Perry Rhodan 3089: Das Atlan-Update. Kai HirdtЧитать онлайн книгу.
viel weniger Ansatzpunkte. Im Gegenteil, Halampa war überdurchschnittlich engagiert gewesen. Allein im letzten Monat hatte sie fünf Verbesserungsvorschläge zur Optimierung von Meldeketten und Ausrüstungsdepots eingereicht, die insgesamt dazu führten, dass eine Raumlandeeinheit im Alarmfall acht bis zehn Sekunden schneller ausschleusen und in den Einsatz gehen konnte. Keine riesige Zeitspanne. Aber in meinem langen Leben hatte ich oft genug erlebt, dass zehn Sekunden über Sieg oder Niederlage entschieden.
Und was soll daran ungewöhnlich sein?, meckerte der Extrasinn. Du selbst hast solche Vorschläge eingefordert, als du das Kommando über die THORA übernommen hast! Dieses Schiff wird seitdem mit arkonidischer Effizienz geführt statt mit terranischem Laissez-faire.
Das war nicht von der Hand zu weisen. Trotzdem war es die einzige Unregelmäßigkeit, die ich bislang entdeckt hatte, und ich wollte der Spur zumindest nachgehen. Ich rief eine Liste aller Verbesserungsvorschläge auf, die in den vergangenen Wochen eingegangen waren.
Und damit hatte sich die Spur auch schon erledigt. Die Mannschaft hatte sich meinen Befehl wirklich zu Herzen genommen: Es gab kaum einen Bereich des Schiffs, in dem sich nicht noch irgendein Optimierungspotenzial gefunden hatte. Zehntausende Vorschläge von Tausenden Besatzungsmitgliedern waren eingegangen.
Die meisten davon betrafen Winzigkeiten. Es wunderte mich nicht, dass keine echten Durchbrüche dabei waren, schließlich entwickelten die Terraner seit Jahrtausenden ihre Schiffe. Und sie hatten ihre Grundlagen von meinen Vorfahren geklaut, die ihrerseits schon Zehntausende Jahre Entwicklungsarbeit hineingesteckt hatten.
Aber Zehntausende winzige Verbesserungen führten auch dazu, dass man dem Gegner am Ende einen Schritt voraus war. Und seien es Banalitäten – ich selbst hatte gerade erst am Vortag die Möbel in meinem Zimmer so umgestellt, dass ich um eine Winzigkeit schneller vom Wohnbereich zur Tür gelangte, um notfalls schneller in die Zentrale zu gelangen.
Du verrennst dich, warnte der Extrasinn. Jetzt hast du eine Liste mit über tausend Verdächtigen. Wem davon willst du gegen seinen Willen den Schädel aufhämmern lassen?
»Niemandem«, murmelte ich im Selbstgespräch. »Es gibt allerdings einen Freiwilligen.« Ich machte mich wieder auf den Weg zur Medostation. »Mich selbst.«
4.
Du bist verrückt geworden, ereiferte sich mein Extrasinn. Völlig wahnsinnig!
Und du, dachte ich still, solltest logische und nüchterne Analysen liefern, statt mir Panik einreden zu wollen.
Du gefährdest meine Existenz, kam die Antwort. Dann ist ein alarmistischer Selbsterhaltungstrieb das oberste Gebot der reinen Logik!
Das mochte man verständlich finden, aber meine Entscheidung stand fest. Etwas Seltsames hatte es mit den Verbesserungen auf sich, die ich angeordnet hatte. Jede einzelne davon war gut, richtig und unverdächtig, aber in dieser Masse? Da ich selbst Teil dieser Entwicklung war und keinen Grund dafür benennen konnte, konnte ich mir selbst nicht trauen. Diese gut begründeten Selbstzweifel musste ich beseitigen, bevor ich irgendwelche weiteren Schritte überlegte.
»Öffne meinen Schädel und suche nach grün verfärbter Hirnmasse«, befahl ich Ivo Remsch. »Falls du welche findest, lass das Implantat bitte drin, bis wir einen nicht tödlichen Weg zur Entfernung gefunden haben.«
Der Mediker war nicht minder entsetzt als mein Logiksektor. Ich musste mein Anliegen wiederholen.
Auf Unverständnis folgte eine glatte Weigerung.
Recht hat er, meldete der Extrasinn sich erneut. Hör auf ihn, wenn du schon nicht auf mich hörst. Was du aber tun solltest. Habe ich dich je in die Irre geführt?
Letzte Woche erst, erinnerte ich ihn. Du hast das Kooperationsangebot mit den Ladhonen vorgeschlagen, das zu Tschirmayns vorzeitigem Ende geführt hat. Also, sei still!
