende kritische Hitzewerte bei allen Wärmetauschern hindeuten. Können Sie das bestätigen?“
Macon spürte sein Gesicht erröten, tippte wild auf der Tastatur herum, bis er alle Anzeigen von den acht Tauschern auf einen Blick sehen konnte.
Die Automatik hatte der Zentrale korrekte Daten übermittelt.
In sämtlichen Bereichen erhöhten sich die Temperaturen. Kritisch waren sie jedoch nur bei einem Tauscher.
„Palla-Dung!“, fluchte Macon leise und ließ sich die Wärmeentwicklung in einem Graphen darstellen. „Da stimmt etwas ganz und gar nicht. Wo bleibt der Scan?“
Der Countdown verharrte bei dreißig Sekunden.
„Das kann doch nicht sein.“ Seit siebzehn Jahren blieben die Daten, der Energieausstoß und die Lage der Magmablase, die man anzapfte, stabil. Was geschah hier?
Das Warten half nichts. Er musste der Zentrale Rede und Antwort stehen.
„Ich bestätige die steigenden Temperaturen an den Wärmetauschern. Der Scan sollte in circa dreißig Sekunden abgeschlossen sein, dann kann ich mehr Informationen liefern. Errki Ende.“
Endlich sprang der Countdown wieder an. Macon trommelte mit den Fingern auf die Konsolenplatte. „Mach schon, mach schon, mach schon“, murmelte er.
Gleichzeitig mit dem erneuten Einfrieren des Countdowns meldete sich die Zentrale: „Ingenieur Errki? Präsident Wuhannen ist vor Ort und wünscht einen Lagebericht.“
Macon erschrak zunächst. Der Präsident der Energiedirektion? Offenbar schien die Lage schlimmer zu sein, als er vermutete.
Der verdammte Countdown lief einfach nicht weiter. Was auch immer den Scan erschwerte, interessierte seinen Chef sicherlich nicht. Macon schlug mit der flachen Hand auf die Konsolenplatte. „Jetzt komm schon! Ich will nicht länger warten!“
Der Fotorahmen mit Sabis Abbild am Meer machte einen Sprung und fiel dann um.
„Zentrale hier, Ingenieur Errki! Der Präsident wartet.“
Macon ignorierte die Stimme, blickte auf den Rahmen mit dem Bild seiner Frau und wollte ihn gerade wieder aufstellen, als der Scan endlich 100 Prozent meldete.
Er drückte die Abspieltaste und sah nun in grauenhaft guter holografischer 3-D-Darstellung das Unheil, welches auf die Wärmetauscher zukam.
Von allen Seiten bohrten sich Magmaflüsse wie Adern durch das Gestein. Ein beinahe surrealer Anblick. Errki konnte sich nicht vorstellen, welche Quelle die Magmablase so sehr speiste, dass sie diese Abflüsse erzeugen musste, um den Druck abzuleiten. Es war auch vollkommen egal. Fakt war, dass …
„Zentrale? Hier Ingenieur Errki. Es scheint auf einen mehrfachen Vulkanausbruch hinauszulaufen. Ich sehe in dem Scan jede Menge Magmaadern, die sich nicht vorhersagbar ihren Weg suchen. Es sieht so aus, als wenn es zu mehreren Durchbrüchen nach oben kommen wird. Sie sollten die Bevölkerung vor Eruptionen warnen. Einige Wärmetauscher befinden sich in unmittelbarer Nähe zu den neuen Magmaschloten, aber den Messwerten zufolge erhöht sich die Temperatur im gesamten Scanbereich. Die Quelle des Magmas kann ich nicht bestimmen, doch sie dürfte näher am Kern liegen. Ich starte einen weiteren Scan und ziehe gleichzeitig die gefährdeten Tauscher in kühlere Regionen zurück. Errki Ende.“
Macons Finger flogen nur so über die Tastatur, während er alle Befehle in die verschiedenen Anwendungen übertrug.
Zufrieden sah er, wie drei der Wärmetauscher aus der Gefahrenzone entfernt wurden. Er erwartete eine Anweisung von Präsident Wuhannen, einem rechthaberischen Bürokraten, dessen einzige Qualifikation gerüchteweise darin bestanden hatte, zu zwanzig Prozent die Gene eines Parentes zu besitzen. Aber die Zentrale schwieg.
Der neue Scan würde erst in zehn Minuten fertig sein, da Macon das Areal ausgedehnt hatte.