Damit wandte ich mich wieder dem Mediker zu. »Ich entbinde dich ausdrücklich von jeder Verantwortung.«
»Darum geht es nicht. Ich habe geschworen, keine unnötigen Behandlungen durchzuführen und keinem Patienten Schaden zuzufügen!«
»Dann sieh es nicht als Behandlung«, schlug ich vor, »sondern als besonders gründliche Untersuchung.«
Remsch öffnete den Mund zum Protest, aber ich war noch nicht fertig. »Solltest du dich weigern, muss ich davon ausgehen, dass du mit den Feinden kooperierst, die Sergeant Halampa auf dem Gewissen haben. Möchtest du den Rest dieser Reise in einer Zelle verbringen?«
Vielleicht war es nicht klug, einen Mann zu bedrohen, der einem Minuten später mit einem Skalpell das Hirn bearbeiten sollte. Doch wenn er mich versehentlich oder absichtlich lobotomierte, würde ihn das nicht gerade vom Verdacht reinwaschen. Außerdem hatte ich immer noch eine faire Chance, dass mein Zellaktivator den Schaden behob, auch wenn diese Herausforderung trotz unserer langen gemeinsamen Zeit neu für ihn war.
Remsch sah mich unsicher an. Mein Blick bezeugte deutlich, dass ich es ernst meinte.
»Na gut«, sagte der Mediker schließlich. »Leg dich hin!«
Er wies auf das Operationsareal, in dem vor noch nicht einmal einer Stunde Sergeant Halampa verstorben war. Ein Roboter hatte es gereinigt und desinfiziert, aber sämtliche Behandlungsgeräte waren noch aufgebaut.
»Sind Allergien oder Unverträglichkeiten gegen Betäubungsmittel bekannt?«, erkundigte sich Remsch. Man hörte, dass er die Frage viele tausend Male gestellt hatte.
»Keine Betäubung«, erklärte ich.
Die Antwort war ihm offensichtlich neu. »Was?«
»Keine Betäubung«, sagte ich noch einmal. »Ich werde die Operation bei vollem Bewusstsein mitverfolgen. Ich kann sonst nicht ausschließen, dass jemand während meiner Betäubung die Befunde verfälscht und dich zu einer Falschaussage zwingt.«
»Aber wer sollte ... Und wie?«
Ich lächelte ein Lächeln, das deutlich zeigte, dass die Debatte aus meiner Sicht beendet war. »Ich vertraue dir meine Unversehrtheit an. Bitte vertrau du mir, dass ich einen guten Grund für mein Handeln habe. Und jetzt fang an!«
Ich legte mich auf das Behandlungsbett, strich die Haare zurück und blickte zur Decke.
Unsicher trat Remsch an mich heran. »Nicht einmal ein Lokalanästhetikum?«
Ich verdrehte die Augen. »Meinetwegen.«
Der Arzt instruierte einen Medoroboter. Bevor dieser jedoch die Spritze setzen konnte, piepste mein Multikom.
Mit einem Handzeichen ließ ich unterbrechen und nahm das Gespräch an.
Das Holo eines goldfleckigen Gesichts mit waagerecht geschlitzten Pupillen baute sich auf – ein Cairaner!
»Was du vorhast, wird nicht nötig sein, Atlan«, erklärte der Unbekannte ohne Begrüßung. »Ich muss dich über einige Dinge in Kenntnis setzen. Wir sollten uns treffen.«
Ich lächelte bekümmert. Da hatte ich meinen Beweis: Die Cairaner wussten, was auf der THORA vor sich ging. Und zwar nicht nur allgemein, im Großen und Ganzen, sondern sekundengenau. Seit einem Monat hielt ich mich vor ihnen versteckt. Wahrscheinlich hatten sie meinen Aufenthaltsort die ganze Zeit gekannt.
»Gern«, antwortete ich. Gerade an diesem Morgen hatte ich vorgeschlagen, mich in cairanische Hände zu begeben. Nun kam der Plan schneller zum Tragen, als ich selbst geahnt hatte. »Wo?«
Ich rechnete damit, Koordinaten für einen Rendezvouspunkt beim Sternenrad zu bekommen. Entsprechend erschrocken war ich über die Antwort. »Im Grüngürtel um die Zentrale. Du findest mich in der Laube. Lass mich noch etwas für Ordnung sorgen – in einer Stunde?«
»In einer Stunde«, bestätigte ich, wie betäubt, auch ohne Anästhetikum.
Der Cairaner versteckte sich nicht irgendwo zwischen den Sternen. Er war an Bord meines eigenen Schiffs!