Es knackte im Lautsprecher und eine tiefe Baritonstimme erklang: „Zivis Errki? Hier spricht Primus Arneus. Wie ist die Lage? Was hat der neue Scan ergeben?“
Nun wurde es Macon mulmig. Der Leiter der Kolonie, und damit nominell der Herrscher über Rannuiemmi, schaltete sich persönlich ein. Da war Vorsicht angebracht, eine gewisse Diplomatie.
„Der neue Scan“, begann der Ingenieur, „ist initiiert und läuft. Die Lage ist nicht kritisch. Die Wärmetauscher arbeiten nach wie vor. Das Gestein hat sich allgemein erhitzt. Somit ist die Energieversorgung gewährleistet, selbst wenn wir uns von der ursprünglichen Wärmequelle entfernen. Ingenieur Errki Ende.“
Er wartete.
„Vielleicht sollte ich noch einen Live-Scan initiieren“, murmelte er, als ihm die Stille zu viel wurde.
Die Messgeräte für die Echtzeitüberwachung fraßen Energie und ohne Genehmigung der Zentrale hätte er es üblicherweise nicht gewagt. Doch nun? In einer Ausnahmesituation.
Macon begann mit der Befehlseingabe.
„Zivis Errki“, meldete sich der Primus. „Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit einer vulkanischen Eruption? Uns fehlen die Vergleichsdaten, jedoch könnte Gefahr für die Kolonisten bestehen. Ich würde Sie bitten, größtmögliche Datenmengen zu sammeln.“
Macon zögerte nicht. „Den Live-Scan habe ich schon vor wenigen Minuten eigenständig in Auftrag gegeben. Ich erwarte in kürzester Zeit die Echtzeitdaten, Primus. Dann wissen wir mehr. Was die Austritte des Magmas angeht, so vermute ich, dass es zwangsläufig geschehen wird. Die Magmaströme bahnen sich den Weg des geringsten Widerstandes. Die Bodenschichten werden nach oben hin durchlässiger, also wird es unausweichlich zu Eruptionen kommen. Errki Ende.“
Macon lehnte sich im Stuhl zurück. Nun blieb ihm nichts als zu warten.
Überlaut hörte er die Klimaanlage. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und zog die Jacke aus. Die Anzeige für den Livescan verkündete glatte neunzig Prozent. Vielleicht noch zwei Minuten, dann konnte er sich einen Überblick über die Bedrohung verschaffen.
Was bis zum Kontakt mit dem Primus ein klarer Nachteil gewesen war, nämlich alleine während der Schichten zu sein, konnte nun zu einem unschätzbaren Vorteil werden. Den Ruhm, in katastrophaler Lage einen ruhigen Kopf bewahrt zu haben, würde er nicht teilen müssen. Macon grinste kurz. Plötzlich unterbrachen mehrere Warnsignale seine Gedanken.
Drei weitere Wärmetauscher meldeten Überhitzung.
Schnell gab er die Befehle für den Rückzug in kühlere Regionen. Ihm blieb keine Zeit, die Ausführung zu verfolgen, weil nun beinahe alle Wärmetauscher die Gefahrenmeldungen abgaben.
„Palla-Dung!“ Er tippte hektisch, nahm nur peripher das Okay für die Holo-Darstellung des Live-Scans wahr, drückte auf Execute und fixierte die Anzeigen.
„Zivis Errki? Wie sehen die Ergebnisse aus?“, fragte Primus Arneus via Standleitung. Die Lautsprecher knarzten, es gab Interferenzen, die sich in einem Rauschen und in Tonausfällen manifestierten.
Macon beendete möglichst schnell die Eingaben und starrte dann auf die Echt-Zeit-Holo-Darstellung, die nicht nur das Areal für die Wärmetauscher wiedergab, sondern auch eine schematische Risszeichnung der Energiestation.
„Nein“, flüsterte er und spürte, wie der Schweiß auf der Stirn kühl wurde.
„Zivis! Können Sie mich hören?“
Macon starrte auf die vielfarbige Visualisierung des unterirdischen Areals, sah den Magmaströmen zu, die sich aufteilten und unaufhaltsam in Richtung der Station bewegten.
Er drückte den Verbindungsknopf, krächzte, da sein Mund vollkommen trocken war, einige unverständliche Laute, schluckte, benetzte seine Lippen und